Der Druck wächst

Von Martina Neuwirth · · 1999/10

Das neueste Entschuldungspaket der G-7-Staaten ist der Größe des Problems nicht angemessen. Jubilee-2000-AktivistInnen aus Österreich und der ganzen Welt kämpfen weiter für eine nachhaltige Entschuldung zur Jahrtausendwende.

Im sommerlich heißen Köln ging es am 19. Juni 1999 wahrhaft multikulturell zu. Dazu trugen jedoch nicht die versammelten Regierungschefs der sieben Industrieländer sowie Rußland (G 7/G 8) bei, sondern die über 35.000 „Erlaßjahr 2000“ („Jubilee 2000“)-AktivistInnen aus aller Welt. Sie vertraten die über 17 Millionen Menschen aus 160 Ländern, die die Forderung von „Erlaßjahr 2000“ / „Jubilee 2000“ nach einem weitgehenden Schuldenerlaß der hochverschuldeten Länder im Jahr 2000 mit ihrer Unterschrift unterstützt hatten.

Auch Österreich brachte mit einer kleinen Delegation über 63.000 Unterschriften sowie ein vielbeachtetes „Schuldenstreich-Orchester“ mit.

In einer 10 Kilometer langen Menschenkette rund ums Tagungsgebäude der G- 7, in die sich auch Popstars wie Bono (von U2), Bob Geldof und Youssou N’Dour einreihten, sang, pfiff und schrie man: „Drop the Debt“ – „Weg mit den Schulden!“

INI = Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Regierungschefs tatsächlich bereits auf ein gemeinsames weiteres Vorgehen hinsichtlich der Schuldenkrise der armen Länder geeinigt. Allerdings stand am Ende das Ergebnis des Weltwirtschaftsgipfels in keinem Verhältnis zur Größe des Problems: Die angekündigten 70 Milliarden US-Dollar, die den 41 hochverschuldeten armen Ländern (HIPC) in einem komplizierten und langgezogenen Verfahren erlassen werden sollen, reichen einfach nicht aus, um eine nachhaltige Entspannung der Situation für die verarmte Bevölkerungsmehrheit zu bewirken.

Ein als tragbares Schuldenniveau angenommenes Verhältnis von Schuldenstand/Exporte von 150 Prozent (vor Köln waren es noch 200 bis 250 Prozent!) ist noch immer mehr als dreimal so hoch wie das 1953 für die Entschuldung Deutschlands angenommene.

Ein besonderes Problem stellen nach Ansicht von ExpertInnen wie auch von „Erlaßjahr 2000“ die Bedingungen dar, zu denen die Schulden erlassen werden. Die hochverschuldeten Länder müssen über 6 Jahre ein erfolgreich durchgeführtes Strukturanpassungsprogramm des Internationalen Währungsfonds (IWF) erfüllen, ehe ihnen tatsächlich Schulden gestrichen werden. Dabei mußte der IWF selbst in einer internen Untersuchung feststellen, daß drei Viertel seiner Programme gar nicht oder nicht in der vorgegebenen Zeit durchgeführt werden konnten.

INI = Eine Änderung der derzeitigen gläubigerdominierten Verfahrensweise und eine künftige Einbeziehung der betroffenen Bevölkerung in einem offenen und fairen Verfahren (etwa in einem „internationalen Insolvenzverfahren“), wurde in Köln nicht einmal ansatzweise diskutiert.

Für die hauptsächlich von Kirchen, Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen getragene internationale Erlaßjahr 2000-Kampagne ist daher klar geworden, daß der Druck erhöht werden muß, um eine umfassende und nachhaltige Entschuldung zur Jahrtausendwende zu erreichen.

Sind auch internationale Beschlüsse von größerer Tragweite, werden nun die einzelnen Gläubigerregierungen aufgefordert, mit gutem Beispiel voranzugehen und so schnell wie möglich über die Kölner Beschlüsse hinaus Schulden zu erlassen.

Durch international koordinierte Aktionen und durch Kooperationen mit „Bündnispartnern“ wie etwa UN-Organisationen, soll auch der Druck auf IWF, Weltbank und die G 7 bis Ende 2000 noch stärker werden.

INI = Auch „Erlaßjahr 2000 Österreich“, die 1997 die Nachfolge der bereits 1996 durchgeführten österreichweiten Kampagne „Initiative 96 Entschuldung“ angetreten hat, sieht daher auch nach den Kölner Beschlüssen keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen:

Österreich hat wohl bisher alle Entwicklungshilfe-Kredite armer, hochverschuldeter Länder erlassen. Viele der verbleibenden, sogenannten bilateralen Kredite (die in der Vergangenheit der Finanzierung österreichischer Exporte dienten) wurden bereits im Zuge der Beschlüsse des Pariser Clubs (des Kartells der staatlichen Gläubiger) umgeschuldet und teilweise erlassen.

Doch noch immer schulden die 41 hochverschuldeten, armen Länder Österreich 22 Milliarden Schilling. Durch die Kölner Beschlüsse sind zwar weitere Nachlässe zu erwarten, doch wird es unter dem Blickwinkel der Armutsbekämpfung notwendig sein, vielen dieser Länder die ohnehin kaum rückzahlbaren Kredite gänzlich zu erlassen.

INI = Einige andere Gläubigerländer, wie Norwegen und Kanada, haben bereits angekündigt, dies zu tun. In Österreich wird ähnliches derzeit überlegt.

„Erlaßjahr 2000 Österreich“ tritt dabei nicht für einen bedingungslosen Erlaß ein. Diese Bedingungen sollten jedoch nicht im Befolgen eines IWF-diktierten Anpassungsprogramms bestehen, sondern die Bevölkerung des Schuldnerlandes miteinbeziehen. Durch eine „Schuldenumwandlung für Entwicklung“ könnte sichergestellt werden, daß frei werdende Mittel der Armutsbekämpfung dienen.

So könnte – nach Schweizer Vorbild – das Schuldnerland verpflichtet werden, die frei werdenden Mittel in einen Entwicklungsfonds in einheimischer Währung zu zahlen.

Die Zivilgesellschaft (vertreten durch Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, kirchliche Organisationen etc.) sollte nicht nur Nutznießerin der Fondsmittel sein, sondern auch aktiv in die Gestaltung des Fonds einbezogen werden.

http://www.t0.or.at/ini96, http://www.t0.or.at/ini96.

Die Autorin ist Koordinatorin von Erlaßjahr 2000 Österreich.

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