Die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika könnte für die deutsche Nationalelf unter einem schlechten Stern stehen. Nicht in sportlicher Hinsicht, sondern weil ihr Hauptsponsor Daimler-Benz von den Schatten seiner Vergangenheit in eben diesem Land eingeholt wird.
Beihilfe zu schweren Menschenrechtsverletzungen“ werfen Opfer des südafrikanischen Apartheid-Regimes dem deutschen Autobauer Daimler-Benz vor, sowie dem ebenfalls deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall und den US-amerikanischen Unternehmen Ford, General Motos und IBM.
Die Organisation Khulumani, die 58.000 Opfer des Apartheid-Regimes vertritt, hat bereits im Jahr 2002 in den USA eine Sammelklage eingereicht. Sie wirft den Unternehmen vor, entweder direkt völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Menschenrechte in Südafrika verletzt oder staatliche Menschenrechtsverbrechen durch die Lieferung entsprechender Güter ermöglicht und unterstützt zu haben, und fordert eine Entschädigung. „Mit ihren Geschäften haben die Konzerne die Unterdrückung des schwarzen Befreiungskampfes verlängert“, sagt Tshepo Madlingozi, Jusprofessor an der Universität Pretoria, der die Kampagne für Khulumani steuert.
Daimler habe konkret 2.500 Unimogs an die südafrikanische Armee geliefert, die als Truppentransporter umgebaut oder mit Raketenwerfern bestückt eingesetzt wurden, um Proteste in den Townships niederzuschlagen, so Tshepo Madlingozi. Inwieweit das Unternehmen darüber hinaus von der Rassentrennung profitiert und mit den Sicherheitskräften kooperiert hat, könne man erst abschätzen, wenn das Unternehmen auf Druck des Gerichts die Archive öffnen muss. Dem Rüstungskonzern Rheinmetall wirft Khulumani vor, eine komplette Munitionsfüllanlage über Paraguay nach Südafrika geliefert zu haben – unter Umgehung des von den Vereinten Nationen verhängten Waffenembargos.
Im vergangenen Jahr hat ein Bundesbezirksgericht in New York die Sammelklage zugelassen, die nun auch von der US-amerikanischen und der südafrikanischen Regierung unterstützt wird. Das weitere Verfahren wird derzeit jedoch durch zahlreiche Eingaben der Beklagten aufgehalten. In der Berufungsinstanz muss geklärt werden, ob Unternehmen überhaupt gegen das Völkerrecht verstoßen und dafür haftbar gemacht werden können.
Die Daimler AG bestreitet die gegen den Konzern erhobenen Vorwürfe. „Die Warenlieferungen standen immer im Einklang mit internationalen und bundesdeutschen Gesetzen“, so eine Unternehmenssprecherin. Die Klage vor einem US-Gericht hält der Konzern für nicht zulässig, da „weder die beklagten Gesellschaften noch die ihnen vorgeworfenen Rechtsverletzungen in einer Beziehung zu den USA standen“. Die deutsche Regierung sieht gar „deutsche Souveränitätsinteressen“ durch die Klage in den USA verletzt, legt ihre Washingtoner Botschaft dar. Allerdings wäre eine derartige Klage weder vor einem deutschen noch vor einem südafrikanischen Gericht durchführbar. „In Deutschland können nur Individuen nach dem Völkerstrafrecht angezeigt werden, nicht jedoch Unternehmen“, erläutert die Juristin Miriam Saage-Maaß vom European Center for Constitutional and Human Rights in Berlin. „Auch in Südafrika fehlt die rechtliche Grundlage.“ Außerdem seien in beiden Ländern die zivilrechtlichen Ansprüche bereits verjährt.
Khulumani-Anwalt Michael Hausfeld beruft sich wie in seinen früheren Holocaust-Klagen auf den weltweit einmaligen „Alien Tort Claims Act“. Das Gesetz aus dem 18. Jahrhundert gestattet auch nicht-amerikanischen Staatsbürgern vor amerikanischen Gerichten gegen Unternehmen zu klagen, die geschäftlich in den Vereinigten Staaten tätig sind. Das gilt insbesondere auch für Verstöße gegen das Völkerrecht, die nicht auf amerikanischem Staatsgebiet begangen worden sind. Im Gegensatz zum deutschen ist das US-amerikanische System zudem opferfreundlicher, wie Miriam Saage-Maaß ausführt: „In den USA wird die Gegenseite während des Verfahrens gerichtlich verpflichtet, bestimmte Dokumente offen zu legen. In Deutschland hingegen müssen die Kläger die Beweise zu Beginn des Verfahrens vorlegen.“ Das ist in einer Klage gegen einen internationalen Konzern nahezu unmöglich.
Eine positive Entscheidung des US-Gerichts hätte nach Ansicht von Rechtsprofessor Tshepo Madlingozi weitreichende Folgen: „Das wäre ein Signal dafür, dass menschenrechtliche Standards gegenüber internationalen Unternehmen durchzusetzen sind.“
Die Entscheidung, ob den Eingaben der beklagten Unternehmen stattgegeben oder der Prozess fortgeführt wird, fällt spätestens Mitte des Jahres – rechtzeitig zur Fußball-WM.
Michaela Ludwig ist freie Journalistin zu entwicklungspolitischen Themen und lebt in Hamburg.
Infos zur Kampagne gegen Daimler-Benz: www.star-of-apartheid.de
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