„Den Unternehmen auf die Finger schauen“

Von Werner Hörtner · · 2004/11

SÜDWIND-Redakteur Werner Hörtner sprach mit Deborah Doane von CORE, einem britischen Netzwerk von über 130 Nichtregierungsorganisationen, zum Thema Soziale Unternehmensverantwortung.

Südwind: Können Sie unseren Leserinnen und Lesern bitte zuerst einmal erklären, was CORE ist, wann dieses Netzwerk entstand, wer die treibende Kraft dabei war?
Deborah Doane:
Wir begannen 2001, wobei Friends of the Earth, Amnesty International und der WWF die treibenden Kräfte waren. Mittlerweile sind in CORE (Corporate Responsibility Coalition) über 130 Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Frauenorganisationen usw. zusammengeschlossen, um von der Regierung rechtlich bindende Regeln für die Geschäftstätigkeit internationaler Konzerne in Bezug auf Sozial- und Umweltstandards einzufordern.

Was sind die konkreten Hauptziele von CORE?
Unser hauptsächliches Ziel besteht darin, Unternehmen gesetzlich verantwortlich zu machen für ihre Geschäftspraktiken im sozialen und ökologischen Bereich. Das ist ein ganz spezifischer Punkt, der das ganze Gerede von beschränkter Shareholder-Verantwortung zusammenbrechen lässt.

Und wie soll dieses Ziel erreicht werden?
Da gibt es eine ganze Palette von Maßnahmen. Zuerst begannen wir mit Lobbying unter den Abgeordneten, dann wandten wir uns der Öffentlichkeitsarbeit zu. Wir sind auch an der Basis sehr aktiv, Graswurzel-Arbeit, wie wir sagen – das läuft vor allem über unsere Mitgliedsorganisationen. Friends of the Earth z.B. hat viele Mitglieder, auch das Women’s Institute.
Wir haben im Unterhaus zwei Gesetzesvorlagen eingebracht, die die Unternehmen zu einer periodischen Rechenschaftslegung über die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen ihrer Geschäftspolitik verpflichten sollen. Diese Vorlagen wurden dann im Parlament diskutiert, und das war ein gutes Vehikel für unsere Medienarbeit.

Wie steht es mit der internationalen Zusammenarbeit? Es gibt ja in Europa und den USA verschiedene Initiativen und Kampagnen, die die selben Ziele verfolgen?
Es ist unsere Absicht, als nächsten Schritt so etwas wie CORE International aufzubauen, eine enge Zusammenarbeit von Initiativen zu erreichen, die in dem Bereich der gesetzlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen arbeiten. Ich selbst werde Ende November in die USA fahren und dort diesbezügliche Gespräche mit einigen Kampagnen führen.

Das ganze Gerede über die Corporate Social Responsibility, die Soziale Unternehmensverantwortung, scheint nicht wirklich einen Fortschritt in Richtung Ethisches Wirtschaften gebracht zu haben. Wie können Sie sich einen Ausweg aus dieser Sackgasse vorstellen?
Seit dem spektakulären Scheitern des WTO-Gipfels in Seattle vor genau fünf Jahren haben die meisten NGOs ihre Zeit darauf verwendet, den Unternehmenssektor zu kritisieren und anzugreifen, doch nur wenige haben an Alternativen gearbeitet. Auch wir haben uns viel mit WTO und Weltbank und Weltwährungsfonds beschäftigt und erst vor relativ kurzer Zeit mit der Ausarbeitung von Alternativen begonnen.

Und was würden Sie dabei als den größten Erfolg bezeichnen?
Einmal die Tatsache, ein Verständnis für die Bedeutung geschaffen zu haben, den Unternehmen in ihrer Geschäftspolitik auf die Finger zu schauen. Und dafür ein Netzwerk von 130 NGOs aus den verschiedensten Bereichen aufzubauen, ist eine bisher einmalige Errungenschaft. Über 300 Abgeordnete, das ist fast die Hälfte des ganzen Unterhauses, haben unsere Gesetzesvorlage zu verpflichtenden Rechenschaftsberichten von Unternehmen unterstützt, die dann von der Regierung in zweiter Lesung zu Fall gebracht wurde. Nächstes Jahr will die Regierung einen eigenen Entwurf dazu präsentieren, in dem einige unserer Vorschläge eingebaut sind.

Wie schätzen Sie Initiativen wie den Global Compact der Vereinten Nationen ein?
Meiner Meinung nach ist dieser Global Compact* eines der größten Probleme, das wir haben, und ich finde, er sollte völlig und ersatzlos aufgelassen werden. Es gibt keinerlei verpflichtender Mechanismen, die Prinzipien sind extrem locker und es ermächtigt die Unternehmen, das Logo der UNO in ihrer Werbung einzusetzen. Denken Sie an das Foto des Nike-Chefs Phil Knight, wie er stolz neben Kofi Annan den Global Compact unterzeichnet. Das ist höchst problematisch.


Deborah Doane ist geboren und aufgewachsen in Kanada und mittlerweile britische Staatsbürgerin. Neben ihrer – ehrenamtlichen – Mitarbeit im Leitungsgremium von CORE arbeitet sie als Journalistin und Universitätslektorin. Sie wurde kürzlich von der AGEZ (Arbeitsgemeinschaft Entwicklungszusammenarbeit) nach Wien eingeladen.
Mehr Informationen über das Netzwerk auf www.corporate-responsibility.org

*) Global Compact ist eine Initiative von UN-Generalsekretär Kofi Annan, an der sich bislang weltweit an die 1.400 Unternehmen beteiligen. Mit ihrem Beitritt erklären sie – allerdings völlig unverbindlich – , zehn Prinzipien einer ethischen Geschäftsführung einzuhalten.

Werner Hörtner

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