Geld kommt im Finanzkapitalismus der Gegenwart eine enorme (politische) Steuerungsmacht zu und ist insofern keinesfalls eine ethisch neutrale bzw. „geruchsfreie“ Größe. Das moralische Unbehagen, das viele Menschen in der Auseinandersetzung mit dem modernen Finanzkapitalismus empfinden, ist jedoch keine ausschließliche Zeiterscheinung unserer Tage. Bereits am Beginn der Industrialisierung hat Goethe im zweiten Teil seines „Faust“ die moderne Geldwirtschaft als Fortsetzung der Alchemie mit anderen Mitteln bezeichnet und bei ihr einen schweren Systemfehler diagnostiziert: Das Wirtschaftssystem legt dem Geld – außer der Vermehrung seiner selbst – keine weiteren, geschweige denn ethischen, Verpflichtungen auf.
An dieser Systemdiagnose setzt die Idee ethisch orientierter Geldanlagen an: Alle, die Geld veranlagen, tragen auch Verantwortung dafür, was mit dem veranlagten Geld geschieht und ob das mit ihren persönlichen Wertmaßstäben in Einklang steht. Veranlagtes Kapital liegt schließlich nicht wie bei Dagobert Duck im sicheren Tresor und wartet darauf, mit ein paar Prozent Zinsaufschlag, wieder abgeholt zu werden – im Gegenteil: Veranlagtes Geld fließt in wirtschaftliche Kreisläufe ein und bestimmt in hohem Maße deren Verlauf und Richtung. Geldveranlagung spiegelt Interessen wider, trägt daher eine eindeutig politische Komponente und verlangt deshalb auch politische Verantwortung.
Spätestens seit Börsenberichte fester Bestandteil der Nachrichten sind, spüren wir, dass wir in einem weltumspannenden Wirtschaftssystem leben, in dem Geld nicht mehr nur Zahlungsmittel, sondern selbst das wichtigste Wirtschaftsgut ist und Finanzkapital nicht mehr nur ein, sondern der entscheidende Produktions- bzw. Wertschöpfungsfaktor ist. Bis in den privaten Bereich hinein hat sich der Umgang mit Geld als Wertanlage verändert – und der persönliche Verantwortungsgrad dabei: Nicht nur dass das klassische Sparbuch seine Vorrangstellung im Bereich der Geldanlage zunehmend anderen Anlageformen abgetreten hat; diese moderneren Anlageformen räumen dem Besitzer des dominierenden Wirtschaftsfaktors Geld auch mehr ökonomische wie politische Steuerungsmacht ein als die traditionellen Sparformen.
Durch die großen gesellschaftspolitischen Bewegungen der vergangenen Jahrzehnte wie der Frauen-, Umwelt- und Friedensbewegung ist in weiten Teilen der Bevölkerung ein kritisches Bewusstsein gewachsen, dass positive Wirtschaftsdaten nicht um jeden Preis erzielt werden sollten. Dementsprechend ist eine wachsende Nachfrage an ethischen Kriterien im Wertpapiergeschäft entstanden und – Hand in Hand damit – an Geldanlageformen, bei denen die InvestorInnen eine unmittelbare oder durch damit betraute Mittelsleute indirekte Kontrolle darüber ausüben können, was mit ihrem Geld geschieht, das heißt welchen wirtschaftlichen und unter Umständen auch sozialen oder politischen Zwecken es zur Verfügung stehen soll oder wohin das Geld auf gar keinen Fall fließen darf.
Das Grundprinzip aller ethisch-nachhaltigen Investmentformen besteht vor allem darin, dass am Finanzmarkt Kapital aufnehmende Firmen bzw. Wirtschaftsprojekte zunächst von darauf spezialisierten Agenturen bzw. Ethikkomitees nach entsprechenden Umwelt-, Sozial- und Kulturverträglichkeitskriterien geprüft und bewertet werden. Die daraus gewonnenen Ergebnisse dienen WertpapiermanagerInnen sowie PrivatanlegerInnen zur ethisch motivierten Orientierung bei ihrer Anlagepolitik bzw. bei der Entwicklung ethisch-nachhaltiger Anlageprodukte. Diese Bewertung und Kontrolle der einzelnen Unternehmen und Projekte stellt die größte Herausforderung an das Anliegen ethisch-nachhaltigen Investments dar. Hochdifferenzierte, oft weltweit und über unterschiedlichste Branchen ausgedehnte Konzernstrukturen machen ihre ethische Bewertung zu einem komplexen und kaum zu hundert Prozent sicheren Unterfangen.
