Die südafrikanischen Gewerkschaften protestieren lautstark gegen den Ausverkauf grundlegender öffentlicher Dienste durch die Regierung. Aber der ANC hört nicht zu, warnt New Internationalist-Autor Patrick Bond.
In Sachen Privatisierung gab es stets eine Kluft zwischen dem regierenden African National Congress (ANC) und dem Gewerkschaftsdachverband Cosatu. Aber sie vertiefte sich erheblich, als die südafrikanische Regierung im Jänner beschloss, die staatliche Telefongesellschaft Telkom zu verkaufen – im Namen des „black economic empowerment“, der wirtschaftlichen Emanzipation der schwarzen Bevölkerung. Dass sich Cosatu und die südafrikanische Kommunistische Partei vom ANC trennen, scheint unvermeidlich, und der Grund werden ideologische Differenzen sein – etwa in der Frage, ob grundlegende Dienste gewinnorientiert erbracht werden sollen.
Cosatu erzielte Anfang des Jahres einen kleinen Sieg, als Verkehrsminister Dullah Omar einige Eisenbahnprivatisierungen stoppte. Aber Präsident Thabo Mbeki hat sich mit seiner Agenda der „Umstrukturierung staatlicher Unternehmen“ einzementiert. Er etikettiert seine GegnerInnen aus der Gewerkschaft und Zivilgesellschaft als „Ultralinke“ und setzte bisher auf Einschüchterung und Teile-und-Herrsche-Taktiken, um den Anschein von Einheit aufrechtzuerhalten.
Einfach war das nicht. „Wir haben nicht für die Befreiung gekämpft, um sie an den Bestbieter zu verkaufen!“, lautet ein von den Gewerkschaften plakatierter Slogan. Letzten Oktober zeigte ein teilweise erfolgreicher, zweitägiger Streik eines Viertels der Arbeiterschaft des Landes, wie schlecht das Verhältnis bereits geworden war. Ein früherer zweitägiger Streik hatte nach Ansicht Mbekis die Weltkonferenz über Rassismus im August 2001 verdorben. Ein Jahr später, während des Weltgipfels über nachhaltige Entwicklung (WSSD), demonstrierten 20.000 Menschen gegen die „Privatisierung des WSSD“ – einschließlich der entscheidenden Wasser- und Energieversorgung.
Der Kampf um Wasser und Strom ist in den Townships Südafrikas zu einem Überlebenskampf geworden. Eine Studie des offiziellen Human Sciences Research Council ergab, dass etwa zehn Millionen Menschen durch die Privatisierung von Wasser- oder Stromabsperrungen betroffen waren, zumeist weil sie sich die neuen, höheren Tarife nicht leisten konnten. Ein Ergebnis davon ist die anhaltende Choleraepidemie in Südafrika, mit 140.000 Fällen seit August 2000. Millionen Menschen – insbesondere Kinder – leiden jedes Jahr an Durchfall, weil sauberes Wasser zu teuer ist und sich die Kanalisation in einem skandalösen Zustand befindet. Tuberkulose und andere Atemwegserkrankungen sind verbreitet, auch weil Frauen gezwungen sind, statt mit Strom mit Kohle oder Holz zu kochen und zu heizen. Auch die Elektrizitätsgesellschaft Escom hat begonnen, gegen Kunden mit Zahlungsrückständen vorzugehen – schließlich bereitet die Regierung für nächstes Jahr den Verkauf von 30 Prozent ihrer Anteile vor. In Soweto wurde 2001 jeden Monat 20.000 Haushalten der Strom abgesperrt, bis Widerstand von militanten Gruppen zur Rücknahme der Maßnahmen führte.
Ihre neue Kampagne gegen die Privatisierung der Telkom unterlegt die Cosatu mit einer schockierenden Bilanz der „Leistungen“ seit der Befreiung 1994:
Seit ihrer Teilprivatisierung und Neuorientierung am Gewinnprinzip hat die Telkom die Tarife für Dienste, die von armen Haushalten genutzt werden – Grundgebühren und Ortsgespräche – erhöht, während die Tarife für Reiche und Unternehmen gesenkt wurden, insbesondere für Auslandsgespräche und das Internet. Die Tarife für arme Familien wurden kürzlich um 13 Prozent angehoben, für Wohlhabende nur um sechs Prozent.
Wegen der hohen Grundgebühren können sich Arme keinen Telefonanschluss mehr leisten. Telkom hat daher 80 Prozent der in den vergangenen fünf Jahren neu errichteten Festnetzanschlüsse gesperrt.
Gleichzeitig hat die Gesellschaft den Personalstand um ein Drittel verringert und die Investitionen zurückgefahren.
Die Kosten für die Entwicklung Südafrikas und insbesondere für die Armen sind in ihrer Höhe inakzeptabel, warnt Cosatu. „Privatisierung kann die Bedingungen für die Mehrheit nur verschlechtern. Der Verkauf der Telkom ist in Wirklichkeit die Enteignung von Vermögen von 46 Millionen SüdafrikanerInnen, um es an bestenfalls eine Million ‚Anleger‘ im Namen des ‚black economic empowerment‘ zu versteigern.“
Mit der Cosatu-Kampagne eröffnet sich nun Raum für ein „Bündnis der Entrechteten“: Etwa verzichten Mitglieder der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten manchmal auf die traditionelle Loyalität zum ANC und beteiligen sich an Anti-Privatisierungsforen (APFs) in den größeren Städten, selbst wenn diese Foren ins Auge fassen, den ANC in Form einer eigenen politischen Partei herauszufordern. Am wichtigsten ist dabei, dass die APFs und andere militante Gruppen damit fortfahren, die Angelegenheiten in die eigene Hand zu nehmen – einschließlich illegaler Anschlüsse an das Strom- und Wassernetz. KritikerInnen drohen bereits, weitere Privatisierungsversuche durch Maßnahmen gegen Kommerzbanken, ausländische Unternehmen und internationale Institutionen zu torpedieren, die dieses Allheilmittel propagieren. Wie der Kampf auch immer ausgeht, eines ist sicher: Der Glaube Präsident Mbekis an die Privatisierung gefährdet die zukünftige Wiederwahl des ANC.
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Patrick Bond lehrt an der Wits University in Johannesburg und ist Autor von Unsustainable Africa: Environment, Development and Social Protest (Merlin Press, London). Er ist auch einer der Leiter des Municipal Services Project (www.queensu.ca/msp).