Bei den achten Parlamentswahlen in Bangladesch am 1. Oktober standen nur zwei Parteien, die Bangladesh Nationalist Party und die derzeit regierende Awami League, zur Auswahl. Die Feindschaft der beiden Parteichefinnen bestimmte auch den Wahlkampf.
Während Dhaka nach aktuellen Schätzungen drei bis vier Millionen Menschen beherbergt, die in armseligen Baracken ohne regelmäßige Wasserversorgung, sanitäre Einrichtungen oder Elektrizität hausen, geht es einem kleinen Teil so gut, dass sie ihre Zeit mit shopping auf den Flaniermeilen der Metropole verbringen können. Die Einkommensschere geht immer weiter auseinander, meint der bekannte Journalist Ahmed Fazl, Korrespondent der Deutschen Presse Agentur. Während noch 1995 die ärmsten fünf Prozent der Bevölkerung gut ein Prozent des Bruttosozialproduktes erwirtschafteten und die reichsten fünf Prozent fast 19 Prozent, haben sich nach neuesten Untersuchungen die Relationen nochmals erheblich verschoben. So liegt nunmehr der BSP-Anteil der ärmsten fünf Prozent bei unter 0,9 Prozent, während der der oberen fünf Prozent auf knapp 24 Prozent gewachsen ist.
An diesen Disparitäten haben auch Begum Khaleda Zia und Sheikh Hasina kaum etwas verändert. Die beiden Damen, die während der letzten zehn Jahre abwechselnd die Regierungsverantwortung im 130-Millionen-Staat trugen, haben sich mit ihren Parteien Bangladesh Nationalist Party (BNP) und Awami League (AL) im Rücken auf die Austragung ganz persönlicher Machtkämpfe konzentriert und damit auch einen Großteil der Bevölkerung in zwei verfeindete Lager gespalten.
Begum Khaleda Zia, Witwe des 1981 ermordeten Ex-Premiers General Zia ur-Rahman, und Sheikh Hasina, Tochter des Staatsgründer Mujibur Rahman, gönnen sich gegenseitig nicht die Butter auf dem Brot. Ihre persönlichen Fehden führen immer wieder zu erbitterten militanten Auseinandersetzungen besonders im Wahlkampf.
Seit die Parlamentswahlen vom 1. Oktober feststanden, sind die Kämpfe eskaliert. In den vergangenen sechs Wochen starben mindestens 36 Menschen bei Straßenschlachten, die zum Teil mit Schusswaffen und selbstgebauten Sprengsätzen ausgetragen wurden.
Ideologisch hingegen gibt es nicht viel, was die beiden wichtigsten Parteien und ihre Führerinnen voneinander trennt. Für die meisten Beobachter existieren politische Unterschiede nur insoweit, als dass sich Khaledas BNP stärker auf die Seite islamistischer Parteien wie der Islami Oikya Jote (IOJ) und der Jamaat-e-Islami schlägt, mit denen sie in einer Vier-Parteien-Allianz in den Wahlkampf gezogen ist.
Insbesondere die Jamaat-Partei, die sich für einen an der Sharia ausgerichteten Staat einsetzt, hat sich mittlerweile auf der politischen Bühne etabliert und ist zur dritten politischen Kraft im Land geworden. Trotzdem ist nicht zu befürchten, dass eine nach wie vor eher tolerante, dem Islam gegenüber durchaus verpflichtete Gesellschaft zukünftig stark islamistisch geprägt werden könnte.
Das Land hat nicht zuletzt durch diese ständigen Querelen sein schlechtes Image, glaubt Ahmed Fazl. Dabei habe es eigentlich ein sehr großes Potenzial, es müsse nur richtig genutzt werden. Viele Politikerinnen und Politiker würden immer wieder die koloniale Vergangenheit für aktuelle Probleme verantwortlich machen. Sicherlich spiele die immer noch eine gewissse Rolle. Aber immer nur die Vergangenheit als Erklärungsmuster zu bemühen, damit sei er nicht einverstanden, so der Journalist.
