Die braunen Schachteln mit der Aufschrift „White Moon“ stecken hinter den getrockneten Fischen und den abgepackten Hülsenfrüchten. Dazwischen liegt „Teint éclaire“ – Made in France – und verspricht ebenfalls eine hellere Haut bei regelmäßiger Anwendung, am besten zweimal täglich. Auf der weißen Packung von „Skin Light“ glitzern goldene Sternchen und eine Elisabeth-Taylor-Schönheit zeigt einen makellos weißen Rücken. Das Design könnte aus den 1960er Jahren stammen und die Packung fällt fast auseinander, aber das Ablaufdatum sagt merkwürdigerweise noch einige Jahre Wirksamkeit voraus. Daneben leuchtet auf einer giftgrünen Papp-Hülle eine quietschgelbe, augenzwinkernde Zitrone. Sie lässt ahnen, was mit der Haut bei Auftragen dieser Paste geschieht: „Lemovate“ zählt zu den aggressiven hautaufhellenden Cremes und ist bei den afrikanischen Kundinnen beliebt. Die Packungsbeilage sagt nichts über Inhaltsstoffe und Nebenwirkungen, versichert aber den gewünschten Effekt: Weniger schwarze Pigmentierung. Auch Cremes mit dem schädlichen, in Südafrika verbotenen Inhaltsstoff Hydroquinon werden an den Ständen angeboten. Der illegale Markt mit geschmuggelten Produkten aus Afrika und Indien blüht.
„Ich mag meine dunkle Haut“, sagt Elizabeth Nimo und streicht sanft mit der Hand über ihr Gesicht. Sie stammt aus Ghana und verkauft eine große Auswahl aufhellender Hautcremes für 15 Rand (knapp zwei Euro) auf dem Markt im lebhaften Viertel Yeoville in Johannesburg. Ihre Produkte bezieht sie von westafrikanischen HändlerInnen in der Stadt. Ihre Kundinnen sind Südafrikanerinnen und afrikanische Einwanderinnen, die häufig ohne Papiere in Yeoville leben. Nimos kongolesische Kollegin am Nachbarstand verkauft die gleichen Cremes und zeigt stolz die Ergebnisse nach der Anwendung: „Schau hier, meine Arme sind heller und das Gesicht auch.“ Es hat eine fahl-braune Farbe. Einmal täglich trägt sie die Creme auf. Genau wie Susan Mogashoa, die 47-jährige Südafrikanerin, die seit Jahren Gesicht und Hals mit dem Produkt „Movate“ einreibt. Eine Tube verbraucht sie im Monat. „Dann sehe ich einfach schöner aus“, meint sie. Susan glaubt, die Salbe schütze auch vor zu starker Sonneneinstrahlung und damit dunkler werdender Haut. Die teuren Sonnencremes kann sie sich nicht leisten. Viele Frauen auf dem Markt möchten jedoch nicht über Hautaufheller sprechen, das Thema ist ihnen unangenehm.
Das Geschäft mit der Hautfarbe ist auch in Johannesburgs reicheren Vororten profitabel. In den Salons und Geschäften liegen dort legale, harmlosere Produkte zur Aufhellung in den Regalen. In der gängigen Drogerie-Kette „Clicks“ werden nur vier Cremes angeboten, die billigsten kosten umgerechnet zehn Euro. Schwarze Kundinnen, aber auch weiße Frauen mit Pigment-Störungen schwören auf den Effekt dieser Angebote. In Schönheitssalons müssen Käuferinnen tiefer in den Geldbeutel greifen.
Salben mit dem hautschädigenden Wirkstoff Hydroquinon waren bis in die 1980er Jahre frei verkäuflich in Südafrika, sagt Dermatologe Robert Weiss. Verwendet werden sie auch von Weißen, um Sommersprossen oder dunkle Hautflecken zum Verschwinden zu bringen. Die Hautschäden sind heute bei vielen älteren, meist schwarzen Frauen sichtbar: Große, tiefschwarze Flecken auf den Wangenknochen und unter den Augen. Wie verbrannt sehen die geschädigten Hautstellen aus. Andere der auf dem Markt, in den Townships und in den Straßen der Johannesburger Innenstadt angebotenen Cremes enthalten Kortison und sind ebenso schädlich. „Sie wurden bestimmt aus Krankenhäusern und Praxen gestohlen, denn sie sind für die medizinische Behandlung von Ekzemen gedacht, nicht zur dauerhaften Anwendung“, lautet die Erklärung des Arztes. „Diese Cremes schränken das Zusammenziehen der Blutgefäße ein und unterdrücken Pigmentierung, dünnen die Haut aber langfristig aus.“ Unwissenheit bei den Käuferinnen spielt sicher eine Rolle, oder einfach der Wunsch, das Aussehen zu verändern und sich „hübscher“ zu fühlen. „Doch die große Epidemie der 1960er und 1970er Jahre ist abgeklungen und es gibt immer mehr Frauen, die ihre Haut auch dunkel mögen“, sagt der Arzt.
