Reis ernährt mehr als die Hälfte der Menschheit. Die Suche nach ertragreicheren Methoden oder Sorten ist deshalb nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine politische Frage.
Sattes, fettes Grün. Eingebettet in aufsteigende Hügelketten. Die Abendsonne hüllt die Terrassen von Tabidiao in warmes Licht. Still ist es. Nur das Glucksen der vielen kleinen Bäche dringt nach oben. Ein beruhigendes Konzert aus tausend Rinnsalen. Das Wasser stürzt über Stufen, fließt durch viele Becken, die philippinische Bäuerinnen und Bauern in den Berg modelliert haben.
Die Felder von Tabidiao auf der Insel Negros sind ein Meisterwerk menschlicher Baukunst, ein fein austariertes Nebeneinander von Dämmen, Becken und schmalen Wegen. Sie dienen einem einzigen Zweck: dem Anbau von Reis.
Seit vielen Jahrhunderten nutzen Menschen das zur Gattung „Oryza“ gehörende Gras. Gerade in Asien. Hier nahm die Kultivierung der Pflanze vor mehr als 6.000 Jahren ihren Ausgang. Ihr Wert manifestiert sich in den asiatischen Sprachen, in denen „Reis“ gleichgesetzt wird mit „Leben“. Das subtropische Getreide wächst heute auf allen fünf Kontinenten. Es wird je nach Wasserverfügbarkeit im regenabhängigen Trockenanbau oder eben im vorherrschenden Nassanbau kultiviert. Reis ist Grundnahrungsmittel von über drei Milliarden Menschen. Und von im Jahr 2002 produzierten 576 Millionen Tonnen wurden 80 Prozent von Kleinbauern geerntet, vor allem in Asien.
Keine Frage, Reis ist ein globales Gut. Weshalb neue Anbaumethoden, wissenschaftliche Entdeckungen, klimatische, politische oder ökonomische Verschiebungen drastische Auswirkungen auf zahlreiche Menschen und ganze Erdregionen nach sich ziehen.
Die Reiswirtschaft befindet sich im Umbruch. Zum einen, weil Saatgutkonzerne in ihm einen gigantischen Absatzmarkt sehen und ertragreichere Sorten riesige Gewinne versprechen. Zum anderen, weil verschwenderische Anbaumethoden und Klimawandel Veränderungen notwendig machen.
Beides für die Vereinten Nationen Gründe, 2004 zum „Internationalen Reisjahr“ zu erklären. Schließlich muss, um die wachsende Bevölkerung auch in 20 Jahren versorgen zu können, die bisherige Reisproduktion „auf 800 Millionen Tonnen im Jahr 2025 gesteigert werden“, sagt Nguu Nguyen, Experte der FAO, der UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung.
Wie das bewerkstelligt werden kann, daran forschen 700 MitarbeiterInnen des „International Rice Research Institute“ (IRRI) in Los Baños, zwei Autostunden von Manila entfernt.
Besonders dringend braucht es Lösungen auf einem bisher wenig beachteten Gebiet: Für ein Kilo Reis werden bis zu 5.000 Liter Wasser verbraucht. Das ist schon heute zu viel. Im Jahr 2025 wird jedoch der Reisanbau wegen Wasserknappheit auf einem Viertel der bisherigen Anbaufläche nur noch eingeschränkt möglich sein, warnt Bas Bouman vom IRRI. Nicht nur im IRRI wird deshalb an Methoden geforscht, künftig Reis wie Weizen anzubauen. Alle bisherigen Versuche gehen mit hohen Ernteverlusten einher.
Die Verdienste der IRRI-ForscherInnen auf diesem Gebiet sind unumstritten. Nicht jedoch ihr Faible für Hochertragssorten. So rät das Institut Bäuerinnen und Bauern dazu, traditionelle Sorten durch moderne Hochertragssorten zu ersetzen. Durch Hybridreis zum Beispiel. Das Saatgut erwirtschaftet jedoch nur bei der ersten Kreuzung hohe Erträge. Folglich müssen Bauern jede Saison neues Saatgut kaufen.
Auf der anderen Seite bringt Hybridsaatgut um bis zu 20 Prozent mehr Erträge. In der Volksrepublik China werden deshalb bereits 15 Millionen Hektar – rund die Hälfte der Reisfelder – mit Hybridsaat bepflanzt. Andere Länder ziehen inzwischen nach. Charito Medina von der philippinischen Dachorganisation der Reisbauern, Masipag, warnt vor dieser Politik: „Früher pflanzten philippinische Bauern 3.000 Reissorten, heute wachsen auf 80 Prozent der Anbaufläche nur noch fünf.“ Damit erhöht sich die Gefahr von Epidemien durch Schädlinge, Pilze oder Unkräuter.
Die Verschuldungsfalle: Viele Hilfsorganisationen lehnen die propagierte inputintensive Bewirtschaftung ab. Denn gerade für kapitalschwache Bauern bergen Hochertragssorten große Risiken, weil sie Saatgut und Dünger leihen und mit Zinsen zurückbezahlen müssen. Das lohnt sich nur bei hohen Reispreisen. Die aber schwanken. „Von 70 Säcken habe ich am Ende 50 dem Geldverleiher überlassen“, sagt Emilia Dalisay, die in die Verschuldungsfalle geriet.
Die Bäuerin auf der Philippinen-Insel Negros hat sich aus dieser Abhängigkeit befreit. Statt Hochertragssorten wie IR64 baut sie nun wieder traditionellen Reis an. Vor allem setzt sie auf eine neue, aus Madagaskar stammende Anbaumethode. Dort entwickelte Henri de Laulanié sein „System of Rice Intensification“ (SRI). Der Jesuitenpater konnte die Erträge um bis zu 400 Prozent steigern.
SRI basiert auf fünf einfachen Prinzipien, die mit herkömmlichen Anbaumethoden brechen. So pflanzen die Bauern ihre Setzlinge früher als üblich, lassen mehr Platz zwischen den einzelnen Pflanzen und halten die Böden nur noch feucht, statt sie zu überfluten. Emilia Dalisay hat mit SRI ihre Ernte-Erträge fast verdoppelt. Statt 70 Sack erntet sie heute 120 Sack, fünf statt drei Tonnen.
Inzwischen wird SRI in mehr als 17 Ländern getestet. Mit unterschiedlichen Ergebnissen. Während die Erträge in einigen Projekten zurückblieben, lagen manche Ernten bei 13 und 17 Tonnen pro Hektar, berichtet Norman Uphoff. Der Direktor des US-amerikanischen „Cornell International Institute for Food Agriculture and Development“ (CIIFAD) kommt deshalb zu dem Schluss, dass „mehr Länder und mehr Farmer mit SRI experimentieren sollten“.
Die Erfolge werden von WissenschaftlerInnen gerade im IRRI in Frage gestellt. Sie zweifeln an der Höhe der vermeldeten Erträge und an der Methodik. Richtig ist, dass diese außerhalb von Madagaskar bisher nur auf wenigen Flächen getestet wurde. Es muss sich also erst noch erweisen, ob und in welchen Klimazonen auf Dauer hohe Erträge erwirtschaftet werden können.
Jörg Böthling ist Fotograf bei der Presse-Agentur agenda in Hamburg.
Der Autor ist freier Journalist in Hamburg. Er arbeitet für Printmedien und den Hörfunk; hauptsächlich zu den Themen Energie, Ökologie, Entwicklungspolitik. Außerdem ist er Mitbegründer der Medienorganisation GlobalAware, die sich mit den Folgen der Globa