Corporate Social Responsibility ist ein freiwilliges Managmentkonzept der Wirtschaft zur Implementierung der nachhaltigen Entwicklung in ihrer ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension“, stellt die von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer gepushte Initiative CSR-Austria als ein Grundprinzip auf. Die gesellschaftliche Verantwortung, so wie sie die Unternehmerverbände sehen, gilt als „Basis für wirtschaftlichen Erfolg“, von der alle Beteiligten profitieren würden. Hans Sallmutter, Vorsitzender der österreichischen Gewerkschaft der Privatangestellten, versteht unter dieser Verantwortung „konkrete, gesetzlich nachprüfbare, verbindliche Normen, die die bestehenden Vorschriften zum Schutz der ArbeitnehmerInnen bestenfalls ergänzen können“. Im Spannungsfeld zwischen diesen beiden Positionen bewegt sich die Diskussion um die Frage nach der Ernst- und Sinnhaftigkeit von CSR.
In Zeiten der Globalisierung, des totalen Weltmarktes, ist die enorme, nicht nur ökonomische, sondern auch politische Macht der großen Wirtschaftsunternehmen stärker denn je. Und die zahlreichen, schwer wiegenden Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in den Produktionsstätten der Konzerne sind ausführlich dokumentiert.
Durch die Welthandelsorganisation WTO und bilaterale Handelsabkommen werden die Rechte der Unternehmen immer mehr geschützt, während die Arbeitsrechte zunehmend aufgeweicht werden. Leidtragende dieser Entwicklung sind die sozial Schwächeren und die Frauen in den Ländern des Südens, aber auch bei uns.
Es ist kein Zufall, dass sich der Trend zur sozialen Verantwortung der Unternehmen gerade zu einer Zeit verstärkte, als durch ökologische und soziale Skandale – bis hin zu kriminellen Machenschaften – das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wirtschaft zu schwinden begann. WirtschaftsvertreterInnen geben auch ganz unumwunden zu, wie wichtig dieses Vertrauen für den Geschäftserfolg ist. Peter Mitterbauer, Präsident der Österreichischen Industriellenvereinigung: „Ohne Vertrauensbasis zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, zwischen Unternehmen und Bürgern, können wir den notwendigen wirtschaftlichen Aufschwung nicht bewerkstelligen.“ CSR als Mittel zur Wiedergewinnung des verlorenen Vertrauens?
Der Hauptstreitpunkt zwischen den Unternehmen und ihren Interessenvertretungen auf der einen und zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gewerkschaften auf der anderen Seite ist die Frage der Umsetzung und Überprüfbarkeit der sozialen Verantwortung. Während erstere großen Wert auf die Freiwilligkeit ihrer entsprechenden Verpflichtungen legen und sie – zumindest auch – als „Managment-Tool“ für wirtschaftlichen Erfolg betrachten, fordern die anderen, dass die Wirtschaft ihre ökologische, soziale und menschenrechtliche Verantwortung unabhängig von der Wettbewerbsposition respektieren und die Umsetzung von unabhängigen Instanzen überprüfen lassen müsse.
Ein von der Arbeiterkammer, dem Gewerkschaftsbund und zahlreichen entwicklungspolitischen und ökologischen Organisationen sowie Amnesty International ausgearbeitetes Papier über die soziale Verantwortung von Unternehmen erkennt zwar gegenwärtig die Freiwilligkeit der entsprechenden Selbstverpflichtungen an, fordert jedoch eine unabhängige Kontrolle und mittelfristig gesetzliche Regelungen.
Auch bezüglich des Ausmaßes der Verantwortung gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer haben in ihrem CSR-Leitbild zur globalen Dimension der sozialen Unternehmensverantwortung einen einzigen, obendrein verschwommenen und unverbindlichen Passus aufgenommen: „die Situation in anderen Ländern verbessern helfen und an die Umwelt und Zukunft denken“.
Die zivilgesellschaftlichen Organisationen fordern hingegen, die soziale Mitverantwortung auf die gesamte Wertschöpfungskette auszuweiten. Das bedeutet, dass das österreichische Unternehmen XY oder der hier ansässige Tochterbetrieb eines Weltkonzerns auch für die Arbeits- und Produktionsbedingungen seiner Zulieferbetriebe in Vietnam, Honduras oder Bulgarien verantwortlich ist. Auch hier ein ziemliches Auseinanderklaffen der verschiedenen Positionen.
Die „Unternehmensphilosophie“ der sozialen Verantwortung steht in einem direkten Zusammenhang mit dem Konzept der Nachhaltigkeit, wie es die große UN-Konferenz von Rio de Janeiro 1992 ausgearbeitet hat. Doch hier zeigt sich eine verhängnisvolle Schizophrenie: Die selben Regierungen, die sich gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung und auf internationalen Konferenzen immer wieder zum Rio-Leitbild nachhaltiger Entwicklung bekennen, fördern gleichzeitig die totale Marktsteuerung und Deregulierung der Wirtschaft bis hinein in breite Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Auch die Europäische Union treibt diese Politik tatkräftig voran. Die EU hat sich das Ziel gesetzt, ihren Wirtschaftsraum zur „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Ökonomie der Welt“ zu machen. Doch das Freihandelsparadigma, das die ganze Welt zur Ware macht, verletzt das Grundrecht auf die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und führt weltweit auch zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Menschenrechtssituation.
