Die Ebola-Epidemie in Westafrika ist außer Kontrolle geraten. Der Fall zeigt, wie durch einen Mangel an Mitteln und Aufmerksamkeit aus Krankheiten Katastrophen werden.
Es sind Szenen, so unwirklich wie ein Hollywood-Film: Medizinisches Personal in futuristisch anmutender Schutzkleidung, Quarantäne-Stationen, herumliegende Leichen. Der aktuelle Ebola-Ausbruch in Westafrika, seit Monaten in den Schlagzeilen, ist der schlimmste seit der Entdeckung des Virus in den 1970er Jahren. Das Problem: Ebola ist eine Krankheit, die nur in Afrika vorkommt. Und damit die Welt bis jetzt eher wenig interessiert hat.
Seit dem Frühjahr steigt die Zahl der Opfer rasant. Wobei die betroffenen Länder — vor allem Liberia, Guinea und Sierra Leone – nicht für die Verlässlichkeit der Daten garantieren können. Genau so wenig wie für genügend Personal oder Schutzkleidung.
Die Epidemie traf alle unvorbereitet. Bisher handelte es sich meist um isolierte Fälle in abgelegenen Orten, erklärt Reinhard Dörflinger, Präsident der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen Österreich. Nun trete die Erkrankung zum ersten Mal in dicht besiedelten Gebieten auf. „Und setzt dort das Gesundheitswesen de facto außer Kraft, wie in Sierra Leone“, so Dörflinger. Das ist in vielen afrikanischen Ländern ohnehin chronisch unterfinanziert. In manchen Regionen kommen auf 100.000 Menschen zwei Ärzte. Gegen Ebola gab es weder ein Medikament noch einen Impfstoff, als sich im März die Fälle zu häufen begannen.
Wie ist zu erklären, dass es kein einziges Medikament gegen eine Krankheit gibt, die seit 40 Jahren bekannt ist und eine hohe Sterblichkeitsrate aufweist, während hierzulande für jedes Zipperlein Dutzende Arzneien zu haben sind? Die Antwort liegt in der Logik des freien Marktes: Die Pharma-Industrie forscht nicht oder kaum an Mitteln gegen Ebola und Co, weil die Betroffenen ökonomisch uninteressant sind. Die Entwicklung von Impfstoffen ist riskant und dauert oft Jahrzehnte, weshalb sich die Konzerne auf die Bekämpfung von Krankheiten konzentrieren, die entsprechende Umsätze versprechen. Nur ein Prozent aller zwischen 2000 und 2011 zugelassenen Medikamente betrafen die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierten „vergessenen Infektionskrankheiten“ (siehe Kasten).
Offiziell vergessen
In ärmlichen Verhältnissen, in abgelegenen Gebieten oder Konfliktregionen treten Krankheiten auf, die im Rest der Welt unbekannt, ausgerottet oder behandelbar sind. Dengue, Buruli Ulkus, Schlafkrankheit … Die Weltgesundheitsorganisation führt eine Liste der „vergessenen tropischen Krankheiten“, derzeit sind es 17. Eine Milliarde Menschen sind von diesen durch Viren, Bakterien oder Parasiten ausgelösten Erkrankungen bedroht, jährlich sterben 500.000 Menschen daran. Ebola steht nicht auf der Liste, das Virus ist eine Art Sonderfall.
Ein wichtige Rolle im Kampf gegen die vernachlässigten Krankheiten spielt die in Genf ansässige Non-Profit-Initiative DNDI (Drugs against neglected diseases). Die Initiative wurde 2003 von verschiedenen Organisationen, darunter Ärzte ohne Grenzen, ins Leben gerufen und forscht dort, wo das Interesse der Pharmakonzerne endet. cbe
So sind es auch nicht nur die Symptome, die Ebola und andere Erkrankungen gefährlich machen. Es sind vor allem die unzulänglichen Mittel im Kampf dagegen. In einigen Fällen existieren Medikamente, allerdings mit beträchtlichen Nebenwirkungen. Manche Mittel benötigen eine durchgehende Kühlkette, vielerorts eine Utopie. Viele Mittel sind schlicht unerschwinglich. Zudem ist die Versorgung oft prekär. Dörflinger beschreibt die Lage in den Spitälern Guineas: „Unvorstellbare hygienische Bedingungen, keine Medikamente, zu wenig Personal. Da überlegt man sich vorher, ob man Patienten hinein schickt.“
Was braucht es, um die Krankheiten in den Griff zu bekommen? „In den von Ebola betroffenen Ländern geht es jetzt um die absoluten Grundbedürfnisse, vor allem um die Sicherheit der Behandler“, sagt Dörflinger. Viele Länder verfügen über militärische, „ABC-Züge“, spezialisierte Einsatzkräfte für den Katastrophenfall, auch Österreich. Ärzte ohne Grenzen hat Bundeskanzler und Außenminister in einem Brief zur Entsendung von SpezialistInnen aufgefordert. Antwort kam keine. Stattdessen verkündete Außenminister Sebastian Kurz, ein Präventionsprogramm von World Vision mit 200.000 Euro unterstützen zu wollen. „Das als einzige Reaktion verbuche ich eher als kabarettistische Variante“, kommentiert Dörflinger, „Vorbeugung alleine ist längst nicht mehr genug.“
Zumindest eine positive Nebenwirkung bringt die Ebola-Epidemie mit sich: Die Forschung erhält neuen Anschub, für Ebola und andere vergessene Krankheiten. Nötig sind vor allem auch Investitionen in die maroden Gesundheitssysteme vieler Entwicklungsländer. Nur so können Krankheiten wie Ebola irgendwann zurecht vergessen werden. Weil es sie nicht mehr gibt.
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