Interview mit Sonia Pierre, SWM 5/11
Die Menschenrechtsaktivistin Sonia Pierre gerät ins Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik, weil sie für die Rechte der haitianisch-stämmigen Bevölkerung eintritt.
In dem Gespräch mit Sonia Pierre, der Gründerin und Leiterin von MUDHA, der „Bewegung der dominikanisch-haitianischen Frauen“, erzählte sie dem Südwind-Magazin von den Schikanen, denen MigrantInnen haitianischer Herkunft in der Dominikanischen Republik ausgesetzt sind: Misshandlungen, Verweigerung der Staatsbürgerschaft, Zwangsdeportationen. Von der Verfassungsreform, die die Lage dieser Menschen weiter verschlechtert hat, weil u.a. tausende Kinder und Jugendliche dadurch ihre dominikanische Staatsbürgerschaft verloren haben. Und dass sie diesen Sachverhalt vor den Interamerikanischen Gerichtshof bringen wolle.
Bald nach der Rückkehr von ihrem Österreichbesuch im vergangenen April reichte MUDHA zusammen mit anderen Organisationen die Klage bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ein; die entsprechende Anhörung wurde für den 24. Oktober festgesetzt. Daraufhin erhob sich in den dominikanischen Medien ein Sturm der Entrüstung gegen Sonia Pierre, die die Menschenrechtsaktivistin als „Nestbeschmutzerin“ beschimpften, als „Krebsgeschwür für die Nation“. Einer dieser Hetzartikel erschien sogar auf der Titelseite einer Tageszeitung und wurde dann in vergrößerter Form auf Transparenten in verschiedenen Straßen der Hauptstadt Santo Domingo zur Schau gestellt. Noch wütender wurden die Angriffe, als US-Außenministerin Hillary Clinton in Washington sich öffentlich für die Rechte der dominiko-haitianischen Bevölkerung aussprach.
Am 7. Oktober veröffentlichte eine internationale Koalition von Menschenrechsorganisationen in der US-Hauptstadt ein Kommuniqué, in dem sie den dominikanischen Staat zu einem Ende der Angriffe auf Sonia Pierre aufrief. Es war nicht Sonia Pierre persönlich, die die Klage bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission einbrachte, sondern ein Bündnis von zwölf Menschenrechtsorganisationen, heißt es in dem Kommuniqué.
Als die Leiterin von MUDHA in der ersten Oktoberwoche zu einer internationalen Konferenz über Afrodescendientes (aus Afrika stammende Bevölkerung in Lateinamerika und der Karibik) nach Europa reiste, wurde sie am Flughafen von Santo Domingo von Personen, die sie von den Zeitungsartikeln her erkannten, beschimpft und beleidigt.
Sonia Pierre ist heute in der Dominikanischen Republik eine der meist gehassten Frauen, die Front ihrer feindlichen Kritiker reicht von PolitikerInnen aller Parteien und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens über die Bischöfe bis hin zum Kardinal. Alle sind sich einig darin, dass es in der Dominikanischen Republik weder Rassismus noch Menschenrechtsverletzungen gibt. International wird ihre Arbeit jedoch sehr geschätzt, sie wurde mit Auszeichnungen überhäuft. Vergangenes Jahr bekam sie von Hillary Clinton und First Lady Michelle Obama den „International Woman of Courage Award“.
Amnesty International hat die dominikanische Regierung aufgefordert, für den Schutz von Sonia Pierre zu sorgen. Die zu ihrem Schutz bereitgestellte Polizei lehnte sie jedoch mit folgenden Worten ab: „Dann könnte man gleich Graf Dracula eine Blutbank bewachen lassen.“
AI hat eine Petition an die dominikanische Regierung gestartet; ein vorgefertigter Brief kann unter folgender Adresse herunterladen werden: frauenrechte.amnesty.at/allgemein/dominikanische-republik-mudha-leiterin-wird-seit-jahren-bedroht/comment-page-1/#comment-970
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