Fußball-Expertin Nicole Selmer über die FIFA, dominante weiße Männer und mehr oder weniger kritische Fans.
Ist der Sport generell nach wie vor von Männern dominiert?
Ja! Es hat sich zwar in den vergangenen Jahren schon etwas verändert, aber es ist nach wie vor so. Und zwar auf allen Ebenen. Über Sportlerinnen wird meist sexistisch berichtet. Sie bekommen weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Auf der Funktionärsebene ist es wohl am augenfälligsten. Männer dominieren die Führungsebene bei großen Sportverbänden fast komplett. Dabei gilt: Je wichtiger der Sport, desto stärker ist die Männerdominanz ausgeprägt.
Wie hängt das zusammen?
Patriarchat und Kapitalismus funktionieren nun mal gut zusammen. Es hängt davon ab, welcher Sport wirtschaftlich am interessantesten ist.
Die FIFA soll nun „weiblicher“ werden. Kann eine solche Reform funktionieren?
Das muss man abwarten. Oft bewegt sich gerade in Krisenzeiten etwas. Man kann es allerdings auch so sehen, dass erst jetzt Frauen mitmachen dürfen, wenn es ums Aufräumen der FIFA geht. Und nur weil Frauen dabei sind, heißt es nicht, dass es automatisch besser wird.
Sportverbände sind allerdings oft Männerbünde. Hilft da nicht schon, wenn das aufgebrochen wird?
Die Kultur muss sich ändern, sonst passen sich Frauen dieser genauso an. Für einen Wandel braucht es mehr als Quotenfrauen. Das gilt ganz allgemein in Bezug auf Diversität: In der FIFA sind auch nicht-weiße Männer vertreten. Ich vermute jedoch, dass sich manche von ihnen die Dominanz-Kultur angeeignet haben.
Damit Minderheitenbeteiligungen Auswirkungen haben, müssen sie zumindest 20, 25 oder 30 Prozent ausmachen. Die zumeist älteren, weißen Männer müssten bereit sein, einen Schritt zur Seite zu treten. Ich bin allerdings skeptisch, dass sie das machen werden.
Wäre es besser, die FIFA neu zu erfinden?
Das ist die Frage. Es geht nicht zuletzt darum, ob sich progressive Kräfte die Strukturen der FIFA antun wollen. Die reiben sich da womöglich auf.
Sollten Sportfans kritischer sein?
Da müssen wir unterscheiden. Organisierte Fußballfangruppen etwa haben FIFA und UEFA schon lange aufgegeben. Solange abseits davon die Massen mitmachen und das Geschäftsmodell funktioniert, solange läuft das System. Aber ich denke, dass auch jene, die Sport vor allem als Unterhaltung sehen, heute mehr reflektieren. Das zeigt sich im Zuge der aktuellen Aufdeckungen.
Nicole Selmer ist Autorin und Journalistin und unter anderem stv. Chefredakteurin des Fußballmagazins ballesterer.
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