Dazu kommt noch die Notwendigkeit, die entsprechenden Prüfungen in einer gewissen zeitlichen Dichte zu wiederholen, weil die Politik eines Unternehmens sich heute sehr rasch – positiv wie negativ im Sinne der anzulegenden Wertmaßstäbe – ändern kann. Eine breite interessierte Öffentlichkeit ist hier von großer Bedeutung: Nicht wenige und keineswegs unbedeutende Unternehmen haben mittlerweile erkannt, dass gute Prüfungsergebnisse im Sinne ethischer Nachhaltigkeitskriterien nicht nur ein positives, öffentliches Image bringen, sondern neben den üblichen Wirtschaftsdaten in zunehmendem Maß in die Kaufentscheidungen von InvestorInnen einfließen.
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ie vieles, was mit den typischen „alternativen“ Politikfeldern – Ökologie, Friedenspolitik, Entwicklungsförderung, Minderheitenschutz etc. – zusammenhängt, kämpft auch die Idee des ethisch-nachhaltigen Investments mit dem weitverbreiteten Vorurteil, sie sei auf der InvestorInnenseite ausschließlich etwas für IdealistInnen, die es sich leisten könnten, auf marktübliche Erträge zu verzichten, und auf der Unternehmensseite etwas für alternative Kleinbetriebe. Weder das eine noch das andere Argument ist richtig. Mittlerweile belegt eine Reihe wissenschaftlicher Studien, dass ethisch orientierte Investmentprodukte mit vergleichbaren konventionellen Anlageformen problemlos Schritt halten können – nicht nur was den Ertrag, sondern auch was die Sicherheit betrifft.
Andererseits gehört es mittlerweile zum Standard, dass sich eine große Zahl echter „global player“ auch einschlägigen Ethikprüfungen unterzieht – ein Hinweis darauf, dass auch Großkonzerne den Gedanken ethisch-nachhaltigen Investments und den dahinter stehenden AnlegerInnen-Markt durchaus ernst zu nehmen beginnen. Dennoch: Unter den gesamten im deutschsprachigen Raum veranlagten Kapitalvolumina machen die an ethischen Kriterien orientierten noch kaum mehr als zwei Prozent aus – allerdings bei enormen Zuwächsen in den vergangenen Jahren. Gerade die jüngste Finanzmarktkrise hat die Nachfrage kräftig angekurbelt.
Würde der Gedanke ethisch-nachhaltigen Investments eine entsprechende Breitenwirkung finden, würde sich mittel- bis langfristig der oft dämonisierte Shareholder-Value als dominierende, wirtschaftspolitische Richtlinie nicht mehr wie bisher ausschließlich an herkömmlichen ökonomischen Entwicklungsdaten und Profitkennzahlen messen, sondern als Bündel von Werten darstellen, in dem die optimale Abstimmung von ökonomischer und ethisch-politischer „Rendite“ den Ausschlag gibt – im Finanzkapitalismus das Mittel mit der größten Hebelwirkung zur Durchsetzung ethischer Werte in Wirtschaft und Politik.
Doch welche Möglichkeiten gibt es bei ethisch-nachhaltigen Investmentprodukten? Öko- bzw. Fördersparbücher sind einfache Sparbücher, wahlweise mit freiwilligem Zinsverzicht zugunsten eines Fonds zur Finanzierung bzw. Förderung ökologischer bzw. sozialer Projekte, deren Spareinlagen ausschließlich der Kreditvergabe an bestimmten Ethik-Kriterien verpflichteten Unternehmen und Projekte zufließen. Bei diesen Produkten zeigt sich der Markt v.a. in Österreich noch unterentwickelt.
Ethik-Lebensversicherungen arbeiten nach dem Prinzip (ausschließlich) an kontrollierte Ethik-Fonds gebundener Polizzen. Ethik-Investmentfonds enthalten nur Wertpapiere, deren Auswahl an genau definierte Ethik-Kriterien gebunden ist. Hier gibt es reine Aktien- bzw. Rentenfonds sowie gemischte Fonds. Öko- bzw. Sozialanleihen sind Forderungswertpapiere, mit denen Großschuldner wie die öffentliche Hand, Banken oder Großunternehmen an genau definierte ökologische oder sozialpolitische Zwecke gebundene Darlehen aufnehmen. Weiters gibt es die Möglichkeit einer Direktbeteiligung an ethisch förderungswürdigen Unternehmen bzw. Projekten, wie z. B. Windenergie-Parks, oder auch an anderen Unternehmen, um die Unternehmenspolitik auf Basis der Aktionärsrechte zu beeinflussen. Beteiligungen an Mikrofinanz-Agenturen stellen eine Unterstützung eines 2006 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Instruments der Armutsbekämpfung dar: Sie geben Kleinkredite an nicht als „bankfähig“ geltende, also weitgehend mittellose, aber zur wirtschaftlichen Selbsthilfe fähige Menschen.
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