Das geplante Transatlantik-Abkommen TTIP bzw. TAFTA zwischen der EU und den USA stärkt die Macht der Konzerne auf Kosten von KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen und BürgerInnen. Ein Kommentar von Alexandra Strickner.
Die laufenden Verhandlungen für das Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) (auch Trans-Atlantic Free Trade Agreement, TAFTA) finden im Geheimen statt. Verhandlungsdokumente sind nicht öffentlich. Die Befürworter des Abkommens zwischen Nordamerika und Europa beschwören den positiven Charakter des Projektes. Doch TTIP ist ein Angriff auf Demokratie und Freiheit.
Das Abkommen soll zu Erleichterungen für Handel und Investitionen führen. Die Verhandler betonen die Wohlstandseffekte, die dadurch entstehen würden. Je nach Szenario prognostizieren Studien der Europäischen Kommission ein jährliches Wirtschaftswachstum für die Europäische Union von 0,03 bis 0,2 Prozent für die nächsten zehn Jahre sowie insgesamt 400.000 neue Arbeitsplätze in den ersten 15 Jahren ab der Umsetzung des Abkommens. Auch ohne kritische Analyse der Berechnungsmodelle der Studien sind diese Effekte angesichts der mehr als 27 Millionen Arbeitslosen in der EU mehr als dürftig. Und nachdem es ohnehin kaum noch Zölle auf Produkte gibt, stellt sich die Frage: Worum geht es in diesem Abkommen tatsächlich?
Ein zentraler Bestandteil des Abkommens ist die Beseitigung der sogenannten „nicht-tarifären“ Handelshemmnisse zwischen beiden Wirtschaftsregionen. Darunter fallen Gesetze und Regelungen wie zum Beispiel KonsumentInnen- und Datenschutz, die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Umweltgesetze, Medikamentenpreise, Patente, Schürfrechte, Arbeitsnormen oder auch die Vergaberegeln für öffentliche Aufträge. Für all diese Bereiche soll in Zukunft die „gegenseitige Anerkennung“ gelten. Mögliche Folgen: Auf den Tellern von EU-Bürgerinnen und Bürgern landet Hormonfleisch oder mit Chlorlauge behandeltes Geflügel, in den Kinderzimmern Spielzeug mit mehr Chemierückständen. TTIP könnte ein Vormarsch für die Gentechnik bedeuteten, dafür das Aus für Generika, sowie weniger Datenschutz und eine weitere Verschlechterung von Arbeitsbedingungen.
Umgekehrt gibt es in den USA etwa strengere Finanzmarktregeln, die die EU-Konzerne in diesem Sektor gerne gelockert sähen. Diese gegenseitige Anerkennung wird den Druck erhöhen, die jeweils strengeren Gesetze oder Standards nach unten zu nivellieren.
Die Konzern-Seite wird gestärkt: TTIP sieht ein Schiedsgerichtsverfahren vor. Konzerne sollen die Möglichkeit erhalten, Staaten zu klagen, wenn sie sich „unfair behandelt“ oder „indirekt enteignet“ fühlen. Der Beschluss neuer oder die Veränderung bestehender Gesetze kann zu Konzernklagen auf entgangene Gewinne mit Forderungen in Millionenhöhe führen.
Ein derartiges Klagerecht ermöglicht Konzernen, öffentliche Staatskassen zu plündern. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall hat die Bundesrepublik Deutschland auf drei Milliarden Euro Schadenersatz für den Ausstieg aus der Atomkraft geklagt. Das Verfahren ist noch anhängig. Ägypten wurde im Jahr 2012 vom französischen Wasserkonzern Veolia für die Anhebung des Mindestlohns vor das Schiedsgericht gezerrt. Diese Klagen werden bei internationalen Schiedsgerichten wie dem Weltbank-Tribunal (ICSID) verhandelt, bei dem drei Personen (zwei Anwälte, ein Schiedsrichter) unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Berufungsmöglichkeit verhandeln. Der Spanier Juan Fernández-Armesto, selbst Schiedsrichter, über die Tribunale: „Wenn ich in der Nacht aufwache und über das Schiedsgericht nachdenke, bin ich immer wieder erstaunt, dass souveräne Staaten dem Investitionsschutz überhaupt zugestimmt haben … Drei Privatpersonen wird die Macht gegeben, ohne jegliche Beschränkung und ohne Berufungsmöglichkeit, alle Entscheidungen von Regierungen und Gerichtshöfen, alle Gesetze und Regulierungen, die Parlamente beschließen, zu revidieren.“
Um Klagen durch Unternehmen zu vermeiden, unterlassen es Regierungen oft präventiv, strengere Umwelt- oder Sozialgesetze einzuführen.
Und auch bei den Verhandlungen kommen die Konzerne stark zum Zug: Während die Öffentlichkeit außen vor bleibt und die Mitglieder des zuständigen Ausschusses im Europäischen Parlament die Verhandlungsdokumente nur unter Einhaltung der Geheimhaltungspflicht einsehen können, waren Konzerne bereits in der Vorbereitung intensiv involviert. Fast alle der Gespräche vor Beginn der Verhandlungen fanden mit Konzernlobbies statt.
TTIP ist nichts anderes als ein Unterwerfungsabkommen unter die Profitinteressen von Konzernen beiderseits des Atlantiks. Für die Menschen enthält dieses Abkommen keine positiven Auswirkungen, und zwar aus welcher Perspektive man das Abkommen auch analysiert – ob aus der Sicht von KonsumentInnnen, ArbeitnehmerInnen oder als BürgerInnen.
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Alexandra Strickner ist Ökonomin und eine der MitbegründerInnen von Attac Österreich.
TTIP-Protestmail an die Regierung: Verhandlungsdokumente offenlegen! www.attac.at/ttip-stoppen
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