Investoren nehmen große Flächen afrikanischen Ackerlands unter Beschlag. New Internationalist-Autorin Anuradha Mittal hat sich vor Ort angesehen, wie die „AgInvesting“-Branche mosambikanische Felder in Finanzportfolios eingliedert.
Meine Recherche begann bei einer Konferenz von Global AgInvesting in Genf im Vorjahr. Organisiert war sie von HighQuest Partners aus den USA, und zur Zielgruppe gehörten Pensionsfonds, Stiftungen, staatliche Investmentfonds, institutionelle Investoren und PrivatanlegerInnen. Aber man hätte glauben können, einem Treffen von Hilfsorganisationen beizuwohnen: Die „Ag-Manager“ und VertreterInnen von Agrobusiness-Unternehmen sprachen davon, „Afrika zu helfen, sich selbst zu ernähren“, von „höherer Ernährungssicherheit“, der „Schaffung von Lebensgrundlagen“, ja sogar von „sozial verantwortlichen Investitionen“.
Am zweiten Tag nahm ich an einer Session zum Thema „African Land“ teil. Dabei breitete Susan Payne, CEO des Londoner Hedgefonds Emergent Asset Management (EAM), ihre Verkaufsargumente aus – flankiert von Pedro Marques dos Santos von Quifel Natural Resources, dem heute größten ausländischen Agrarproduzenten in Sierra Leone, und Neil Crowder, CEO von Chayton Africa, einer britischen Kapitalbeteiligungsgesellschaft. In ihrer Präsentation versprach Payne zweierlei: einerseits Arbeitsplätze und höhere Ernährungssicherheit für Gemeinschaften in Ländern wie Mosambik („wo die Menschen früher Kohle aßen“ ); andererseits eine Kapitalrendite zwischen 20 und 40 Prozent.
In einer weiteren Präsentation, auf der Website von EAM, hatte Payne auch die relativ niedrigen Landpreise in Afrika als „Arbitrage-Chance“ gepriesen und dazu ausgeführt, „selbst wenn wir idiotisch genug wären, um gar nichts anzubauen, würden wir in den nächsten Jahren wahrscheinlich Geld verdienen“. Später melde ich mich für einen von EAM gesponserten dreitätigen Blitztrip für Investoren nach Südafrika, Sambia, Mosambik und Swasiland an.
Am 6. Dezember 2010 morgens in Johannesburg traf ich mich mit den Mitgliedern meiner Reisegruppe – David Murrin, Chief Investment Officer von EAM (heute CEO, Anm. d. Red.), Anthony Porter, der Afrika-Direktor des Unternehmens, Susan Payne sowie drei Investoren aus den USA. Wir flogen in einem Privatflugzeug nach Sambia. Nach den Visakontrollen am Flughafen in Lusaka ging es rasch per Hubschrauber weiter. Wir flogen über die Victoriafälle und konnten uns von der Schönheit und Pracht der Tierwelt des Landes überzeugen.
Während ich noch von der Herde von Flusspferden fasziniert war, die ich eben unten entdeckt hatte, fielen mir plötzlich merkwürdige kreisförmige Rodungen auf. Eine Bananenplantage, wie ich bei der Landung in einem schlammigen Feld feststellte. Wir waren in EmVest Kalonga angekommen, einem Farmprojekt von EAM mit 3.275 Hektar, 30 km westlich der Stadt Livingston im Süden von Sambia.
Ich hatte nicht erwartet, hier auf Dorfleute zu treffen, denn angeblich erwerben ausländische Investoren ja nur ungenutztes Land. Daher war ich überrascht, als Kinder, Frauen und Männer in die Felder liefen, um sich das Spektakel anzusehen. Der Anblick von Investoren, die vom Himmel herunterkommen und Arbeit, Ernährungssicherheit und Harmonie versprechen, ist für die lokale Bevölkerung nach wie vor faszinierend.
Nach einem deftigen Mittagessen im Haus des Farmmanagers Koos de Klerk fliegen wir wieder ab. Diesmal geht es Richtung Maputo. In Mosambik betreibt EmVest Asset Management, ein Joint Venture von EAM und der südafrikanischen GrainVest, drei Projekte. Wir besuchten die EmVest Limpopo-Farm in Matuba in der Provinz Gaza – laut Unternehmen ein 2.000-Hektar-Projekt „auf der grünen Wiese“. Das Land sei EAM von der Regierung verpachtet worden – im Rahmen eines groß angelegten Programms zur Entwicklung des landwirtschaftlichen Potenzials des Landes.
