Die 727 Tage ohne Karamo

Von Redaktion · · 2015/02

Film

DVD, 80 Min.
Doku von Anja -Salomonowitz

„Bitte, lieber Gott, schick uns den Papa zurück, weil ich möchte ihn gern wieder einmal umarmen“, betet ein kleines Schulmädchen abends mit seiner Mama. In der nächsten Szene sitzt das Mädchen mit seiner Mutter über seinen Mathematik-Hausaufgaben. Gekonnt rechnet es, kaum ein Fehler unterläuft ihr. Auch ihre Mutter ist gut im Kopfrechnen: 727 Tage, rechnet sie aus, hat sie ihren Mann nicht mehr gesehen. Er wurde – trotz Ehe mit einer Österreicherin und gemeinsamem Kind – in sein Geburtsland Nigeria abgeschoben.

„Die 727 Tage ohne Karamo“ ist ein Dokumentarfilm – und er ist es auch irgendwie nicht. Und zwar, weil die darin skizzierten Geschichten das österreichische Fremdenrecht und seine Auswirkungen auf das Privatleben von 20 verschiedenen binationalen Paaren oft unglaublich wirken. Wer den Film von Anja Salomonowitz (die unter anderem bei Ulrich Seidl gelernt hat) anschaut, fragt sich, ob Realität sein kann, was hier gezeigt wird. Es wirkt surreal, wie Gesetze und staatliche Bestimmungen in das Privatleben von Familien eingreifen. Allein ein Behördenhürdenlauf für eine Heirat einer Österreicherin mit einem Drittstaatsangehörigen nimmt kafkaeske Formen an.

Aber nicht nur die gezeigten Geschichten, sondern auch die verwendete Form ist untypisch für eine Doku: Farbgebung und Musik werden sehr bewusst eingesetzt. Mit einem trotzigen Sonnengelb, das sich durch den Film zieht, versucht die Regisseurin den Menschen und ihrer Geschichte Kraft zu verleihen. Dies gelingt ihr besonders gut bei der Darstellung der vielen mutigen österreichischen Frauen, die unerschütterlich für ihr Recht auf Familie kämpfen.

Die Doku lief zu Recht auf über 20 Festivals (darunter die Berlinale). „727 Tage ohne Karamo“ ist ein Plädoyer gegen das derzeitige Fremdenrecht und für Liebe ohne Grenzen. Ein schon lange fälliger Film, der die Dramen binationaler Paare, von denen ein Teil einem Drittstaat angehört, die oft im Verborgenen geschehen, ins Licht der Öffentlichkeit rückt. Die Doku aus 2013 macht durch eine Collage ineinandergreifender Geschichten ein unglaublich komplexes Thema greifbar. Kann es so weiter gehen? Muss unsere Gesellschaft ihren Umgang mit binationalen Paaren und mit Rechten für Menschen aus so genannten Drittstaaten nicht überdenken? Wünschenswert wäre, dass „Die 727 Tage ohne Karamo“ weiter eine Debatte anstößt. Denn das ist dringend notwendig.
Andrea Ben Lassoued

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