Der Kultur- und Sozialanthropologe Gerald Hainzl ist Experte für Friedenssicherung und Konfliktmanagement mit Schwerpunkt Afrika. Er erwartet keine Wunder vom geplanten militärischen Großeinsatz in Darfur, sieht aber Chancen, mehr Stabilität zu schaffen.
Ein Gespräch mit Südwind-Mitarbeiterin
Martina Kopf.
Südwind: Wie beurteilen Sie AMIS, die Friedensmission der Afrikanischen Union (AU) in Darfur? Was hat sie erreicht, woran ist sie gescheitert?
Gerald Hainzl: Der Einsatz der AU wird oft, wenn nicht als gescheitert, so doch als eher erfolglos dargestellt. Tatsächlich konnte die AU in Darfur viele der Erwartungen, die von der Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft in sie gesetzt wurden, nicht oder nur zum Teil erfüllen. Ein wesentlicher Grund dafür liegt sicherlich im Mandat, das die Möglichkeiten von AMIS begrenzt hat, aber nur so konnte damals die Zustimmung von Sudan erreicht werden. Die relativ geringe Anzahl der eingesetzten Soldaten sowie deren mangelhafte Ausrüstung waren auch Teil des Problems. Trotzdem ist und war AMIS ein Zeichen der AU, dass Afrika Darfur nicht vergessen hat, und für einen Teil der Bevölkerung Darfurs hat dieser Einsatz sehr wahrscheinlich ein stabileres Umfeld gebracht.
Geplant ist nun ein „hybrider Einsatz“ von AU und UNO, die UNO spricht von einem „einzigartigen Modell“ für Partnerschaft bei der Friedenssicherung. Wie schätzen Sie die Chancen und das Funktionieren dieser Partnerschaft ein?
So genannte hybride Missionen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit das Modell des internationalen Krisenmanagements in Afrika in den kommenden ein, zwei Jahrzehnten. Diese Partnerschaften sind ja nicht grundsätzlich neu, sondern haben sich in den letzten Jahren entwickelt und als praktikabel erwiesen. Schon an AMIS hat sich unter anderen die EU im Wege der Peace Facility for Africa beteiligt, die 2004 zur Unterstützung von AU-Friedensmissionen gegründet wurde und aus dem 9. European Development Fund (EDF) finanziert wird. Auch haben nicht-afrikanische Akteure logistische Aufgaben wie Transport übernommen.
Innerhalb dieser Partnerschaft wird es, wie wahrscheinlich in jeder, zu Irritationen kommen. Allerdings sollte das nicht überbewertet werden. Für die AU als Institution bedeutet das auch eine große Chance in Form von institutionellem Wissenstransfer der UNO an die AU.
Wie sehr ist dieses Modell aus der Not geboren, dass Khartum eine UNO-Intervention blockiert hat?
Ich glaube nicht, dass es nur deshalb implementiert wurde. Für die Regierung ist jede Form von externer Intervention unangenehm, da sie damit ja eingestehen muss, keine für Darfur akzeptable Lösung finden zu können.
Die EU will eigene Truppen nach Tschad schicken. Warum der Alleingang?
Ich sehe eine mögliche Entsendung von EU-Truppen in den Tschad nicht als Alleingang, sondern als Teil des Konzeptes für die Region. Außerdem hat auch der UNO-Sicherheitsrat einen derartigen Einsatz positiv bewertet. Darfur ist ja nicht isoliert zu sehen. Aufgrund der komplexen Situation ethnischer Identitäten werden auch angrenzende Regionen destabilisiert. Daher kann die EU in diesem Sinn einen sehr wertvollen Beitrag zur Stabilität leisten. Das primäre Ziel ist aber die Schaffung eines humanitären Korridors, um die Flüchtlinge in der Region versorgen zu können.
Ist ein Militäreinsatz von außen das geeignete Mittel, Stabilität zu schaffen?
Wunder dürfen von einem militärischen Einsatz nicht erwartet werden, aber es kann zumindest eine Form von Stabilität erreicht werden, die dabei helfen wird, die Zahl der Opfer und Flüchtlinge drastisch zu reduzieren und humanitären Organisationen den Zugang zu Flüchtlingen ermöglicht. Darüber hinaus zeigt die starke internationale Präsenz auch, dass der Blick auf die Region gerichtet ist, womit ein gewisser Druck ausgeübt wird, ernsthafte Friedensverhandlungen zu führen.
Wie schätzen Sie den Willen der Regierung in Khartum und der Rebellen in Darfur ein, den Konflikt zu beenden?
Die Rebellen in Darfur sind keine besonders stabile Gruppe, sondern sehr heterogen. Ich würde sagen, dass darin auch die großen Schwierigkeiten liegen. Selbst wenn sie sich auf gemeinsame Positionen einigen können, bedeutet das noch nicht, dass ein allfälliges Friedensabkommen auch von allen mitgetragen wird. Auch 2005 wurde in Abuja, Nigeria, ein Friedensabkommen geschlossen. Allerdings hat es nur eine Gruppe unterzeichnet und für Darfur hatte das Abkommen überhaupt keine Auswirkungen. Den Konfliktparteien muss der Raum gegeben werden, um zu einem Abkommen zu gelangen, das auch halten kann. Allzu großer Druck, zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Ergebnis vorlegen zu müssen, oder nur eine gewisse Zeitspanne für Verhandlungen vorzusehen, könnte sich als kontraproduktiv herausstellen. Der Konflikt hat sich ja auch über einen längeren Zeitraum entwickelt. Das heißt nicht, dass endlos verhandelt werden sollte. Den Verhandlungsparteien sollte nur die Chance gegeben werden, sich mit den Forderungen der anderen Parteien vertraut zu machen, um zu einer von allen akzeptierten Lösung zu finden.
Journalisten und JournalistInnen in Khartum kritisieren, dass die ökologischen Probleme der Region im Westen zu wenig beachtet werden. Das Umweltprogramm der UNO berichtete im Juni, der Klimawandel in Norddarfur habe ein Ausmaß erreicht, das „fast alles Dagewesene übertrifft“. Umweltmanagement müsse daher Teil der Friedenskonsolidierung sein. Wird in den Friedensverhandlungen darauf eingegangen?
Ökologische Faktoren spielen natürlich im Konflikt eine große Rolle. Auseinandersetzungen um Zugang zu Land und zu Wasser haben seit Jahren zu kleineren Auseinandersetzungen geführt. Sie waren nicht unwesentlich an der Genese jener Situation beteiligt, die wir heute vorfinden. Allerdings sind sie nicht die einzigen bestimmenden Faktoren. Inwieweit in den Friedensverhandlungen darauf eingegangen werden wird, hängt davon ab, wie umfassend die einzelnen Probleme bearbeitet werden. In jedem Fall werden Fragen von Landbesitz und Wasserrechten sowie deren Verteilung diskutiert werden müssen, wenn eine nachhaltige Beendigung gewaltsamer Konflikte in der Region erreicht werden soll.
Gerald Hainzl ist Mitarbeiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie in Wien und hält am Wiener Institut für Kultur- und Sozialanthropologie Einführungsvorlesungen in die ethnologisc