Im krisengeschüttelten Mali soll am 28. Juli ein neuer Präsident gewählt werden.
Vielen Malierinnen und Maliern geht das viel zu schnell.
Mahamane Samaké ist mit seiner Großmutter seit den Morgenstunden in Timbuktu unterwegs. „Sie schafft es nicht mehr allein“, erklärt er. Die Dame versucht zu lächeln, doch der kleine Ausflug auf den zentralen Platz von Sankoré, einem Stadtteil von Timbuktu, strengt sie sichtlich an. Sie stützt sich auf ihren Stock. Die Temperaturen machen ihr zu schaffen, das Thermometer ist mittlerweile auf über 35 Grad Celsius geklettert. Der Platz bietet keinen Schatten. Dennoch ist der Ausflug wichtig. An diesem Vormittag verteilt die Welthungerhilfe Reis. Die Familie Samaké gehört zu den besonders Bedürftigen und wird 50 Kilo erhalten.
Das ist Alltag in Timbuktu, der Oasenstadt in Mali, am südlichen Rand der Sahara. Auch Monate nach der Besatzung durch die islamistische Gruppierung MUJAO, die „Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika“, funktioniert wenig. Die Region braucht Hilfe von außen. In den Geschäften gibt es zwar Lebensmittel, doch kaum jemand kann sie sich leisten. Die Wirtschaft ist zusammengebrochen. Bisher machten die Tourismus-Einnahmen mehr als 50 Prozent des Budgets Timbuktus aus. Wann und in welchem Umfang die internationalen Gäste zurückkommen, ist unklar.
Auch die Wiederherstellung der Verwaltungsstrukturen geht nur zögerlich voran. Der Bürgermeister ist zwar wieder in der Stadt. Doch von seinem Rathaus sind nur ein paar Stühle und Tische geblieben. Das Polizeigebäude ein paar hundert Meter weiter ist noch immer verlassen. Die Türen wurden herausgerissen. Strom gibt es in der Stadt nur abends zwischen 18 und 23 Uhr. In Gao, der zweiten großen Stadt des Nordens, bekommen viele Viertel nur alle zwei Tage Elektrizität.
Am 28. Juli soll in Mali ein neuer Präsident gewählt werden. Mahamane Samaké, der zum ersten Mal wählen wird, schüttelt den Kopf, wenn er daran denkt: „Eigentlich habe ich Vertrauen in den Staat. Schließlich bin ich Malier. Aber wen soll ich wählen? Das alles ist weit weg.“ Dabei soll es in wenigen Wochen so weit sein. Die Parteien haben ihre Spitzenkandidaten nominiert. In der malischen Presse wird über Inhalte und Personen diskutiert. Nur die Menschen beschäftigen sich kaum damit. Stattdessen zweifeln sie weiterhin am Wahltermin.
Notwendig wurde die Wahl, weil der ehemalige Präsident Amadou Toumani Touré im März 2012 bei einem Putsch gestürzt worden war. Anschließend dauerte es lange, bis überhaupt eine Übergangsregierung gebildet wurde. Zeitgleich nahmen Islamisten und Terroristen den Norden Malis unter Kontrolle. Beendet wurde die Besetzung erst durch das Eingreifen der französischen Armee, das Militär der ehemaligen Kolonialmacht ist seit Jänner in Mali aktiv. Timbuktu und Gao gelten zwar offiziell als befreit und sicher. Dennoch: Es hat seit Ende der Besatzung – so wird die Zeit unter den Islamisten im Norden genannt – drei Selbstmordanschläge gegeben. Die Menschen fürchten sich, manche wollen nicht in ihre Dörfer zurückkehren. Schon jetzt gibt es Gerüchte über mögliche bevorstehende Anschläge.
„Ich verstehe nicht, warum sie uns nicht weitere vier Monate geben. Dann könnte die Lage sicherer sein und die Wahlen besser vorbereitet werden“, sagt Rokia Diarra Karambé. Die Frauenrechtlerin und Präsidentin der Föderation der Vereine der MigrantInnen aus Mali lebt in der Hauptstadt Bamako. Sie hält zu viele Fragen für ungeklärt. Etwa, was aus den Flüchtlingen wird: Seit Januar 2012 haben gut 475.000 Menschen den Norden Malis verlassen. Mehr als 174.000 leben mittlerweile in den Nachbarländern. Nach Willen der Europäischen Union und auch der Übergangsregierung sollen diese in den Flüchtlingscamps wählen können. Doch politische Kampagnen sind dort verboten. Möglichkeiten, sich zu informieren, gibt es kaum.
Gefordert würden die frühen Wahlen von der internationalen Gemeinschaft, kritisiert Rokia Diarra Karambé. Die hatte nach dem Putsch im März des vergangenen Jahres einen Großteil der Entwicklungshilfegelder eingefroren. Erst mit einer demokratisch legitimierten Regierung werden sie wieder in voller Höhe fließen. Für Mali sind sie entscheidend, ist der Staat doch ein so genannter Donor Darling, ein bei den Gebern beliebtes Land. Über Jahre deckten die Hilfsgelder mehr als 25 Prozent des Staatsbudgets ab.
Issaga Kampo, erster Vize-Präsident der nationalen Wahlkommission (CENI), will sich zu diesem Thema nicht äußern. „Die Wahlen sind Teil des Weges in Richtung Demokratie“, sagt er. Beschlossen worden wäre dieser in Mali und nicht irgendwo im Ausland. Die Kritik an dem zeitigen Termin hält er deshalb für überzogen.
Katrin Gänsler ist Korrespondentin mehrerer deutschsprachiger Medien. Sie lebt in Lagos, Nigeria und Cotonou, Benin.
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