Werden wir es schaffen, in Zukunft unseren Strom nur noch aus erneuerbaren Energien zu beziehen? Die Frage und die meisten Antworten darauf gehen am eigentlichen Kernproblem vorbei, meint Peter Molnar.
Wenn man mit EnergieexpertInnen über die Zukunft spricht, dann gibt es meistens zwei Strömungen. Die einen meinen, ein langsamer Übergang von unserem vor allem auf Erdöl, Erdgas, Kohle und Atom sowie etwas Biomasse und Wasser basierenden Energiesystem auf erneuerbare Energieträger wird bis 2050 schon machbar sein. Atomkraftwerke sowie Kohlekraftwerke mit Speicherung und Lagerung des Kohlenstoffs (CCS – Carbon Capture and Storage) sehen sie dabei oft als „notwendige Brückentechnologien“. Die andere – radikalere – Richtung sagt: 100% erneuerbare Energieträger bis 2020, 2030, 2040 … sind möglich.
Ich meine: Beides ist falsch. Was von beiden Richtungen viel zu wenig beachtet wird, ist, dass die Energiebereitstellung vorerst sekundär ist. Der Energieverbrauch ist der wahre Knackpunkt. Und zwar genau genommen das Wachstum des Energieverbrauchs. Wer von einem stetig wachsenden Energieverbrauch ausgeht, braucht erst gar nicht an einen Umstieg auf 100% Erneuerbare zu denken – das ist mit den derzeitigen Technologien und Rahmenbedingungen unmöglich. Dennoch sind zwei Zitate von Hans Kronberger, ehemaliger EU-Parlamentarier und derzeit amtierender Präsident des österreichischen Fotovoltaik-Verbandes, zutreffend: 1. „Der größte Gegner der Erneuerbaren ist die Unwissenheit über ihr sagenhaftes Potenzial“ und 2. „Die Sonne gibt Rohstoffgarantie für die nächsten 5 Milliarden Jahre“.
Außer Streit sollte stehen, dass das jetzige Energiesystem zügig umgebaut werden muss. Das Problem ist nicht die Umstellung der zentral organisierten Stromerzeugung aus wenigen (v.a. fossilen und atomaren) Großkraftwerken auf tausende dezentrale Einspeiser aus erneuerbaren Quellen, die gleichzeitig StromkonsumentInnen und -produzentInnen sind, z. B. mit einer Fotovoltaikanlage am Dach. Das Problem sind eher die Blockaden im Kopf – und für nicht wenige Energieversorger ist eine Fotovoltaikanlage noch immer ein Exote im Strommix. Die Zukunft wird zeigen, dass wir mit den natürlichen Ressourcen – Wasser, Wind, Sonne, Biomasse und Geothermie –, die direkt vor unserer Haustüre sind, den Großteil der Energieversorgung bereitstellen können und müssen. Das verlangt nicht nur der Klimaschutz sondern auch die Versorgungssicherheit und Verlässlichkeit bei der Wirtschaftsentwicklung. Mit guten Rahmenbedingungen könnte Österreich ein großer Player im Bereich der Herstellung dezentraler Ökostromanlagen werden (siehe www.stirlingpowermodule oder www.stromboje.at). Das führt außerdem zu Technologieentwicklung und Arbeitsplatzsicherung. Man fragt sich allerdings, wie lange es noch dauert, bis so etwas vom österreichischen Wirtschaftsministerium verstanden wird.
Um den Bedarf der KundInnen mit Stromspitzen in der Früh, zu Mittag und am Abend zu decken, mussten schon immer alle verfügbaren Kräfte bei der Stromerzeugung zusammenspielen. Ein Energieträger alleine kann die KundInnen nicht ununterbrochen versorgen. Was sich ändern muss, ist nicht nur die Forcierung von Anlagen auf Basis erneuerbarer Energiequellen, sondern vor allem die Reihenfolge des Einsatzes der Energieträger. Bis jetzt baute man in Österreich die Stromerzeugung auf das erwartete Wasserangebot auf und plante darauf aufbauend den Einsatz der anderen Kraftwerke. Jetzt müssen die schwankenden Energiequellen Wind und Sonne an vorderster Stelle stehen und dann erst Wasser, Wasserspeicher- und Biomassekraftwerke sowie als Ausfallsicherung auch fossile Kraftwerke. Man muss zugeben, dass 100% Erneuerbare auf absehbare Zeit unmöglich sind und wir auch in Zukunft einen gewissen Anteil an fossilen (Groß)Kraftwerken brauchen werden – alleine zum Ausgleich der großen diskontinuierlichen erneuerbaren Quellen, v.a. Wind- und Solarparks. Der Anteil aus fossilen Energieträgern für die gesamte österreichische Energieversorgung sollte aber von derzeit circa 75% (!) auf höchstens 30% mehr als halbiert werden. Das ist bei genügend politischem Willen auch bis 2030 möglich – Voraussetzung dafür ist aber, dass der stetige Anstieg des Energieverbrauchs in allen drei Sektoren Mobilität, Wärme und Strom beendet wird.
Bei der Erhebung des Energiepotenzials für Gemeinden und Regionen kommt es oft zu einem Aha-Effekt, wenn die in der Region benötigte Energie verglichen wird mit der aus der Region stammenden. Die ernüchternden Zahlen sind ein Handlungsaufruf an die Politik: Oft nicht mehr als 10-20% der in der Region benötigten Energie wird vor Ort erzeugt. Der Rest kommt von außerhalb inklusive eines sagenhaften Kaufkraftabflusses. Das Bewusstsein darüber ist in den letzten Jahrzehnten verkümmert – auch durch Werbekampagnen der Energieversorger, die uns eine 100%ig sichere Energieversorgung rund um die Uhr suggerieren. Es hätte eigentlich nicht der zwei Gaskrisen (Jänner 2006 und Jänner 2009) bedurft, um uns unsere Abhängigkeit im Energiesektor vor Augen zu führen.
Schaut man 30 Jahre zurück ins Jahr 1980 und sieht, wie wenig sich seitdem im Energiesektor verändert hat, bedarf es schon eines großen Optimismus (oder einer großen Energiekrise), um zu sagen, dass in den nächsten 30 Jahren die Energiewende gelingen wird und vor allem auch der Energieverbrauch insgesamt reduziert wird. Aber wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Peter Molnar ist Geschäftsführer von Klimabündnis Österreich.
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