Ganz in der Nähe der Büroräume von Südwind befindet sich ein großes graues Gebäude, das für seine Insassen, die voller Hoffnung nach Österreich gekommen sind, zum Vorhof der Hölle geworden ist.
Ein einziges Mal war ich drinnen in diesem großen Gebäude am Hernalser Gürtel in Wien, um einen kolumbianischen Schubhäftling zu besuchen. Außen hellgrau, vergitterte Fenster, innen dunkleres Grau, ein betonierter Hof, auf den die Zellenfenster gehen; zahlreiche Insassen, in der Mehrheit dunkler Hautfarbe, sitzen an den Fenstern, lassen die Beine zwischen den Gittern heraushängen und blicken auf den grauen Innenhof. Ich weiß nicht, was sie sehen, was sie sich denken. Sie warten auf ihre Abschiebung.
Polizeianhaltezentrum nennt sich diese Anstalt in unmittelbarer Nähe meines Arbeitsplatzes in der Wiener Josefstadt. Die hier eingesperrten Menschen sind keine „richtigen“ Häftlinge, denn Schubhaft ist keine Strafhaft. Sie werden bloß in Gewahrsam genommen von unserer Justiz, auf Grund von Gesetzen, die die beiden Großparteien beschlossen haben. Bis zu zehn Monaten können sie in diesen Orten der Verzweiflung festgehalten werden. Fast niemand von der Bevölkerung unseres reichen kultivierten Landes ist sich bewusst, dass sich mitten unter uns Enklaven der Hölle befinden.
Als „die große menschenrechtliche Wunde in Österreich“ bezeichnet der Menschenrechtsbeirat die Schubhaft. In der österreichischen Praxis werde die Schubhaft „überdurchschnittlich oft verhängt“, kritisiert der Menschenrechtskommissar des Europarates, Thomas Hammarberg, in einem Bericht vom Dezember des Vorjahres. Auch der UN-Menschenrechtsausschuss äußerte sich im Oktober 2007 besorgt über die große Anzahl der Schubhäftlinge in Österreich und über die menschenunwürdigen Begleitumstände ihrer Festhaltung. Die Internationale Helsinki-Föderation für Menschenrechte kritisiert die Unterbringungsbedingungen in österreichischen Schubhaftzentren, die zu Verzweiflungsakten bis hin zu Selbsttötungen führe. Hauptsache, es wird abgeschoben, sagt Innenminister Günther Platter von der ÖVP, deren Wertesystem laut Eigendefinition der christlichen und humanistischen Tradition des Abendlandes verpflichtet ist.
Schubhaft wird über Menschen verhängt, die über kein Aufenthaltsrecht verfügen oder nicht mehr verfügen. Und seit dem Fremdengesetz vom 1. Jänner 2006 können AsylwerberInnen gleich nach ihrer Ankunft und für die Dauer ihres Aufenthaltes in Schubhaft genommen werden, bis ihre rechtliche Situation geklärt ist. In diesem Jahr 2006 erhöhte sich die Zahl der Schubhäftlinge gegenüber dem Vorjahr um das Viereinhalbfache auf 8.694 Personen.
Roman M. aus Tschetschenien, in seiner Heimat politisch verfolgt, 25 Jahre alt, sucht mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern Schutz in Österreich. Seine Eltern, sein Bruder und seine Schwester leben bereits als anerkannte Flüchtlinge hier. Sofort nach seiner Asylantragstellung am 1. Oktober des Vorjahres wird er in Schubhaft genommen. Er soll nach Polen abgeschoben werden, seine Familie hingegen darf bis zum Abschluss des Asylverfahrens in Österreich bleiben.
Ich weiß nicht, ob unser christlich-sozialer Innenminister Medikamente braucht, um schlafen zu können. Mein Gemütszustand zumindest erlebt jedes Mal einen Tiefststand, wenn ich an dem grauen vergitterten Polizeianhaltezentrum Josefstadt vorbei gehe. Und mich schäme, nichts tun zu können gegen dieses Unrecht, das in meinem Land zum Recht wurde.