Ein jüngst von der britischen Hilfsorganisation Oxfam veröffentlichter Bericht („Unsere Rechte im Ausverkauf – Frauenarbeit in globalen Lieferketten von Bekleidungsunternehmen und Supermärkten“) stellt fest, dass die heute vorherrschende Unternehmensstrategie für die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von Millionen von ArbeiterInnen, viele davon Frauen, auf der ganzen Welt verantwortlich ist.
Die Untersuchung in 13 Ländern und auf Basis von mehr als 1.000 Interviews ergab, dass die riesigen Konzerne der Einzelhandels- und Supermarktketten mit ihrer Geschäftspolitik die Durchsetzung genau derjenigen Arbeitsstandards hintertreiben, für die sie angeblich einstehen. Die wirkliche Macht in den Konzernen liege heute bei den Einkaufsteams und nicht in den CSR-Abteilungen.
„Die Diskrepanz zwischen den rhetorischen Bekenntnissen zu sozialer Verantwortung und der tatsächlichen Unternehmensstrategie wird immer größer. Viele Unternehmen haben „Codes of Conduct“ und verlangen von ihren Zulieferern die Einhaltung international anerkannter Arbeitsstandards. Aber ihre eigenen rücksichtlosen Einkaufs- und Zulieferpraktiken machen es oft unmöglich, dass diese Arbeitsstandards eingehalten werden können“, beklagte Jörn Kalinski von Oxfam Deutschland kürzlich bei der Präsentation des Berichts in Berlin.
Es stimmt, dass die viel gepriesene Handelsliberalisierung der letzten zwei Jahrzehnte Millionen von Arbeitsplätzen geschaffen hat – doch zu welchen Bedingungen? In den Weltmarktfabriken in den Sonderproduktionszonen, auf den Obst- und Gemüseplantagen in der so genannten Dritten Welt, in Hinterhoffabriken oder überhaupt zuhause sind es vor allem Frauen, die unter sozial und finanziell ungünstigsten Bedingungen produzieren. In Sri Lanka sind 85% der Fabriksarbeitskräfte Frauen, in Kenia 75%. 1975 gab es in 25 Ländern ungefähr 80 Freihandelszonen, 2002 waren es mehr als 3.000 in 116 Ländern. Berichte über die Arbeitsverhältnisse in diesen Betrieben schockieren immer wieder die KonsumentInnen bei uns.
Diese Unternehmensstrategie konnte sich nur mit tatkräftiger Förderung durch viele Regierungen und die großen Finanzierungsinstitutionen wie Weltbank und Weltwährungsfonds durchsetzen. Um Investoren anzuziehen und Wettbewerbsvorteile zu bieten, werden Gesetze erlassen und Handelsabkommen geschlossen, die die Grundpfeiler der neoliberalen Geschäftsethik garantieren: schnell, billig und flexibel produzieren. Die Rechte der Beschäftigten bleiben dabei auf der Strecke.
Die globalisierte Welt verlangt globale Antworten zur Bewältigung ihrer Probleme. Das dachte auch UN-Generalsekretär Kofi Annan, als er Mitte 2000 den „Global Compact“ ins Leben rief, um „die Macht des Marktes mit der Autorität der universalen Ideale zu verbinden“. Die daran teilnehmenden Unternehmen verpflichten sich mit der Unterschrift ihrer Direktoren oder Vorstandsvorsitzenden, allgemeine Grundsätze der Menschenrechte, des Umweltschutzes sowie der Arbeitsrechte in ihrer Unternehmenspolitik umzusetzen.
Die Chemie-Konzerne Bayer und BASF gehörten zu den Erstunterzeichnern des Global Compact, Aventis, British Petroleum, Daimler Chrysler, Rio Tinto, Unilever und viele andere Weltkonzerne folgten. Der österreichische Autor Klaus Werner hat in seinem „Schwarzbuch Markenfirmen“ die nicht nur unsozialen, sondern teilweise auch kriminellen Machenschaften genau dieser Konzerne minutiös unter die Lupe genommen und angeprangert. Kein einziger klagte, was wohl für die Seriosität der Untersuchungen spricht.
