„Das muss die Welt wissen“

Von Redaktion · · 2014/06

Das Vorzeigeprojekt Yasuní-ITT in Ecuador steht vor dem Aus. Welche fatalen Auswirkungen das hätte und wie die Betroffenen weiterhin gegen die Pläne der Regierung kämpfen wollen, haben Alicia Cahuiya und Eduardo Pichilingue Südwind-Redakteurin Christina Bell erklärt.

"Yasuní war die Vision einer alternativen Zukunft. Die ist nun verloren gegangen”, sagt Eduardo Pichilingue, Vertreter einer NGO, die sich für die Rechte der Indigenen im Amazonas einsetzt. Manch revolutionäres Projekt scheitere, weil es seiner Zeit voraus sei. Yasuní könnte so eines gewesen sein, meint Pichilingue. Es fröstelt die BesucherInnen an diesem kalten Maitag in Wien. Zu den 42 Grad Celsius im Amazonas-Regenwald sei dies doch ein spürbarer Unterschied, meint Pichilingue verschmitzt. Alicia Cahuiya, Vorsitzende der Frauenorganisation der Waorani, blickt ernst. Wenn Sie darüber spricht, warum sie hier ist, wirkt sie gefasst, aber besorgt. „Wo sollen wir leben? Wo sollen unsere Kinder leben?”, fragt sie. 3.600 Waorani und weitere indigene Gemeinschaften haben ihre Heimat in dem Gebiet, das, von der Welt bejubelt, trotz Erdölreichtums Schutzgebiet bleiben sollte (siehe auch SWM 10/2013). Nun fürchten sie, dass Präsident Rafael Correa seine Ankündigungen wahr macht. „Bis auf den letzten Tropfen“ wolle er das Öl fördern, hat der Präsident wiederholt erklärt.

Damit würde die Regierung die indigenen Gemeinschaften töten, sagt Alicia. Mit der Förderung des Erdöls kommen Firmen, die bringen Straßen und Krankheiten. Die Waorani haben in den letzten Jahrzehnten schlechte Erfahrungen gemacht. Dennoch gibt es auch unter ihnen Menschen, die die Ölförderung befürworten, weil die Regierung sie mit Geld, Arbeitsplätzen und Infrastruktur lockt. Das mache den Kampf schwieriger. Dazu kommen Unterschiede in der Lebensweise: „Viele Waorani verstehen lediglich, dass wir in einem Land leben, das Ecuador heißt. Die Ordnung der Gesellschaft oder die Funktionsweise politischer Prozesse sind ihnen fremd“, erklärt Pichilingue. Dass das Erdöl ihnen schade, das wüssten sie allerdings genau.

Die 2007 gestartete Inititive Yasuní ITT war ein einzigartiges Vorhaben. (ITT steht für Ishpingo-Tambococha-Tiputini, drei Probebohrungen im Ölfeld in der Region Yasuní.) Die im Amazonasgebiet vermuteten Ölreserven sollten unangetastet bleiben, dafür sollte die internationale Gemeinschaft die Hälfte des geschätzten Exportwertes von sieben Milliarden Euro in einen Treuhandfonds einzahlen. Im August 2013 erklärte Präsident Rafael Correa das Ende der Initiative, nur ein Bruchteil des Geldes war tatsächlich eingegangen.

Vor kurzem hat die entstandene Protestbewegung „Yasunídos“ knapp 760.000 Unterschriften bei der Nationalen Wahlkommission eingereicht. Laut Verfassung genug, um ein Referendum über die Erdölförderung zu erzwingen. fünf Prozent der Wahlberechtigten reichen für eine bindende Volksabstimmung). Fast 450.000 der Unterschriften wurden aber – großteils wegen formeller Mängel – für ungültig erklärt. Ob das Referendum endgültig vom Tisch ist, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest.
cbe

Die Indigenen und alle, die gegen die Erdölförderung im Nationalpark kämpfen, haben einen ungleich mächtigeren Gegner. Die ecuadorianische Regierung hatte vergangenes Jahr ein Kommunikationsbudget von 350 Millionen Dollar. „Das ist eine perfektionierte Maschinerie, die lässt dir keinen Raum, keine Chance zu gewinnen“, so Pichilingue. Zudem hätten viele Menschen in Ecuador Angst, auf die Straße zu gehen, weil die Demonstrationen immer wieder von Gewalt begleitet wurden. „Am Anfang sah man Familien bei den Demonstrationen, Großmütter. Die kommen jetzt nicht mehr.“

Am schärfsten kritisiert er, dass der Diskurs der Regierung von ihrer Politik konterkariert wird. „Die Regierung spricht von Gleichheit. In Wirklichkeit opfern wir indigene Gemeinschaften, Minderheiten, kurzfristigen Interessen“, so Pichilingue. Yasuní löse keine Probleme, die seien struktureller Natur.

Trotz vieler Investitionen im Sozialbereich hat sich zu wenig verändert im südamerikanischen Land: „Die Ungleichheit wurde verstärkt. Die Steuerlast der größten Unternehmen ist kleiner geworden, es ist die zweitniedrigste in der Region nach Chile.“ Pichilingues Organisation CDES hat berechnet, um wie viel die Steuern erhöht werden müssten, um die Einnahmen aus Yasuní zu kompensieren: 1,5 Prozent bei den 110 reichsten Firmengruppen würden genügen. „Das Erdöl in ITT wird in 25 Jahren zur Neige gehen. Unser Vorschlag kann unendlich lange fortgesetzt werden. Plan A war das Erdöl unter der Erde zu lassen, Plan B, es zu fördern. Das ist unser Plan C.“

Pichilingue und seine MitarbeiterInnen haben ihren Vorschlag dem Parlament präsentiert, sie wissen, dass es einige Abgeordnete gibt, die sie unterstützen. Ob diese sich offen gegen den mächtigen Präsidenten stellen, ist fraglich.

„Wenn es so weitergeht, sterben wir“, sagt Alicia Cahuiya. „Das muss die Welt wissen. Wir wollen, dass die nächsten Generationen in Frieden leben können. Das ist unser Haus, in dem wir geboren wurden. Wir wünschen uns, dass die Regierung das respektiert.“

Eduardo Pichilingue, Koordinator der Beobachtungsstelle für kollektive Rechte CDES, der sich seit 14 Jahren für die Indigenen im Amazonas einsetzt, war Mitte Mai zu Besuch in Wien.
Gemeinsam mit Alicia Cahuiya, Indigene der Gemeinschaft der Waorani und Vizevorsitzende deren Organisation, wollten sie hierzulande Bewusstsein zu schaffen für die Bedrohung, der die Indigenen im Amazonasgebiet ausgesetzt sind.

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