Als wir zur Farm fuhren, war ich schockiert. Ich hatte brachliegendes, unbesiedeltes Land erwartet. Stattdessen befand sich die Farm inmitten zahlreicher Dörfer und bebauter Felder, überall gab es lokale Märkte. Soviel zum „Überfluss an ungenutztem Land“, von dem uns erzählt wurde – selbst entlang der Fernstraße war Mais gepflanzt.
In Matuba, mit den typischen kreisrunden strohgedeckten Lehmhütten und den kleinen Feldern, befindet sich auch der Sitz von EmVest Limpopo. Auf der Farm wurden wir von einem Herrn Mugabe von der Bezirksverwaltung sowie vom südafrikanischen Farmmanager Pieter de Klerk (dem Bruder von Koos de Klerk in Sambia) begrüßt. Wir erfuhren, welche Chancen sich hier für ausländische Investoren bieten.
EmVest Limpopo offeriert ausländischen Investoren ein attraktives Gesamtpaket, darunter fruchtbares Land und Wasser in Hülle und Fülle (aus dem Kanal), alles für einen Pappenstiel. Zu den zusätzlichen Anreizen gehören Zoll- und Umsatzsteuerbefreiung, Einkommensteuerfreiheit für fünf Jahre, danach ein niedriger Steuersatz und unbeschränkte Gewinnrepatriierung für einen – verlängerbaren – Basiszeitraum von 25 Jahren. Als Gegenleistung für diese Großzügigkeit soll das Limpopo-Projekt Arbeitsplätze schaffen und bei der Armutsbekämpfung mithelfen, indem „mehrheitlich“ Menschen aus Matuba, das 7.000 EinwohnerInnen zählt, beschäftigt werden.
Im Rahmen des Besuchs durften wir in Geländewagen auch die nähere Umgebung des Dorfs besichtigen. Man zeigte uns ein Waisenhaus, das angeblich von EmVest Limpopo unterstützt wird, und Stromleitungen, die gelegt wurden, um die neue Farm mit Elektrizität zu versorgen. Als ich David Murrin von EAM fragte, ob geplant sei, Stromleitungen durch das Dorf zu führen, meinte er „Nein“ – es könnte unerwünschte Folgen haben, wenn die Menschen im Dorf etwas gratis bekämen.
Auffällig war, dass die Menschen zwar auf die Geländewagen starrten, in denen wir herumchauffiert wurden, sich aber niemand zu einer Begrüßung hinreißen ließ. Als ich Pieter fragte, ob die meisten Beschäftigten der Farm aus dem Dorf wären, meinte er: „Naja … wenn ich mich so umsehe … hier ist jeder ein potenzieller Verbrecher.“
Für ausländische Investoren auf der Suche nach lukrativen Geschäftsmöglichkeiten mag es nichts Ungewöhnliches sein, vier Länder in 72 Stunden zu besuchen. Bei mir jedenfalls blieben mehr Fragen als Antworten.
Im Februar 2011 reiste ich wieder nach Matuba, diesmal aber ohne Begleitung durch eine Clique ausländischer Investoren. Ich wollte mit den Menschen reden, die angeblich von diesen Investitionen profitieren sollten. Wir fuhren mit Diamantino Nhampossa nach Matuba, dem Direktor von UNAC, der größten Bauernorganisation in Mosambik. Nach einem Treffen mit Vertretern einer lokalen Bauernvereinigung in der Provinz Gaza unterhielten wir uns mit den Bauern und Bäuerinnen, wobei wir unter einem Dach aus geerntetem Zuckerrohr vor dem niederprasselnden tropischen Regen Schutz suchten. Sie berichteten mir von ihren Erfahrungen mit den ausländischen Investoren.
Sie erzählten von Mia, einer Tochtergesellschaft der britischen Supermarktkette Sainsbury, die gegenüber der EmVest-Farm Land gepachtet hat. Als die Bäuerinnen und Bauern das Land, das Mia als seinen Besitz betrachtete, nicht freigeben wollten, flogen Flugzeuge über die Maisfelder. Was da von den Flugzeugen herunterkam, wissen die Leute im Dorf nicht. Aber was es auch war, der Mais ging in der Folge zugrunde.
Danach gingen wir ins Dorf selbst, um mit den Leuten zu reden, die angeblich ihr Land an EmVest abgetreten hatten. Was uns der Bürgermeister von Matuba und die Menschen im Dorf erzählten, widersprach der Behauptung von EmVest, es hätte eine Konsultation gegeben. Wie sie sagten, wären sie von Behördenvertretern gezwungen worden, sich von 1.000 Hektar zu trennen. Dabei hätte ein weißer Mann namens Pieter, der die Bezirksbeamten begleitete hatte, versprochen, ihrer Armut ein Ende zu setzen.