„Die Helligkeit der Haut hat immer eine Rolle gespielt“, sagt Rehana Vally, Anthropologin an der Witwatersrand Universität in Johannesburg. Die Inderin forscht seit vier Jahren über die Frage nach dem Schönheitsideal und den Faktoren, die es beeinflussen und verändern. „Der Farbton der Haut gab schon im prähistorischen Indien Aufschluss über die Herkunft. Er zeigt an, ob jemand aus dem Süden oder Norden des Landes kommt.“ Doch die Beziehung von Hautfarbe und Schönheitsideal ist komplexer. „Die dominante, weiße Bevölkerung bestimmt in der Regel, was schön ist – genauer gesagt, diejenigen, die Macht in den Händen halten.“ Demnach hat das südafrikanische Apartheid-Regime einer weißen, mächtigen Minderheit die kollektive Psyche beeinflusst. Das betrifft nicht nur AfrikanerInnen, sondern auch andere Bevölkerungsgruppen wie die InderInnen oder die „Coloureds“ – vom Apartheidssystem als solche eingestufte Farbigen. „Im Unterbewusstsein spielt das sicherlich noch eine Rolle, wenn auch nicht mehr so stark“, gibt die Anthropologin zu bedenken.
Den schwarzen Migrantinnen in Südafrika, die zu bleichenden Cremes greifen, geht es laut Vally jedoch weniger um Schönheit. Ein hellerer Hautton lässt ihnen das tägliche Leben in einem Land mit starker Ausländerfeindlichkeit gegenüber afrikanischen EinwanderInnen leichter erscheinen. „Etwas heller zu sein, gibt ihnen ein besseres Dazugehörigkeitsgefühl“, glaubt Vally. Und die ständige Angst sinkt, als „illegal alien“ – als illegale Fremde – verhaftet zu werden.
Die Gründe, Hautaufheller zu benutzen, mögen vielfältig sein, doch ist es die westliche Welt, die in den Medien Mode und Aussehen diktiert. Eine der bekanntesten Model-Agenturen in Kapstadt, wo viele deutsche und englische Kataloghersteller Models für ihre dortige Produktion beauftragen, bestätigt: „Unsere Kunden bevorzugen etwas hellere Haut, eher europäische Gesichtszüge und große, schlanke Frauen, die in entsprechende Kleidergrößen passen“, sagt Vicky Cursham von der Agentur Storm.
Aber es bilden sich auch eigene Trends in den Städten heraus, vorausgesetzt frau kann es sich leisten. In Einkaufszonen oder auf Dinnerparties fallen besonders gestylte schwarze Frauen auf, die sich gern „in Schale“ schmeißen. Künstliche Haarteile mit roten und blonden Strähnchen, falsche Fingernägel, Make-Up und modische Kleider gehören zum Outfit. Die Körper werden in den zahlreichen „Gyms“ auf Schlankheit getrimmt, Frauen und Männer um die Wette. In Johannesburg vermittelt die Agentur Storm für lokale Fernsehreklamen und Werbeanzeigen auch Models mit dunkler Haut und einem mehr afrikanischen Äußeren. „Proud to be black“ ist ein Slogan, der dieses Selbstbewusstein umschreibt. „Dieser Ausdruck darf aber nicht nur auf die Hautfarbe bezogen werden. Es geht um Selbstakzeptanz und Würde“, sagt Vally. Diese Trends werden von den jüngeren, unabhängigeren Frauen in den Städten gelebt, die sich das finanziell erlauben können. „Die Schönheitskriterien drücken Erfolg aus und damit Klassenzugehörigkeit“, meint Vally. Aufhellende Hautcremes sind offiziell in der aufstrebenden schwarzen Mittelklasse kein Thema. „Die Cremes gelten eher als verpönt, doch wie es in der Praxis aussieht, bleibt ein Geheimnis“, so die Forscherin. Würde die schwarze Kundin nicht reagieren, gäbe es keinen Markt für die oft westlichen Produkthersteller.
Schwarze Frauen, die ihre Haut ein paar Töne heller mögen, und Weiße, die leicht sonnengebräunte Haut schick finden, haben eines gemeinsam: „Sie folgen einem von der Gesellschaft konstruierten Gedanken, wie sie aussehen sollen“, befindet Vally. „Die weißen Frauen, die hier in Südafrika und in Europa vor Jahrzehnten bedenkenlos in der Sonne lagen, bekamen vorzeitig Falten, Problemhaut und Krebs.“ Und doch wird blasse Haut immer noch mit Krankheit in Verbindung gebracht, während ein bronzener Hautton mit Erfolg, Spaß, Freizeit und Gesundheit assoziiert wird.
Elizabeth Nimo, die Verkäuferin in Yeoville, hat kein Geld für teure Modetrends. Sie kommt aus einer armen Familie im ghanaischen Tema. Südafrika sollte nur eine Durchgangsstation sein. „Ich brauchte Papiere, denn mein Ehemann ist bereits in London und ich sollte hinterher reisen.“ Doch die Kongolesen aus einem der vielen Syndikate, die ihr gefälschte Dokumente verschaffen sollten, sind mit Elizabeths Gespartem verschwunden. Jetzt sitzt sie in Johannesburg fest, ihre Kinder sind bei den Großeltern in Ghana. Sie muss ihr einfaches Zimmer mit 550 Rand (68 Euro) im Monat bezahlen. „Mit den Hautcremes mache ich nicht viel Geld. Aber immerhin, sie sind begehrt“, sagt sie lächelnd. Und sie hofft, eines Tages „irgendwie“ nach Europa reisen zu können“.