Der Wiener Kongress mit Alternative

Von Werner Hörtner · · 2006/04

Im kommenden Mai findet in Wien das Vierte Gipfeltreffen der Staats- und RegierungschefInnen Lateinamerikas und der Karibik mit ihren AmtskollegInnen aus der EU statt. Zivilgesellschaftliche Organisationen beider Kontinente planen ihren eigenen Gipfel.

Die Sicherheitsbehörden zittern bereits: schließlich wird die österreichische Hauptstadt in der zweiten Maiwoche Schauplatz des höchstkarätigsten Gipfeltreffens sein, das dieses Land seit den Tagen des Wiener Kongresses 1815 erlebt. Etwa 60 Präsidenten und Regierungschefs mit etwa 1.500 Personen im Gefolge werden sich an der Donau ein Stelldichein geben. Und nicht nur das. Trotz aller Versuche der Bundesregierung, den offiziellen Gipfel von möglichen Störfaktoren freizuhalten, werden zur selben Zeit zahlreiche Organisationen aus Österreich in Zusammenarbeit mit sozialen Bewegungen und Netzwerken aus ganz Europa und Lateinamerika einen großen Alternativengipfel veranstalten, zu dem auch viele BesucherInnen aus dem Ausland erwartet werden.
Dieser Alternativengipfel trägt auch den Namen „Enlazando alternativas 2“ (Alternativen verknüpfen 2, EA2). Die Zahl 2 weist darauf hin, dass beim letzten offiziellen Gipfeltreffen im Frühjahr 2004 in Guadalajara, Mexiko, der erste internationale Alternativengipfel – EA1 – stattfand.
Laut dem für die Vorbereitung des offiziellen Gipfels zuständigen Staatssekretär im Außenamt Hans Winkler sollen die bisherigen Beziehungen zwischen der EU, Lateinamerika und der Karibik evaluiert und die Partnerschaft vertieft werden. „Wir müssen insbesondere die Frage stellen, wie wir politisch, wirtschaftlich und sozial vorankommen werden“, so der Staatssekretär.

Entgegen allen schönen Worten, so die InitiatorInnen des Alternativengipfels, werde bei der offiziellen Konferenz keine „Partnerschaft“ gestärkt, sondern die Abhängigkeit des südlichen Teils des amerikanischen Kontinents fortgeschrieben. Zivilgesellschaftliche und globalisierungskritische Organisationen aus Lateinamerika und Europa kritisieren die Ungerechtigkeiten in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen den beiden Kontinenten und wollen andere, gerechtere Beziehungsformen aufzeigen.
Der Alternativengipfel will den Bevölkerungen Lateinamerikas zeigen, dass sie in ihrem Kampf gegen Neoliberalismus, gegen ökonomische und politische Abhängigkeit, gegen den Raubbau an ihren menschlichen und materiellen Ressourcen durchaus nicht alleine sind. Dabei erhält dieser „andere“ Gipfel auch offizielle Unterstützung: Die Präsidenten von Venezuela und Bolivien, Hugo Chávez und Evo Morales, werden dort auftreten, vielleicht auch noch einige andere Staatschefs. Und namhafte Stars unter den lateinamerikanischen Kulturschaffenden, wie Eduardo Galeano, Adolfo Pérez Esquivel und Rigoberta Menchú (beide Friedensnobelpreis), Gioconda Belli – sowie zahlreiche weniger bekannte VertreterInnen von sozialen Bewegungen.

Organisatorisch ist EA2 in drei zentrale Achsen gegliedert: thematische Foren, selbstverwaltete Seminare und das Tribunal.
Zu den fünf thematischen Foren werden zahlreiche Gäste aus Lateinamerika und Europa eingeladen – Fachleute, AktivistInnen aus sozialen Bewegungen, Persönlichkeiten des kulturellen Lebens. Die fünf inhaltlichen Ebenen der Foren sind Wirtschaft und Gesellschaft in Zeiten der neoliberalen Globalisierung, politischer Dialog zwischen Europa und Lateinamerika, Entwicklungszusammenarbeit Europa – Lateinamerika, alternative Strategien für eine regionale Entwicklung sowie Militarisierung und Menschenrechte.
Selbstverwaltete Seminare: Organisationen in Europa und Lateinamerika wurden eingeladen, im Rahmen von EA2 in Wien in Eigenregie Seminare zu organisieren. Es wurden über 100 Vorschläge eingesendet, die nun von einer Vorbereitungsgruppe gesichtet und anhand von gemeinsamen Themen oder Ländern zusammengelegt werden. Insgesamt sollen dann ca. 45 Seminare veranstaltet werden.

Gemeinsam mit dem aus den Bertrand Russell-Tribunalen hervorgehenden „Permanenten Tribunal der Völker“ wird am Alternativengipfel ein Hearing zu Menschenrechtsverletzungen transnationaler europäischer Konzerne in Lateinamerika veranstaltet.
Es wurden insgesamt 32 Fälle von Unternehmen eingereicht (darunter Suez, Fyffes, Bayer, Unilever, Telefonica, Parmalat, auch die österreichische Andritz AG), die nun alle in öffentlichen Sitzungen untersucht werden.
Die zweitägigen Anhörungen stellen die erste Etappe des Tribunals dar, in der entschieden wird, welche Unternehmen für eine Anklageerhebung „reif“ sind. In einer zweiten Etappe, wahrscheinlich Ende 2006 in Lateinamerika, findet dann der eigentliche Prozess gegen ausgesuchte Unternehmen statt.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen