Der Fall der verhafteten österreichischen Journalistin Sandra Bakutz rückt die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei in das Blickfeld der europäischen Aufmerksamkeit.
Eine böse Überraschung erlebte die Wiener Journalistin Sandra Bakutz am 10. Februar nach ihrer Ankunft in Istanbul. Kaum war sie auf dem Atatürk-Flughafen gelandet, wurde sie von der Polizei verhaftet. Mittlerweile ist die Österreicherin im Ulucanla-Gefängnis bei Ankara inhaftiert. Am 30. März soll ihr Prozess beginnen. Die türkische Justiz will gegen Bakutz wegen Mitgliedschaft bei der in der in der Türkei verbotenen linken Organisation DHKP/C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei/Front) Anklage erheben.
Diese Organisation geht auf den linken Aufbruch in der Türkei der 1970er Jahre zurück. Vor dem Militärputsch 1980 war die Vorläuferorganisation Devrimci Sol (Revolutionäre Linke) eine Massenorganisation. Tausende wanderten nach dem Machtantritt der Generäle ins Gefängnis. Noch in den 1990er Jahren hatte die DHKP/C vor allem in den Armenvierteln um Istanbul AnhängerInnen. Neben der legalen Arbeit in Stadtteil-, Fabrik- und Universitätskomitees hat die DHKP/C noch einen bewaffneten Flügel, den die türkische Regierung für mehrere politische Attentate verantwortlich macht.
Nachdem die kurdische PKK ihre Waffen niedergelegt hatte, konzentrierte sich der hochgerüstete Polizeiapparat auf die Restlinke und dabei besonders auf die DHKP/C. Sie ist neben der Türkei auch in Deutschland verboten, während ihre Auslandsorganisationen in Österreich, Griechenland, Belgien, den Niederlanden und verschiedenen anderen Ländern legal arbeiten.
Die DHKP/C hat sich in den letzten Jahren vor allem auf den Kampf gegen die Isolationshaft konzentriert. Bei dem am 20.Oktober 2000 begonnenen Todesfasten, das mittlerweile 117 Tote gefordert hat, war die DHKP-C die tragende Kraft.
Immer wieder kommt es in der Türkei zu Razzien und Festnahmen von AktivistInnen legaler Organisationen, die dann mit der DHKP-C in Verbindung gebracht werden. Am 1.April 2004 gab es eine große Verhaftungswelle gegen linke JournalistInnen, Juristen und Mitglieder der Organisation Tayad, die von Angehörigen politischer Gefangener gegründet wurde. Am 11. Februar 2005 wurde gegen die am 1. April Festgenommenen öffentlich verhandelt.
Sandra Bakutz gehörte zu einer Gruppe internationaler ProzessbeobachterInnen, die sich noch aus Menschenrechtlern aus Frankreich und Griechenland zusammensetzte. Sie wollte über das Verfahren für mehrere Freie Radios berichteten.
Kurz nach ihrer Verhaftung wurde sie von Mitgliedern des österreichischen Generalkonsulats im Gefängnis besucht. In einer Mitteilung des Außenministeriums in Wien heißt es, dass man sich für eine schnelle Rückkehr von Frau Bakutz nach Österreich einsetze und ihr „jede Unterstützung im Rahmen des konsularischen Schutzrechtes“ anbiete.
Auch die Journalistenvereinigungen „Internationales Presse Institut“ (IPI) und „Reporter ohne Grenzen“ haben die Verhaftung von Bakutz heftig kritisiert und ihre Freilassung gefordert. Bakutz hat in einem Brief aus dem Gefängnis bekräftigt, dass sie es als ihre Aufgabe betrachte, gegen Menschenrechtsverletzungen zu kämpfen und dadurch einen kleinen Beitrag für demokratische Veränderungen zu leisten. „Ich möchte hier nun aufrufen, dass sich die Augen der internationalen Öffentlichkeit weiter auf die Türkei und auf die Umstände hier richten, damit das Schweigen endlich ein Ende nimmt“, schließt sie ihren Brief.
Am 6.März waren viele Augen auf die Situation in der Türkei gerichtet. In vielen europäischen Ländern sah man mit Entsetzen, wie Polizisten friedliche DemonstrantInnen knüppelten und die am Boden liegenden mit Füßen traten. Eine Demonstration zum Internationalen Frauentag war brutal aufgelöst worden. 60 DemonstrantInnen wurden festgenommen.
Die Aufmerksamkeit der europäischen Öffentlichkeit war umso größer, als gerade eine Delegation des Europäischen Parlaments in Istanbul Gespräche über die weiteren Modalitäten der beschlossenen Verhandlungen zum EU-Beitritt führte. Aus Brüssel gab es daraufhin eine scharfe Kritik am mangelnden Reformwillen der türkischen Regierung, die vom Ministerpräsidenten brüsk zurück gewiesen wurde. Mit den Worten, „Es gibt Grenzen der Freiheit“ stellte er sich hinter das Vorgehen der Polizei.
Der türkische Außenminister Gül hat allerdings mittlerweile angesichts der Kritik aus dem Ausland eine Untersuchung des Polizeieinsatzes angekündigt. Die türkischen AktivistInnen verstehen die ganze Aufregung um den Polizeieinsatz nicht. „Für uns hier ist das alltägliche Normalität. Meistens gibt es noch viel mehr Verletzte und Verhaftete“, wissen sie zu berichten.
Der in Berlin lebende Journalist Peter Nowak ist Mitherausgeber des Buches Bei lebendigem Leib – Von Stammheim zu den F-Typ-Zellen, das noch über den Unrast-Verlag erhältlich ist.