Das Erbe unterschiedlicher kolonialer Zwangsherrschaft machte die Unabhängigkeit für den ausgebluteten Staat zu einem Schritt in eine ökonomisch höchst ungewisse Zukunft. Nachdem die Engländer den Subkontinent in die Unabhängigkeit entlassen hatten und Ostbengalen als East-Pakistan 1947 Teil des neuen Staates Pakistan wurde, begann eine neue Ausbeutungsphase. Mit indischer Unterstützung und nach einem erbitterten und blutigen Kampf, der schätzungsweise drei Millionen Menschenleben forderte, wurde im Dezember 1971 die Loslösung von Pakistan und die Etablierung des Staates Bangladesch erreicht. Nach der ersten Euphorie dauerte es nicht lange, bis die Menschen begriffen, dass auch die eigenen Machthaber Ausbeuter waren, ob sie nun Mujibur Rahman, Zia ur-Rahman oder Muhammad Ershad hießen.
Im Februar 1991 sollte ein Neuanfang gemacht werden, nachdem durch eine gemeinsam von BNP und AL getragene Volksbewegung der damalige Diktator Ershad aus dem Amt gejagt und ihm anschließend der Prozess gemacht wurde. Aber derlei Hoffnungen wurden schon bald getrübt. Begonnen hatte es mit der Regierung von Khaleda Zia, der nach dem Wahlsieg von 1991 viel Wohlwollen im In- und Ausland entgegengebracht wurde, die dann aber mit autoritärem Führungsstil eine politische und administrative Hölle schuf, wie Mitte der 90er Jahre das Wochenmagazin Dhaka Courier schrieb. Für Khaleda und die BNP gilt Demokratie nur auf dem Papier, tönte damals die Oppositionsführerin Sheikh Hasina, die dann 1996 die Wahlen gewann. Später warf ihr ihre Gegenspielerin, die frühere Premierministerin, die dann mit ihrer Partei die Opposition anführte, Ähnliches vor.
Ob die jetzt auslaufende Legislaturperiode unter Regierungschefin Sheikh Hasina erfolgreicher war als die ihrer Vorgängerin, darüber wird in den unterschiedlichen politischen Lagern heftig gestritten. Sicherlich ist die wirtschaftliche Liberalisierung und Entwicklung des Landes vorangetrieben worden. Profitiert haben allerdings nur wenige dem Großteil der Bevölkerung bleibt es nach wie vor versagt, ein Leben in Würde zu führen.
Wer ganz besonders von der Regierungszeit der Awami League profitiert haben soll, weiß indes die Wochenzeitung Holiday, die als Gewinner vor allem die Politiker der Regierungspartei auf Distriktebene ausmacht. Die hätten sich während der letzten Jahre die Taschen mit Geld voll gestopft, meint die Zeitung in einem sarkastischen Kommentar in ihrer August-Ausgabe und spielt damit auf die weit verbreitete Korruption im Land an.
Außenpolitisch hat die Regierung Hasina durchaus Erfolge vorzuweisen. Obwohl es noch kürzlich zu Grenzstreitigkeiten mit dem großen Nachbarn Indien gekommen ist, haben sich die Beziehungen zwischen den beiden Ländern seit 1996 deutlich verbessert. Dazu beigetragen haben das Farakka-Abkommen vom Dezember 1996, das die gerechte Verteilung des Ganges-Wassers auf die beiden Staaten regelt, sowie ein Abkommen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Dagegen haben sich die Beziehungen zu Pakistan verschlechtert, seit Sheikh Hasina anlässlich einer Rede vor den Vereinten Nationen das ehemalige Mutterland scharf attackierte.
Es wird Zeit, dass man in Bangladesch wieder von einem parlamentarischen System sprechen kann. Davon konnte seit 1999 keine Rede mehr sein, weil von wenigen Ausnahmen abgesehen – die Sitzungen des Parlaments von der BNP-Opposition boykottiert wurden.
Am 15. Juli ist die amtierende Regierung von Sheikh Hasina, wie in der Verfassung vorgeschrieben, zurückgetreten. Um Manipulationen durch die Regierungspartei vorzubeugen, wird die Macht während des Wahlkampfs einer Übergangsregierung (Non-Party Caretaker Government) übergeben. Unter dem Vorsitz von Latifur Rahman, einem ehemaligen Richter des Obersten Gerichtshofes, sollte sie freie Wahlen ohne Einschüchterung garantieren. Wahrlich keine einfache Aufgabe.
Im Wahlkampf hat die Polizei mehr als 2500 Schusswaffen beschlagnahmt. Ende August beschloss die Wahlkommision, am 1. Oktober neben der Polizei auch 50.000 Soldaten vor den Wahllokalen zu stationieren.
Walter Keller ist freier Journalist und Gutachter und lebt in Dortmund. Er beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren mit der Region Südasien und hat viele Jahre in Indien und Sri Lanka gelebt und gearbeitet.
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