Vom Kampf gegen Armut bis hin zur Debatte um Wirtschaft ohne Wachstum: Für den Philosophen Thomas Pogge ist der Rohstoffhandel der Schlüssel zu einer besseren Welt. Mit ihm sprach Südwind-Magazin-Mitarbeiter Ralf Leonhard.
Südwind-Magazin: Herr Pogge, Sie fordern eine internationale Abgabe auf den Kauf von Rohstoffen, die globale Rohstoffdividende, die die Armut aus der Welt schaffen soll. Wie?
Thomas Pogge: Die Rohstoffe unseres Planeten werden sehr einseitig von einer kleinen Minderheit der Weltbevölkerung angeeignet. Sie macht Besitzansprüche auf diese Rohstoffe geltend und verkauft sie dann an andere Mitglieder derselben Minderheit: an die Konsumentinnen und Konsumenten in den reichen Ländern. Die große Mehrheit der Menschheit geht im Wesentlichen leer aus. Das soll diese globale Rohstoffdividende ändern. Ein kleiner Bruchteil der Rohstofferlöse soll in einen Fonds für Armutsbekämpfung und Entwicklung gezahlt werden.
Wie würde das konkret aussehen?
Jedes Jahr werden etwa sechs Billionen (6.000 Milliarden, Anm. d. Red.) Liter Rohöl gefördert. Wenn man von jedem Liter zwei Cent abzweigt, gewinnt man jedes Jahr 120 Mrd. Euro. Das ist mehr als die gesamte offizielle Entwicklungshilfe. Wenn man das auf andere Rohstoffe wie Kohle, Gas, Methan und so weiter ausdehnt, könnte man leicht 500 Mrd. Euro durch diese Rohstoffdividende gewinnen.
Wer sollte das einheben und verwalten?
Zum Beispiel die Weltbank. Es gibt ja schon den Global Fund für Tbc, Malaria und AIDS mit einem Volumen von drei Mrd. Euro pro Jahr. Das ist ein sehr erfolgreich arbeitender Fonds. Dieser Fonds könnte auch aus der globalen Rohstoffdividende gespeist werden.
Dazu bedarf es eines breiten Konsenses der Industrie- und der Rohstoff-Förderländer.
Vor allem der Industrieländer. Die Förderländer haben wenige Möglichkeiten, sich so etwas zu widersetzen. Jemand, der sehr viele Rohstoffe hat, muss sie ja auf den Weltmärkten verkaufen.
Die Idee ist allerdings schon zehn Jahre alt. Wieso ist es nicht gelungen, die Politik dafür zu begeistern?
Zum Teil liegt es wohl daran, dass wir es nicht vermocht haben, die Bevölkerung dafür zu gewinnen. Es ist ja kein Vorschlag, von dem man erwarten kann, dass die Politiker ihn aus freien Stücken umsetzen werden, sondern es bedarf eines gewissen Drucks der Menschen. Dann kam die globale Finanzkrise: Wenn Regierungen an neue Finanzquellen kommen, dann verwenden sie die sicher nicht für Armutsbeseitigung, sondern um Budgetlöcher zu stopfen.
Stichwort Finanzkrise: Muss die Wirtschaft immer weiter wachsen?
Ich glaube nicht. Unser Planet ist endlich und wir müssen schauen, dass wir das Wachstum irgendwann zu Ende bringen, jedenfalls in andere Bahnen lenken. Wir können immer noch ein Wachstum des Sozialprodukts haben, wenn es sich um Dienstleistungen handelt. Aber wir können nicht immer weiter wachsen, wenn wir immer mehr Mineralien konsumieren.
Wir brauchen eine gerechtere Verteilung des Konsums von Rohstoffen. Denn die Ungleichheit ist in den vergangenen 25 Jahren noch angewachsen. Zudem müssen wir das Bevölkerungswachstum kontrollieren, die Weltbevölkerung zwischen sieben und acht Milliarden Menschen stabilisieren. Beides würde dazu beitragen, die Armut abzuschaffen.
