Im Rahmen eines internationalen Prozesses evaluieren Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in den Geberländern die Wirksamkeit ihrer Arbeit. Auch in Österreich. Doch wie soll diese Arbeit in Zeiten schwindender öffentlicher Mittel effektiver gestaltet werden?
Als die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Mitte April die Zahlen über Österreichs Entwicklungszusammenarbeit im Vorjahr bekannt gab, war dieses Thema – selten genug – wieder einmal kurz in den Medien und der Öffentlichkeit präsent. Von einem „fortgesetzten Skandal“ sprachen die Grünen, von einem „beschämenden Bild“ das „Rote Kreuz“. Der Chef des OECD-Entwicklungsausschusses, Eckhard Deutscher, kritisierte, dass Österreich seinen Solidarbeitrag in der westlichen Gemeinschaft nicht leisten würde.
Grund der Aufregung: Laut den OECD-Zahlen ist Österreichs Entwicklungshilfeleistung 2009 gegenüber dem Vorjahr um 31,2 Prozent zurückgefallen.Damit ist die Alpenrepublik mit 0,30% des Bruttonationaleinkommens (BNE) wieder im Schlussfeld der Geberländer angelangt. (Durch die Einrechnung uneinbringlicher Kredite an Entwicklungsländer konnten die Zahlen in den letzten Jahren statistisch verschönert werden, doch ist diese Möglichkeit nun erschöpft.)
Bei einer Pressekonferenz der AG Globale Verantwortung, dem Dachverband entwicklungspolitischer und Hilfsorganisationen, am 7. Mai fand der ehemalige EU-Kommissar und ÖVP-Minister Franz Fischler klare Worte: „Die Regierung war mit den größten Kürzungen bei der Entwicklungshilfe innerhalb der OECD nicht nur im Krisenjahr 2009 unrühmliche Spitze, sondern ist bereits seit Jahrzehnten notorischer Wenigzahler und damit im Widerspruch zu gegebenen Versprechen.“
Mit dem Widerspruch meint der heutige Präsident des Ökosozialen Forums die wachsende Kluft zwischen der 2005 gegenüber dem Europäischen Rat eingegangenen Verpflichtung, bis 2010 die EZA-Mittel auf 0,51 % des BNE – und in den darauffolgenden Jahren weiter – zu steigern. Doch statt der Steigerungen befinden sich Österreichs Entwicklungshilfeleistungen im freien Fall. Im Vorjahr wurden sie von 1.188 Millionen Euro (2008) auf 810 Mio. reduziert, das entspricht rund 30% des EZA-Budgets.
Und es kommt noch schlimmer. Außenminister Spindelegger hat schon im März im Zuge der Budgetsanierung weitere Kürzungen bei EZA und Humanitärer Hilfe angekündigt. „Die Kürzungspläne gehen über das Jahr 2011 hinaus und reichen bis zum Jahr 2014. Die Kürzungen werden jedes Jahr sogar noch höher“, sieht Ruth Picker, Geschäftsführerin der AG Globale Verantwortung, voraus.
Diese Dachorganisation von entwicklungpolitischen und humanitären Organisationen mit derzeit 40 Mitgliedern, in der die Weltläden und die Frauensolidarität ebenso vertreten sind wie die Caritas und das Rote Kreuz, ist derzeit mit einem Reflexionsprozess über die Wirksamkeit von Nichtregierungsorganisationen im entwicklungspolitischen Bereich beschäftigt. Dieses von der staatlichen EZA geförderte Projekt ist Teil eines internationalen Prozesses mit dem Titel „CSO Development Effectiveness“, wobei das Kürzel für „zivilgesellschaftliche Organisationen“ steht.
Ausschlaggebend für diesen Prozess war die so genannte Pariser Erklärung von 2005, ein von über hundert Geber- und Empfängerländern unterzeichnetes Dokument über die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit.
„Damals haben die Regierungen angefangen, sich mit der eigenen Leistung auseinanderzusetzen. Sie wollten von den NGOs, diese Erklärung mit zu unterschreiben, doch wollten wir das aus verschiedenen Gründen nicht tun, weil sie aus unserer Sicht viele Schwächen aufweist. Um sich nicht einklinken zu müssen in diesen von den Geberländern gesteuerten Prozess, haben wir einen eigenen Prozess gestartet“, erklärt Melanie Oßberger, die im Rahmen der AG Globale Verantwortung diese Initiative koordiniert.
