Die Kehrseite der sauberen Elektronik

Von Christina Schröder · · 2010/02

Im Rahmen des Programms „Handeln für Eine Welt“ blickte ein Aktionsteam von Südwind Entwicklungspolitik in Thailand hinter die Kulissen der scheinbar hoch entwickelten Elektronikwelt und fand vor allem ausbeuterische Arbeitsbedingungen.

Computer, Handy, Fernseher und Kamera – elektronische Artikel sind aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken. Der Großteil davon wird aus Asien importiert. Thailand ist der größte Festplatten-Exporteur der Welt, aus China kommt ein Viertel der globalen Elektronik-Produktion. Die bestimmt auch in diesen Ländern den Alltag von Millionen Menschen: Sie arbeiten tagtäglich bis zu 16 Stunden am Fließband und gefährden dabei ihre Gesundheit für einen Hungerlohn.

Zahlreiche Investitionsförderungen der thailändischen Regierung locken die großen Elektronikmarken ins Land. Bis zu elf Jahre können sie steuerfrei produzieren lassen, danach gibt es immer noch die Möglichkeit, Firmenstandorte zu schließen und in der Nachbarprovinz unter einem anderen Namen wieder aufzusperren. Bei dieser Gelegenheit wird die Belegschaft gekündigt und neue Arbeitskräfte, meist LeiharbeiterInnen, werden angestellt. Sie bekommen den Mindestlohn gezahlt – ca. 200 Baht, also vier Euro am Tag. Leben kann man davon nicht. Deswegen sind die ArbeiterInnen gezwungen, täglich mindestens zwei Überstunden zu leisten und Schicht zu arbeiten. Pro Nacht werden ca. 50 Cent Zuschlag gezahlt.

„Mit Überstunden und Nachtarbeit komme ich gerade über die Runden“, erzählt eine Arbeiterin den Südwind-Aktivistinnen, „ansparen für Notfälle kann ich mir aber nichts.“ Diese können jedoch jederzeit eintreten. Denn wer einen Fehler bei der Produktion macht, kann fünf bis sieben Tage suspendiert werden. Auch wer krank wird oder einen Unfall am Arbeitsplatz hat, gerät in eine Notsituation.

Dem 40-jährigen Arbeiter Tuebto wurde am Ende einer langen Nachtschicht die Hälfte des Fußes in einer defekten Maschine abgetrennt. Sein Arbeitgeber, ein Zulieferer für große Markenfirmen, hat ihm bis heute keine Entschädigung gezahlt. „Das Management hat gemeint, dass es meine eigene Schuld war und sie deshalb nicht zahlen. Dabei habe ich mehrmals auf die defekte Maschine hingewiesen“, klagt der nunmehrige Invalide.

Auch für beruflich bedingte Krankheiten wollen Unternehmen keine Verantwortung tragen. Wenn ÄrztInnen Krankheiten aufgrund von toxischer Belastung und fehlender Schutzkleidung diagnostizieren, werden sie oft von den Unternehmen geklagt. „Kaum einer wagt, eine richtige Diagnose zu stellen, und Arbeiterinnen und Arbeiter, die nicht wissen, ob und warum sie krank sind, können sich auch nicht wehren“, erklärt uns Dr. Auropan. Sie ist eine der wenigen ÄrztInnen in Thailand, die sich trotz Firmenklagen dafür einsetzen, die gesundheitlichen Belastungen durch die Arbeit in Elektronikfirmen zu beweisen.

Die Lösung der Problematik läge laut Dr. Auropan bei den Gewerkschaften – nur diese könnten die Aufgabe übernehmen, die ArbeiterInnen ausreichend über die Gefahren an ihrem Arbeitsplatz zu informieren.

Die Gründung von Gewerkschaften auf betrieblicher Ebene wird allerdings von den Firmen verhindert, wo immer es nur geht. Bei einem Zulieferer von Sony, Samsung und Panasonic versuchen die ArbeiterInnen schon seit Monaten, einen Betriebsrat zu gründen. Sieben wurden deshalb bereits gekündigt. „Das Management hat uns Briefe von angeblichen Kunden gezeigt, in denen stand, dass sie die Aufträge stornieren, wenn wir einen Betriebsrat gründen“, erzählt eine Arbeiterin. Am Tag des geplanten Gründungstreffens organisierte das Management einen Betriebsausflug, um die ArbeiterInnen davon fernzuhalten.

Die Südwind-Kampagne Clean-IT setzt sich – zusammen mit ähnlichen Initiativen in Deutschland, Spanien u.a. europäischen Ländern sowie in Hongkong – dafür ein, dass Markenunternehmen Verhaltenskodizes entwickeln und umsetzen, die faire Bedingungen für alle ArbeiterInnen in der Computerproduktion garantieren.

„Wir schaffen Bewusstsein für die Missstände in dieser Industrie. Gemeinsam mit Konsumentinnen und Konsumenten üben wir Druck auf die Unternehmen aus, damit sie ihre soziale Verantwortung gegenüber den Arbeiterinnen und Arbeitern wahrnehmen“, erklärt Andrea Ben Lassoued, Projektleiterin von Clean-IT. Bis dato gäbe es noch keine fair produzierten Computer am Markt. „Je größer die Nachfrage von Konsumentinnen und Konsumenten nach fairen Arbeitsbedingungen in der Computer- und Elektronikindustrie, desto eher werden sich die Unternehmen dafür einsetzen müssen“, ist sie nach dem Lokalaugenschein in Thailand sicher.


Christina Schröder ist Mitarbeiterin der Südwind-Agentur und untersuchte zusammen mit ihrer Kollegin Andrea Ben Lassoued die Arbeitsverhältnisse in der thailändischen Elektronikindustrie. Die beiden Südwind-Aktivistinnen berichteten nach ihrer Rückkehr in einer Pressekonferenz von ihren Recherche-Ergebnissen; das bis dahin weitgehend unbekannte Thema wurde daraufhin in zahlreichen Medien aufgegriffen.

Über die verschiedenen Möglichkeiten, im Rahmen der Südwind-Kampagne aktiv zu werden, siehe www.clean-it.at/aktiv-werden

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