Von einer Abtretung weiterer 1.000 Hektar könne keine Rede sein, wie sie versicherten, auch wenn man sie unter Druck gesetzt hätte. „Wir brauchen das Land, um unsere Kinder zu ernähren und unser Vieh weiden zu lassen“, so der Tenor. Die DorfbewohnerInnen klagten, sie hätten ihre Felder verloren und nichts Schriftliches erhalten – weder eine Kopie der Übertragungsurkunden oder sonstiger offizieller Dokumente noch eine Kopie des Vertrags zwischen EmVest und der Regierung.
Die Schaffung von Arbeitsplätzen wird oft als einer der Zwecke ausländischer Direktinvestitionen in Ackerland genannt. Und tatsächlich werden auch in der Übersicht über das Matuba-Investitionsprojekt Arbeitsplätze versprochen. Allerdings umfasste die Personalliste des Projekts vom Mai 2011 bloß 232 MitarbeiterInnen, wovon nur 93 permanent beschäftigt waren. 97 Arbeitsplätze entfielen auf Feldarbeit, 85 davon waren saisonal. Das Verdienstpotenzial für lokale Bauern und Bäuerinnen bzw. die 7.000 Menschen von Matuba ist gering. Mit 36 Positionen entfiel der größte Teil der permanenten Jobs auf Sicherheitspersonal.
Der Bürgermeister bestätigte, dass die Limpopo-Farm nur begrenzte Chancen bietet. Die Leute aus dem Dorf könnten ihre Familien eher ernähren, wenn sie ihre kleinen Felder bearbeiteten als in Teilzeitarbeit für EmVest.
Emergent Asset Management macht viel Aufhebens über seine sozial verantwortliche Investitionsstrategie, ob im persönlichen Kontakt oder in Präsentationsfoldern für Investoren. EmVest behauptet etwa, gute Beziehungen mit der lokalen Gemeinschaft zu unterhalten: Es wären medizinische Einrichtungen und Schulgebäude aufgebaut und Brunnen gebohrt worden. Zudem hätte man das lokale Waisenhaus unterstützt und den Menschen in Matuba 370 Hektar gepflügtes Land zur Verfügung gestellt.
Glaubt man den Menschen vor Ort, stimmt nichts davon. Das Waisenhaus und die Schule der Gemeinschaft, erzählten mir DorfbewohnerInnen, wären von der Caritas gebaut und finanziert worden. Zum Wohlergehen des Dorfs hätte EmVest nichts beigetragen. Die Brunnen wären erst gebohrt worden, als sich Leute aus dem Dorf beschwerten, dass ihr Vieh durch die Tätigkeiten des Unternehmens keinen Zugang mehr zu Trinkwasser hätte. Über die 370 Hektar gepflügten Landes, die EmVest angeblich bereitgestellt hatte, war nichts zu erfahren. Stattdessen redeten sie nur über die 1.000 Hektar, die sie unter Zwang hergeben hätten müssen, und vom Druck, noch mehr Land herzugeben. Die Crux der Sache aus ihrer Sicht: „Das Problem ist, dass EmVest Land will, auf dem Menschen leben und Anbau betreiben. Aber wir brauchen dieses Land für unsere Kinder und um uns zu ernähren.“
Was in Mosambik passiert, ist kein Einzelfall. Die ForscherInnen des Oakland Institute haben sieben afrikanische Länder besucht und dabei eine Reihe land- und forstwirtschaftlicher Projekte sowie Bergbauvorhaben untersucht. Wir stellten fest, dass Investitionen in die Landwirtschaft nicht unbedingt mehr Ernährungssicherheit oder ein besseres Leben für KleinbäuerInnen mit sich bringen, die den Großteil der Armen dieser Welt ausmachen. Stattdessen schließen Investoren, die sich niemandem gegenüber verantworten müssen, geheime Verträge, die zu einer Gefährdung der lokalen Nahrungsmittelproduktion, zu mehr Armut und politischer Instabilität führen.
Copyright New Internationalist
Anuradha Mittal ist Exekutivdirektorin des Oakland Institute (Kalifornien). Der „Thinktank“ verfolgt das Ziel, die Auseinandersetzung über sozial-, wirtschafts- und umweltpolitische Fragen zu fördern und zu einer stärkeren öffentlichen Beteiligung daran beizutragen.
www.oaklandinstitute.org
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