Der Schlüssel heißt Dialog

Von Brigitte Mayr · · 2004/10

Ausgelöst durch gesellschaftspolitische, wirtschaftliche, ökologische und technische Wandlungsprozesse haben sich Aufgaben und Verständnis von „Public Relations“ (PR) im Laufe der letzten 25 Jahre ständig erweitert.

Propaganda und Manipulation zu betreiben, ist ein alter Vorwurf an die PR. Die Kommunikationsdisziplin der „Public Relations“ stammt ursprünglich aus dem amerikanischen Raum und bedeutet sinngemäß „Beziehungen zur Öffentlichkeit“. Ins Deutsche wurde der Begriff mit „Öffentlichkeitsarbeit“ übersetzt. Noch in den 1980er Jahren wurden PR primär als eine Tätigkeit verstanden, die in der Öffentlichkeit „bewusst Zustimmung zu Aktivitäten von Unternehmen herstellt“. Dazu bedienten sie sich vorwiegend der Massenmedien. Zeitungen, Radio und Fernsehen lassen jedoch nur eine einseitige Informationsvermittlung zu, sodass PR in den Verruf kamen, manipulativ zu sein. Auch heute ist Informationsarbeit noch ein wichtiger Bestandteil von PR.
Insgesamt haben sich ihre Aufgabengebiete im Laufe der Zeit aber stark erweitert. Vor allem setzen moderne PR immer häufiger auf dialogische Formen der Kommunikation.
Die Anforderungen an PR sind vielfältig geworden. Wo es um den Absatz von Produkten geht, müssen PR den Interessen und Bedürfnissen zunehmend kritischer KonsumentInnen Rechnung tragen. Unternehmen sind gefordert, ihren Zielgruppen in Fragen der Produktsicherheit, Zuliefermärkte, Umweltbelastungen, Sozialstandards – kurz gesagt in allen Bereichen, die öffentliche Interessen berühren –, Rede und Antwort zu stehen. Die Homepages großer Konzerne wie z.B. von Siemens, Procter & Gamble oder McDonald’s erteilen auch bereitwillig Auskunft zu diesen Themen und laden ihre KundInnen ein, auf interaktiven Foren mit ihnen zu diskutieren.
Die PR-Manager sensibler Unternehmensbereiche wie der Elektrizitätswirtschaft oder der Chemie- und Pharmaindustrie nehmen mittlerweile von sich aus Kontakt mit möglichen Betroffenen, Bürgerinitiativen oder UmweltaktivistInnen auf, um Konfliktsituationen möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. Es dient den Unternehmen nicht, in die Schlagzeilen zu kommen. Deshalb haben PR auch die Funktion eines „Frühwarnsystems“ übernommen. Es gilt der Grundsatz: „Agieren ist besser als reagieren.“
Im Bereich sozialer, humanitärer und entwicklungspolitischer Organisationen gestalten sich PR zwar ähnlich, doch ihre Zielsetzungen sind andere. Hier richten sich PR-Aktivitäten nicht verkaufsunterstützend auf Absatzmärkte, sondern bemühen sich darum, die Interessen der gesamten Gesellschaft bzw. einzelner benachteiligter Gesellschaftsgruppen zu vertreten. Sie lenken die öffentliche Aufmerksamkeit auf Gefahrenpotenziale und Konfliktthemen, schaffen Problembewusstsein, versuchen langfristig die Einstellungen und Verhaltensweisen der Zielgruppen zu verändern. In breit angelegten Informations- und Kommunikationskampagnen motivieren gesellschaftsorientierte PR zur Gesundheitsvorsorge, zum Kauf fair gehandelter Produkte, zum sparsamen Umgang mit Energie etc. Ihre Themenstellungen sind vielfältig und komplex. Der Weg, bis Botschaften gelernt und sozial- und umweltverträgliche Verhaltensmuster eingeübt sind, ist lang.

„Dialog“ heißt der Schlüssel zu einer modernen Öffentlichkeitsarbeit: reden und zuhören. Die Arbeit an den Öffentlichkeiten entwickelt sich zu einer Arbeit mit den Öffentlichkeiten. PR wandeln sich mehr und mehr zu einem Mittel der Interaktion. Zuletzt hat die Verbreitung des Internet eine ungeheure Dynamik in die direkte Zielgruppenkommunikation gebracht. Niemals zuvor hat ein Medium ein so hohes Maß an Interaktivität zugelassen: Jede/r UserIn ist nicht nur KonsumentIn, sondern potenziell auch ProduzentIn von Nachrichten. Eine Fülle an Informationen kann einfach und kostengünstig verbreitet werden, und ihr Konsum unterliegt praktisch keinen zeitlichen und räumlichen Begrenzungen mehr. Die meisten größeren Unternehmen betreiben auf diesem Wege PR und ergänzen damit ihre Marketing- und Werbestrategien: McDonald’s gibt auf seiner Homepage unter der Rubrik „Gut für mich“ Ernährungs- und Fitnesstipps, stellt einen Nährwertscanner für seine Produktpalette zur Verfügung und lädt zu einem Ideenwettbewerb ein. Das Einrichtungshaus IKEA untermauert sein Image eines unkonventionellen, familienfreundlichen Unternehmens, indem es über Internet eine Studie über das „Leben mit Kindern“ sowie passende Produktinformationen zu Spielmöbeln anbietet. Neben diversen interaktiven Planungshilfen finden sich auch Informationen zum sozialen Engagement der Firma: familienfreundliche, flexible Arbeitszeitmodelle für IKEA-MitarbeiterInnen, Unterstützung von UNICEF-Kinderprojekten etc. Fazit: PR stellen Service und Mehrwert für die KonsumentInnen zur Verfügung.

Bedürfnisse und Alltagsrealitäten der Zielgruppen bestimmen wesentlich, welche PR-Maßnahmen und Sprachkanäle ein Unternehmen einsetzt. Zusätzlich spielt der Grad an Vorwissen, welches Teilöffentlichkeiten zu einem bestimmten Produkt oder Thema bereits erworben haben, eine große Rolle. Gerade die Vermittlung komplexer Inhalte erfordert genau geplante Kommunikationsstrategien. Gelungene Beispiele aus dem Bereich der entwicklungspolitischen Öffentlichkeitsarbeit sind unter anderem die Kampagnen von „Klimabündnis“ und „Fairtrade“: Über bekannte Alltagssituationen (Lebensmitteleinkauf, Energie- und Rohstoffkonsum) sensibilisieren sie breite Teile der Bevölkerung dafür, welche Auswirkungen ihr Konsumverhalten auf die Lebensbedingungen der Menschen in den Ländern des Südens hat. Das Erkennen dieser Zusammenhänge stärkt nach und nach das Bewusstsein, dass jede/r etwas tun kann, um einen Beitrag zur Veränderung globaler, ungerechter Entwicklungen zu leisten. Gerade in Bereichen, wo Öffentlichkeitsarbeit Verhaltensänderungen anstrebt, ist der kontinuierliche Kontakt mit den Zielgruppen mittlerweile unerlässlich. Erst durch Dialog und Interaktion bauen sich allmählich wechselseitiges Verständnis und Vertrauen auf, welche „Public Relations“ benötigen, um ihrem Namen auch gerecht werden zu können.

Brigitte Mayr ist Programmreferentin für Öffentlichkeitsarbeit bei KommEnt – Gesellschaft für Kommunikation und Entwicklung in Salzburg.

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