Roman. Aus dem Türkischen von Angelika Gillitz-Acar und Angelika Hoch. Unionsverlag, Zürich 2008, 203 Seiten, € 20,50
Rio de Janeiro – die Stadt des Samba, der Lebensfreude, über der eine monumentale Christusstatue thront. Doch der erste Blick trügt, denn inmitten dieses scheinbaren Idylls liegt das Elend. Armut, Drogen und Korruption gestalten den eigentlichen Alltag. Die junge Türkin Özgür hat es vor mehr als zwei Jahren in die brasilianische Stadt verschlagen, und seither lässt sie Rio nicht mehr los. Gefangen in der tropischen Hitze und Zeugin der unmenschlichen Lebensbedingungen, erfährt Özgür ihre eigenen Grenzen. Da sie angesichts dieses Leides unfähig ist zu sprechen, beginnt sie das Buch „Die Stadt mit der roten Pelerine“ zu schreiben. Dieses setzt sich aus teils autobiographischen Erlebnissen zusammen und ist mitten in die Erzählung über Özgür eingeflochten. Der von Hunger geprägte Alltag, die erfolglosen Liebschaften und die immer stärker werdende Einsamkeit verschmelzen zu einer Mischung aus Wirklichkeit und Fiktion.
Aslı Erdog-an schafft mit ihrer Protagonistin Özgür, deren Name eigentlich „die Freie“ bedeutet, eine zwiespältige Frau. In der Welt Rios ist sie eine Weiße, eine Turca, eine Gringa. Trotzdem fühlt sie sich der Stadt zugehörig. Ihr Ziel ist es, den Tod zu überwinden, doch der Tod lauert an allen Ecken Rios. Apathie und Manie wechseln einander in der Persönlichkeit Özgürs ab. In manchen Momenten möchte man sie aufrütteln und überzeugen, wieder nach Hause zu fahren, dann aber möchte man sie wieder trösten, weil die Welt so ist, wie sie ist. Dennoch: Aslı Erdog-an hat eine intensive Lektüre geschaffen, die die Lesenden in ihren Bannkreis zieht. Die Geschichte der jungen Türkin berührt durch ihre direkte Erzählweise, nichts wird geschönt, alles so beschrieben, wie es ist. So wie das Leben sein kann oder so wie es ist. Poetisch, grausam, behutsam, realistisch.