An der Zwangsarbeit von Frauen in der Sexbranche verdienen moderne Menschenhändler weltweit Milliarden – dem entgegenzusteuern wird nur gelingen, wenn die Kunden von Prostituierten als Bündnispartner gewonnen werden.
Im Vorjahr hat der Europarateine holländis eine Konvention gegen Menschenhandel beschlossen, die erstmals den Schutz von Opfern in den Vordergrund stellt. Das ist höchste Zeit. Das Geschäft mit der Zwangsarbeit vor allem von Frauen und Kindern wirft nach Einschätzung der deutschen Polizeigewerkschaft weltweit ähnliche Profite ab wie der Drogenhandel. Allein im Sexgewerbe schätzt die UNO den jährlichen Gewinn aus dem Geschäft mit der Zwangsarbeit auf sieben Milliarden US-Dollar. Beschränkten sich die Maßnahmen von Regierungen bisher im Wesentlichen darauf, Täter zu verfolgen und Migration zu erschweren, soll die Konvention jetzt auch den Schutz und die Unterstützung von Opfern auf eine gesetzliche Basis stellen – sofern sie von den EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert wird.
Doch nicht nur das: im Deutschland vor der Fußball-WM entdeckt die von UNICEF und anderen Organisationen getragene Kampagne „Stoppt Zwangsprostitution – Männer tragen Verantwortung“ den Kunden als Partner. Und das ist mehr als höchste Zeit. Denn wer hat den nächsten Kontakt mit Frauen, die im Sexgeschäft arbeiten? Wer kann mit seinen Wünschen und seiner Nachfrage den Markt beeinflussen? Eben. Und wer sagt, dass es einem Freier – nur, weil er sich sexuelle Dienstleistungen kauft – gleichgültig ist, wenn er diese von einer Frau erhält, die ohne Pass und ohne Geld in einem Zimmer eingesperrt ist und gegen ihren Willen täglich zwanzig Männer und mehr bedienen muss? „Der Durchschnittskunde hat nicht das Interesse, dass seine Bedürfnisse nicht freiwillig befriedigt werden“, erklärt auch Evelyn Probst, Mitarbeiterin der Migrantinnenorganisation LEFÖ, die in Österreich Opfer von Frauenhandel betreut. Höchste Zeit also, diese Durchschnittskunden für eine Zusammenarbeit zu gewinnen und sie zu ermutigen, ihre Interessen zu vertreten. Eine der Stärken von Kampagnen wie Clean Clothes, dem Flower Label Program und anderen mehr, von denen wir in Südwind so häufig berichten, ist, dass sie sowohl bei den Produktionsbedingungen wie auch beim Bewusstsein der KonsumentInnen ansetzen. Nun erstellt Sexarbeit zwar kein „Produkt“, arbeiten Prostituierte doch direkt mit ihrem Körper und am Körper des „Konsumenten“. Umso mehr trägt dieser aber auch Verantwortung dafür, unter welchen Bedingungen Sexarbeit geleistet wird – und soll und kann an diese auch erinnert werden.
Eine holländische Freiergruppe hat übrigens einen Knigge für Prostitutionskunden erstellt. Er beginnt mit der Regel: Seien Sie höflich und respektvoll. Nicht nur, dass dieser Knigge im Eingangsbereich jedes einschlägigen Lokals, jedes Pornoladens von der Wand prangen sollte. Ich finde, es ist vierzig Jahre nach der Revolution der sexuellen Befreiung allerhöchste Zeit für eine neue globale Bewegung: Sex mit Respekt – sowohl für sich selbst wie auch für die Partnerin bzw. den Partner wie auch für Sexualität selbst. In dem Bereich wird weltweit mehr an Leben, Integrität und Persönlichkeit zerstört, als wir auf Dauer verkraften.