Der Putsch gegen Venezuelas Präsidenten scheiterte am entschlossenen Widerstand jener Bevölkerungsschichten, für die Hugo Chávez mit seiner „bolivarianischen Revolution“ Hoffnung und Zukunft bedeutet.
Und dann die Hoffnungen durch das neue politische Projekt, das sich im Präsidentschaftswahlkampf von Hugo Chávez abzeichnete. Erstmals bot sich für die UreinwohnerInnen Aussicht auf Anerkennung ihrer Rechte, erstmals die Perspektive auf menschliche Würde. Anders als viele Politiker, die in Wahlzeiten Appelle an die sozial Schwachen richten, ihre Politik dann jedoch nach der Logik von Wall Street, Weltbank und World Economic Forum führen, machte sich Chávez als neu gewählter Präsident daran, einen revolutionären Prozess einzuleiten, der auf wirklich demokratische Mitwirkung des Volkes hinauslaufen sollte.
Die 1999 partizipativ erarbeitete Staatsverfassung enthält einen Katalog indigener Rechte, der weltweit seinesgleichen sucht. Relevante Konfliktlinien sind vorgezeichnet, verbietet die Verfassung doch z.B. die Patentierung von Wissen, das von traditionellen indigenen Nutzanwendungen abgeleitet ist. Ein Dorn im Auge internationaler Pharmafirmen, die ihren Blick auf die „Mega-Biodiversität“ Venezuelas geworfen haben.
Chávez’ Projekt fand nicht nur wegen neuer Indígena-Rechte vehemente GegnerInnen. Die „bolivarianische Revolution“ setzt nämlich in allen Lebensbereichen kohärent auf Partizipation „von unten“ und auf soziale Gerechtigkeit. Eine Zielsetzung, die in Venezuela mehr als angebracht ist. In dem mit reichen Bodenschätzen versehenen Land, dessen Deviseneinnahmen aus dem Erdölverkauf sich in der Zeit von 1960 bis 1998 auf ein 15-faches (!) des Marshallplanes beliefen, leben 70 Prozent unter der Armutsgrenze. Durch gleichgeschaltete Verteilung von politischer Macht und wirtschaftlichen Gewinnen war das öffentliche Leben Venezuelas zu einem Selbstbedienungsladen für Großgrundbesitzer, Medienzare und Statthalter transnationaler Konzerne verkommen. Chávez konnte sich des Hasses all dieser bisherigen Akteure im Land sicher sein.
Als er neue Vorstandsmitglieder für die staatliche Erdölgesellschaft PDVSA ernannte, um Sozialprogramme durch Erdöleinnahmen absichern zu können, sah die alte Oligarchie ihre Felle davonschwimmen. Hatte doch das bisherige PDVSA-Management die im OPEC-Rahmen festgelegten internationalen Erdölverkaufsquoten illegal umgangen und dazu beigetragen, Erlöse auf ausländische Privatkonten der Oberschicht umzulenken.
Am Vortag des Putschversuches kam es zu Auseinandersetzungen auf den Straßen zwischen RegierungsgegnerInnen und -befürworterInnen. Von Heckenschützen wurde ca. ein Dutzend Menschen erschossen, darunter mindestens neun „Chavistas“. Venezolanische Privatmedien stellten die Ereignisse als „Volksaufstand“ gegen den Präsidenten dar, die Toten als Opfer chavistischer Repression.
Man benötigte ein Szenario, um den Putsch gegen die verfassungsgemäße Regierung in ein legitimes Licht zu rücken. Jene, die diesen Plan entwickelt hatten, machten jedoch einen entscheidenden Fehler: Sie rechneten nicht mit dem entschiedenen Widerstand des venezolanischen Volkes. Im ganzen Lande bekundeten innerhalb von Stunden Hunderttausende ihre Unterstützung für Demokratie und den verfassungsmäßigen Präsidenten. Als auch die Hauptteile der Streitkräfte der Putschregierung den Befehl verweigerten, konnte Chávez nach 48 Stunden in seinen Amtssitz zurückkehren. Wie lautet doch die venezolanische Nationalhymne: „Gloria al bravo pueblo“ (Ruhm dem tapferen Volk).
Der Autor ist Assistenzprofessor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien und Experte für die Rechte indigener Völker. Er ist auch juristischer Berater der indianischen Angehörigen des venezolanischen Parlaments.
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