Der gebürtige Deutsche Thomas Pogge (61) ist Professor für politische Philosophie und Ethik. Er lehrte mehr als 25 Jahre an den Universitäten Yale und Columbia in den USA und arbeitet derzeit an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Im Rahmen der ersten internationalen Konferenz zu Ressourcen-Politik hielt er im C3-Veranstaltungscentrum im Dezember in Wien einen Vortrag.
Wenn es dank der Rohstoffdividende gelingt, die Armut zu beseitigen, dann heißt das wiederum ja, dass mehr Menschen konsumieren und Rohstoffe verbrauchen werden …
Auf jeden Fall. Die Menschen in den ärmeren Ländern wissen über unseren Lebensstil sehr gut Bescheid und wollen ihn kopieren. Die möchten ein Auto und ein Häuschen mit Garten haben. Jetzt sehen wir das in Indien, wo ein Auto für 2.000 US-Dollar auf den Markt gekommen ist. Das ist natürlich absurd! Und dann ist da noch der Konsum von Rindfleisch: In Indien, wo traditionell fast kein Rindfleisch gegessen wurde, ist Rindfleisch populär geworden. In China gibt es an jeder Ecke McDonald’s- oder Burger King-Filialen. Für den Planeten ist das schädlich, weil es mit Methangasemissionen einhergeht und die Umwelt systematisch zerstört.
Nebenbei ist es ungesund, verringert die Lebenserwartung und erhöht die Gesundheitskosten. Man müsste die Entwicklung in ärmeren Ländern in andere Bahnen lenken – im Sinne eines Leapfrogging, also dem Überspringen bestimmter Stadien der Entwicklung, so ähnlich wie Menschen in vielen Entwicklungsländern die Verwendung von Festnetz-Telefonen zugunsten von Handys ausgelassen haben. So sollten sie die Phase, in der sich die reichen Ländern jetzt befinden, aussparen und gleich in eine bessere Zukunft springen, in der man seine Energie aus erneuerbaren Quellen zapft und sich gesund ernährt, statt viel Fleisch zu essen.
Ein Handy ist einfacher durchzusetzen als Rindfleischverzicht.
Es ist für den Körper einfach besser, Gemüse zu essen statt Rindfleisch. Es wäre gut, wenn intelligente Kulturen das antizipieren und relativ schnell die Kurve kriegen könnten statt zu warten, bis es nicht mehr weitergeht.
Zurück zu Rohstoffen: Die USA haben durch Fracking den Ölpreis drastisch gesenkt. Ist das rentabel?
Nicht besonders. Die Fracking-Firmen sind jetzt durch den Preisverfall in großer Bredouille. Für Saudi-Arabien ist das immer noch wunderbar profitabel, weil es billig fördern kann. Aber je höher die Produktionskosten, desto geringer natürlich die Profitmarge. Es kann sehr gut sein, dass einige der Fracking-Firmen Pleite gehen und Fracking eingestellt wird, bis der Ölpreis sich erholt.
Sie haben zum Boykott gegen Diktatoren aufgerufen, die über Rohstoffreserven verfügen. Wenn sich dann überall die Bevölkerung erhebt, wird das sehr viel Unruhe und Unsicherheit auf der Welt stiften.
Die meisten, die illegitim herrschen, würden sich anpassen. Sie wollen ja das Geld. Wenn ich mich demokratisieren muss, um meine Rohstoffe zu verkaufen, dann nehme ich das in Kauf. Der Anreiz, ein Land diktatorisch zu regieren, fällt weg, wenn keine Rohstoffe gekauft werden. Sicher gibt es eine gewisse Unruhe durch den Übergang von einem System zum anderen. Insgesamt wird das jedoch eher zur Stabilisierung beitragen. Es schafft Instabilität, wenn Bürgerkriege und Staatsstreiche Leute an die Macht bringen, die Privilegien genießen wollen.
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