Verhaßte Diktatoren machten Schulden, für die jetzt die verarmten Bevölkerungen bezahlen muß.
Der Kalte Krieg ist vorbei, Mobutu ist tot, Zaire wurde zur Demokratischen Republik Kongo und der Westen möchte sein Geld zurück. Die neue Regierung des Landes sollte jetzt eigentlich alle verfügbaren Mittel in den Wiederaufbau stecken, doch die Zahlungsverpflichtungen belasten die geplünderte Nation mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 260 US-Dollar.
INI = Im internationalen Recht gibt es den Begriff der sog. „odious debts“ (dt. etwa: nicht gerechtfertigte Schulden). Als die Amerikaner 1898 nach den Spanieren in Kuba die Macht übernahmen, verlangten diese im Gegenzug, die USA sollten die Schulden Kubas begleichen. Die USA weigerten sich damals mit der Begründung, „die Schulden seien der kubanischen Bevölkerung gegen ihren Willen und mit Waffengewalt aufgezwungen worden…und die Gläubiger hätten das Risiko ihrer Investitionen selbst zu tragen“.
Seither wurde die Doktrin, daß für „odious debts“ nicht die Bevölkerungen und spätere Regierungen von Schuldnerländern verantwortlich gemacht werden können, in der internationalen Rechtssprechung verankert.
So hat die UNO die Apartheid in Südafrika zum „Verbrechen wider die Menschlichkeit“ erklärt. Als 1982 die Bereitschaft zu internationalen Sanktionen spürbar gewachsen war, warnten Rechtsberater der US-Banken ihre Auftraggeber in aller Öffentlichkeit davor, daß eine schwarze Regierung sich weigern könnte, Schulden aus der Zeit der Apartheidpolitik zurückzuzahlen.
Als Nelson Mandela Präsident Südafrikas wurde, erbte er einen Schuldenberg von 18 Milliarden US-Dollar.
Der IWF beeilte sich damals mit seiner Warnung, diese Schulden, wie zweifelhaft auch immer, zu bezahlen, andernfalls Südafrika von der internationalen Staatengemeinschaft isoliert werden würde. Somit landete das Geld, mit dem das Vermächtnis der Apartheid hätte beseitigt, Schulen und Wohnungen errichtet sowie neue Arbeitsplätze geschaffen werden können, wieder bei denselben Banken in den USA, der Schweiz und Großbritannien, die zuvor die Apartheid unterstützt hatten.
INI = In Argentinien fehlen Aufzeichnungen über 80 Prozent der von der Militärjunta zwischen 1976 und 1983 geliehenen 40 Milliarden US-Dollar.
Die Militärdiktatur, die Brasilien von 1964 bis 1984 regierte, hat beispielsweise für ein Projekt zwei Kredite aufgenommen, von denen einer dann für Waffen und Korruptionsgelder verwendet wurde.
Wie kam es, daß so scheinbar angesehene Geldgeber wie der IWF oder die US-Regierung sich bei derart augenscheinlichen Fällen von Korruption auf einem Auge blind erwiesen?
Zum einen waren Regenten wie Mobutu und die lateinamerikanischen Diktaturen sichere Verbündete im Kalten Krieg, und zum anderen floß das Geld ohnehin an amerikanische Firmen und Banken zurück. Und die Banken wußten, daß die USA und der IMF den nötigen politischen Druck auf Rückzahlung ausüben würden.
INI = Die Jubilee-2000-Kampagne für einen Schuldennachlaß an die ärmsten Länder der Welt spricht davon, daß knapp 500 Milliarden US-Dollar – beinahe ein Viertel der Gesamtschulden der Dritten Welt -, aus der Finanzhilfe zur Stützung von Diktaturen in insgesamt 25 Staaten stammen.
In diesen Ländern wächst inzwischen der öffentliche Widerstand gegen die Rückzahlung solcher Lasten. Der Erzbischof von Kapstadt, Njongonkulu Ndungane, bekannte sich in Südafrika offen zur dortigen Kampagne.
In Nigeria fordert eine Initiative die Gläubiger des Landes auf, die Schweizer Bankkonten der Militärdiktatur beschlagnahmen zu lassen anstatt Druck auf die nigerianischen Steuerzahler auszuüben. Weitere ähnlich ausgerichtete Bestrebungen sind zur Zeit in Brasilien, Argentinien, Mexiko und auf den Philippinen im Gang.
Der IWF hat nun begonnen, die Definition der „odious debts“ in Frage zu stellen – weil ein vermehrter Schuldennachlaß „internationale Investoren zu einer größeren Risikobereitschaft ermutigen könnte, in der Annahme, sie würden nur zum Teil unter den Konsequenzen leiden“.
In Wahrheit ist es aber gerade die Macht des IWF, von den armen Schuldnerländern die Rückzahlungen zu erzwingen, die es den Geldgebern – in der Vergangenheit ermöglicht hat, dubiose Finanzhilfen aus politischem Kalkül zu gewähren.
Hier geht es um eine wesentliche Grundsatzentscheidung: Internationale Finanzorganisationen und Regierungen sollten das Risiko für die von ihnen in eigener Entscheidung gewährten Kredite selbst tragen.
Der Autor ist politischer Berater der britischen Jubilee-2000-Kampagne.
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