„Dialog ist sinnlos“

Von Redaktion · · 2015/11

Jorge Herrera vertritt als Präsident des Bündnisses CONAIE weite Teile der indigenen Bevölkerung Ecuadors. Im Interview erklärt er, warum es nun an der Zeit für einen Volksaufstand ist.

Die Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Rafael Correa erreichten im Sommer ihren Höhepunkt. Ihr Bündnis war maßgeblich daran beteiligt. Wie beurteilen Sie den Protest?

Er war ein voller Erfolg. Darüber hinaus war es diesmal kein rein indigener, sondern ein landesweiter Protest, der die gesamte Bevölkerung einschloss – Frauen, Jugendliche, die es nicht auf die Universitäten geschafft haben, Gewerkschaften, Migrantinnen und Migranten und viele andere Teile der Gesellschaft.

Wir hatten den Dialog gesucht, Präsident Correa lehnte jedoch alle Vorschläge, die wir bezüglich Land- und Wasserverteilung hatten, ab. Die letzten achteinhalb Jahre versuchte die Regierung nur, uns Indigene zu spalten. Als Reaktion auf die Nichterfüllung vieler Rechte, die die Verfassung von 2008 festlegt hat, kam es zu den Protesten. Wir erklärten 2015 zum Jahr des Widerstandes.

Was sind Ihre Forderungen?

Unter anderem, dass die geplante Verfassungsänderung (die eine unbegrenzte Wiederwahl Correas ermöglichen würde, Anm.) nicht kommt. Wir wollen auch das geplante Landgesetz stoppen sowie das Wasser- und das Bergbaugesetz aufheben. Wir fordern eine Umverteilung von Land, Wasser, Krediten und Technologie, um unsere Ernährungssouveränität und Arbeitsplätze zu garantieren. In den Protesten manifestiert sich auch die Unzufriedenheit mit dem Freihandelsabkommen mit der EU. Außerdem ließ die Regierung unsere Gemeinschaftsschulen schließen, wo unser System einer interkulturellen, zweisprachigen Bildung praktiziert wurde. All das mit der Absicht der Etablierung eines rein kommerziellen, auf Konsum ausgerichteten Bildungssystems.

Hintergrund

Als Rafael Correa mit seiner Partei Alianza País im Jahr 2007 an die Macht kam, waren die Erwartungen seitens der indigenen Organisationen hoch: Die neue Verfassung gestand ihnen weitreichende kollektive Rechte zu und erhob das Konzept des „Guten Lebens“ zum Staatsziel. Immer mehr steigt jedoch die Kritik an dem Modernisierungsprojekt. So werden etwa seitens der Regierung Erdöl- und Bergbauprojekte forciert, bei denen die Rechte der indigenen Völker verletzt werden. Seit 2012 vermehren sich die Protestaktionen im ganzen Land und fanden diesen August ihren vorläufigen Höhepunkt mit einem indigenen Protestmarsch durch die Anden – angeführt durch die CONAIE – und einem Generalstreik in mehreren Städten Ecuadors, unterstützt von oppositionellen Gewerkschaften. Für den Rest des Jahres sind weiterhin monatlich Demonstrationen geplant. K.H.

Sie richteten die „Asamblea de los Pueblos“, die Versammlung der Völker, ein. Was soll deren Rolle sein?

Wir wollen eine tatsächliche Beteiligung des ecuadorianischen Volkes gewährleisten, eine politische Alternative schaffen, damit unser Land aus der derzeitigen Situation, die einer Diktatur ähnelt, herauskommt.

Gibt es einen Dialog mit der Regierung?

Wir verbrachten achteinhalb Jahre damit, das Gespräch zu suchen. Wir brauchen keinen Dialog mehr. So wie dieser derzeit stattfindet – ohne jegliche positive Absichten – ist er sinnlos. Als Reaktion auf unsere Proteste setzte die Regierung Gewalt ein. Wenn Polizei und Militär die Menschen treten und schlagen, dann werden diese Widerstand leisten.

Das ecuadorianische Volk ist heute mehr denn je organisiert und gestärkt. Je mehr man uns einzuschüchtern versucht, desto mehr wird sich das Volk erheben. Der Aufstand geht weiter.

Interview: Kathrin Hopfgartner.  Sie arbeitet am „Instituto de Estudios Ecuatorianos“ in Quito.

Jorge Herrera ist Präsident der CONAIE, des Bündnisses der indigenen Nationalitäten Ecuadors. Es vertritt einen Großteil der indigenen Völker des Landes auf nationaler Ebene, nach eigenen Angaben handelt es sich dabei um 45 Prozent der elf Millionen EinwohnerInnen.

www.conaie.org

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