Die ersten großen Debatten standen in einem engen Zusammenhang mit der ab Mitte der 1970er Jahre von den Entwicklungsländern geforderten Neuen Weltwirtschaftsordnung. Es folgten im Rahmen der UNO zahlreiche Konferenzen und Verhandlungen; eine „Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten“ wurde entworfen, in der auch ein Verhaltenskodex für Transnationale Unternehmen vorgesehen war. Die Diskussion war wesentlich von der Polarität der Interessen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern geprägt. In New York wurde ein UN-Zentrum für Transnationale Unternehmen (CTC) gegründet; in Wien wurde, ebenfalls im Rahmen der UNO, jahrelang an einem verbindlichen Verhaltenskodex für Multis gefeilt. Die Wiener Verhandlungen wurden ergebnislos abgebrochen, und 1990 löste der damalige UN-Generalsekretär Boutros-Ghali auf Druck der Internationalen Handelskammer und der USA das CTC in New York wieder auf. Zehn Jahre später rief sein Nachfolger Kofi Annan den Global Compact ins Leben, der auf dem Prinzip völliger Freiwilligkeit aufgebaut ist. Eine unabhängige Überprüfung der von den Konzernen gelieferten Erfolgsmeldungen ist nicht vorgesehen. CSR very light …
Karl Kraus meinte, dass Ethik und Wirtschaft unmöglich miteinander verbunden werden könnten: man muss sich für das eine oder das andere entscheiden, war die Ansicht des großen österreichischen Satirikers. So radikal wollen wir es nicht betrachten. Gerade auf der Ebene von kleinen und mittleren Unternehmen gibt es genügend Beispiele von ernsthaft wahrgenommener sozialer Verantwortung, was den Umgang mit den eigenen Beschäftigten, die arbeitsrechtlichen Standards in der Produktionskette, das Umweltbewusstsein betrifft. Diese löblichen Beispiele ändern jedoch nichts an den Rahmenbedingungen, unter denen in Zeiten der Globalisierung weltweit produziert wird.
In diesen von der neoliberalen Unternehmensstrategie diktierten Rahmenbedingungen liegt auch die entwicklungspolitische Dimension der sozialen Verantwortung. Wenn die ArbeiterInnen in den Weltmarktfabriken ihre physische und psychische Gesundheit ruinieren, wenn der ausbezahlte Mindestlohn für das Auskommen der Familie bei weitem nicht ausreicht, wenn immer mehr Menschen mit kurzfristigen oder überhaupt keinen Arbeitsverträgen angestellt werden und Millionen in Heimarbeit, am letzten Ende der Ausbeutungskette schuften, dann ist keine Entwicklung möglich. Und so lange etwa die EU mit ihrer Entwicklungszusammenarbeit die weltweite Armut bekämpfen will und gleichzeitig alles unternimmt, um den Konzernen ihrer Mitgliedsländer die Märkte der ärmeren Länder zu öffnen, wird ein Erreichen der viel zitierten Millenniumsziele nicht möglich sein. Entwicklung braucht ein bestimmtes Maß an Gerechtigkeit (oder Fairness, wie man heute lieber sagt), an Ethik, an Transparenz und Kontrolle in den wirtschaftlichen Kreisläufen – womit wir wieder beim Thema der Neuen Weltwirtschaftsordnung der 1970er Jahre wären.
Die Liberalisierung des Marktes diene letztlich dem Wohle aller, behaupten seine Verteidiger immer wieder. Die Praxis zeigt jedoch, dass es sich dabei um eine Entfesselung der Marktkräfte handelt, die ethisch-politische Organisationsprinzipien des Wirtschaftens völlig ausblendet.
So ist denn auch ein Argument gegen eine – die ganze Wertschöpfungskette umfassende – soziale Verantwortung von Unternehmen das der Kosten. Die Sachzwänge der Marktgesetze seien heutzutage derart hart, heißt es dann, dass andere Gesichtspunkte als Kosten und Preise außer acht gelassen werden müssten.
Die Herrschaft dieser Sachzwänge ist jedoch kein Naturgesetz. Allem Anschein nach ist aber die Politik unfähig oder unwillens, dieses absolute Primat von Marktfreiheit, Effizienz und Wirtschaftswachstum zu durchbrechen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verändern. Erst wenn diese so genannten Sachzwänge durchlöchert werden, wird sich auch auf globaler Ebene das Prinzip sozialer unternehmerischer Verantwortung durchsetzen können.
Und wenn die Politik versagt, so bleibt eigentlich nur mehr die Zivilgesellschaft mit ihrem breiten Netz von Organisationen und Initiativen einschließlich Kirchen und Gewerkschaften übrig, um diese Rahmenbedingungen zu ändern. Auf diesem Weg befinden wir uns bereits, weltweit.
Corporate Social Responsibility ja! – doch nicht als freiwillige Geste des guten Willens. Wenn es den wirtschaftlichen Interessenverbänden und deren Interessenvertretern in EU, UNO usw. ernst ist mit dieser Verantwortung, wieso wehren sie sich dann so gegen verbindliche Regeln und gegen eine unabhängige Überprüfung ihrer Umsetzung? Es sind ja gerade die nicht wenigen Beispiele, die belegen, dass das Prinzip der Freiwilligkeit nicht ausreicht, um „die Situation in anderen Ländern verbessern zu helfen“, die das Misstrauen in der Öffentlichkeit schüren. Und so verlangen immer mehr entwicklungspolitische und menschenrechtliche NGOs und Bündnisse wie Attac, Friends of the Earth, Oxfam, die Clean Clothes-Kampagne und viele andere mehr eine rechtlich bindende internationale Konvention zur Unternehmensverantwortung. In Zeiten, in denen auch die Globalisierung von unten eine noch nie gekannte Breite und Stärke erreicht hat, keine utopische Forderung mehr.