Demokratie braucht mehr Partizipation

Von Martin Jäggle · · 2022/Nov-Dez
© Thomas Kussin

Eine Regierungspartei wetterte gegen den Klimarat. Ein schlechtes Vorzeichen für mehr Bürger*innenbeteiligung.

Der Kurier titelte am 3. Juni: „ÖVP versenkt Klimarat kurz vor dessen Ende: ,Keine Relevanz‘“. Im Artikel wurde der VP-Umwelt- und Klimaschutzsprecher Johannes Schmuckenschlager zitiert: „Ich halte den Klimarat als Institution für absolut untauglich.“ Die Empfehlungen des Bürger*innenrates sind für ihn „absolut irrelevant“.

Der Klosterneuburger Weinhauer und Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich begründete seine Attacke mit dem völligen Mangel an Repräsentativität: „Vor allem das Element des Interessensausgleichs verschiedener Gesellschaftsgruppen fehlt total.“ Dass es mit dieser Begründung auch jedem Gemeinderat,  Landtag und  dem Nationalrat an Repräsentativität mangelt, entging dem Kammerfunktionär ebenso wie dass er selbst der Einrichtung des Klimarates zugestimmt hat.

Dieser sollte laut Beschluss des Nationalrates „sich aus mindestens 100 Personen, die … einen repräsentativen Querschnitt der Gesellschaft … abbilden“, zusammensetzen.

Fragliches Demokratieverständnis. Diese irrlichternden klimapolitischen Äußerungen mögen Schnee von gestern sein, aber das dahinterstehende Demokratieverständnis ist viel zu wenig öffentlich diskutiert worden. Wie wären denn die Gesellschaftsgruppen zu organisieren, deren Interessen auszugleichen sind, von Arbeitslosen, Alleinerziehenden etc. – oder garantieren erst die vorhandenen Kammern Repräsentativität?

Die Delegitimierung des auf Wunsch des Nationalrates eingesetzten Klimarates sowie die Herabsetzung und Demütigung seiner Mitglieder sind jedenfalls inkompatibel mit einer Demokratie im 21. Jahrhundert, die auf möglichst breite und umfassende Partizipation der Bevölkerung setzt.

Die Etablierung eines Klimarates ist thematisch begründet ein internationaler Trend, wie Frankreich, Dänemark, Kanada, Schottland oder Schweden zeigen. Vor über einem Jahr präsentierte in Deutschland der „Bürgerrat Klima“ seine Ergebnisse. In all diesen Fällen erarbeitet ein Klimarat Maßnahmen, leuchtet die Bevölkerung der Politik den Weg, die Entscheidung liegt bei den politisch zuständigen Institutionen.

Junge ernst nehmen. Während der Klimarat eine einmalige Initiative war, finden etwa in Vorarlberg seit 2011 Bürger*innenräte zu gemeinwohlrelevanten Fragen statt, die auf Gemeinde- oder Landesebene einstimmig getragene Anregungen ausarbeiten und diese  öffentlich präsentieren. Leitend ist der Grundsatz „Demokratie braucht Beteiligung“ (vgl. Beitrag „Lobbying fürs Gemeinwohl“, Südwind-Magazin 7-8/2022). Partizipation ist aber nur möglich, wenn Menschen auf Entscheidungen Einfluss nehmen können und ihre Meinung ernst genommen wird.

Besondere Aufmerksamkeit benötigen Kinder und Jugendliche, die das Recht haben, verbindlich in Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden, von denen sie mittelbar oder unmittelbar betroffen sind. Damit die Schule des 21. Jahrhunderts eine Schule der Demokratie wird, wird sie dem Recht der Kinder und Jugendlichen auf Partizipation entscheidend mehr Beachtung schenken müssen.

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