Weitere Infos zum Thema auf www.cso-effectiveness.org und www.globaleverantwortung.at sowie über melanie.ossberger@globaleverantwortung.at .
Eine internationale Kampagne für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Armutsbekämpfung siehe www.steuergegenarmut.at.
Eine Statistik mit den EZA-Leistungen der wichtigsten Geberländer siehe www.oecd.org/dac/stats/dacguide
Dieses sperrige, arbeitsaufwändige und selbstkritische Thema fand natürlich nicht von Anfang an nur BefürworterInnen. „Manche haben von Anfang an die politische Relevanz dieses Prozesses erkannt, denn der hat natürlich auch Auswirkungen auf die Förderstruktur. Andere kommen erst jetzt in die Phase, wo sie sagen: gut, man kommt daran nicht vorbei, wir klinken uns ein“, ergänzt Ruth Picker. Einige NGOs halten sich weiterhin raus, weil sie das Ganze nur als Energieverschwendung, als politisches Ablenkungsmanöver betrachten.
Der vorläufige Höhepunkt des Reflexions- und Evaluierungsprozesses ist die „Nationale Konsultation“ am 8. und 9. Juni. Dabei geht es um Fragen des Verständnisses zivilgesellschaftlicher Organisationen von Entwicklungszusammenarbeit, welche Prinzipien die Basis wirksamer EZA sind und welche Rahmenbedingungen dafür gegeben sein müssen. Es soll eine gemeinsame Antwort und eine Positionierung der NGOs herauskommen. Wichtig ist auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Organisationen darüber, wie die eigenen Grundsätze und Werte in die Praxis umgesetzt werden können.
Angesichts des tristen Budgetszenarios sind die Rahmenbedingungen natürlich nicht die besten. „Einerseits werden immer mehr Anforderungen an uns gestellt, und gleichzeitig werden die Mittel gekürzt. Da gibt es eine große Diskrepanz: Es wird mehr Partizipation und Wirksamkeit gefordert, und andererseits wird die Arbeit marginalisiert und auch die Professionalität gefährdet“, bringt Ruth Picker den herrschenden Widerspruch auf den Punkt.
Zur Frage der Bedingungen für eine effektive Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit wird es heuer noch eine eigene Veranstaltung geben, ebenso ein Multi-Stakeholder-Treffen mit den AnsprechpartnerInnen im Außenministerium, in der staatlichen Entwicklungsagentur ADA und in anderen relevanten Institutionen.
Die Perspektive andauernder Kürzungen der öffentlichen Mittel hängt natürlich wie ein Damoklesschwert über den Bemühungen, die eigene Wirksamkeit zu messen, die Professionalität zu verbessern. Der entsprechende Kürzungsplan soll spätestens im September vom Außenminister abgesegnet werden, bekannt gegeben wird er allerdings erst mit dem allgemeinen Budget nach den Herbstwahlen. Wie Österreich die weiteren EZA-Kürzungen mit seinen internationalen Verpflichtungen in Einklang bringen will, ist ein Rätsel.
In der dritten Aprilwoche hat die EU-Kommission ihre Aufforderung an die Mitgliedsländer bekräftigt, die Anstrengungen zur Erreichung der UN-Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) zu verstärken und die zugesagten 0,7% des BNE bis 2015 zu erreichen. Ebenfalls bis zum September müsste der Außenminister einen konkreten entsprechenden Aktionsplan vorlegen. „Die Millenniumsentwicklungsziele sind nach wie vor erreichbar, wenn der politische Wille da ist und die notwendigen finanziellen Anstrengungen unternommen werden“, erklärte dazu EU-Entwicklungskommissar Andris Piebalgs. Ähnlich hatte sich UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon kürzlich bei seinem Auftritt im Parlament in Wien geäußert: „If and where there is political will, these goals can be met. Austria has a special responsibility to play a role.“ Damals hatten ihm die österreichischen Abgeordneten freundlich applaudiert.
Das Ergebnis des österreichischen Prozesses zur „CSO effectiveness“ wird in den internationalen Prozess einfließen und damit bei der nächsten OECD-Konferenz über Wirksamkeit der EZA 2011 in Seoul eingebracht werden. Dort sollen die Weichen für eine neue Architektur der Entwicklungszusammenarbeit gestellt werden.
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