China auf allen Kanälen

Von Bettina Rühl · · 2013/09

China baut seine Medienpräsenz in Afrika weiter aus. Nach dem Fokus auf klassische Medien rückt nun Online-Programm für Handys in den Fokus.

Wer eine kenianische Zeitung aufschlägt, liest immer häufiger Meldungen einer Agentur, die in Kenia noch vor rund zehn Jahren praktisch unbekannt war: Xinhua, die staatliche chinesische Nachrichtenagentur. Für die Verantwortlichen der in Afrika etablierten westlichen Agenturen, allen voran Reuters und die französische AFP (Agence France-Presse), muss der morgendliche Blick in die lokalen Blätter wegen des Verlustes von Marktanteilen immer unerfreulicher sein. In etlichen anderen afrikanischen Ländern ist die Entwicklung ähnlich – westliche Agenturen verlieren gegenüber dem chinesischen Konkurrenten an Bedeutung.

Xinhua liefert Inhalt für das alltägliche Nachrichtengeschäft: Im Sommer drehte sich alles um die Wahlen in Mali und Simbabwe, um den Gesundheitszustand von Nelson Mandela und um Erdgasvorkommen in Mosambik.

Ob Xinhua oder der Auslandsrundfunk China Radio International: Die chinesischen Staatsmedien bauen ihr Angebot in Afrika und ihre Zusammenarbeit mit afrikanischen Medien seit einigen Jahren deutlich aus. Tausende Austausch-Stipendien für afrikanische Journalistinnen und Journalisten werden vergeben, die damit nach China reisen können. Im medialen Alltag auf dem Kontinent werden chinesische Medien immer präsenter.

Die mediale Offensive folgt der wirtschaftlichen. Verankert ist dieser Schritt in der „Go global“-Medienstrategie Chinas. Für die britische Afrikaexpertin Mary Harper ist das chinesische Medienengagement in Afrika eine logische Entwicklung: „China hat Afrikas enorme Ressourcenvielfalt entdeckt und ist sein größter Handelspartner geworden. Der Westen wurde abgelöst“, sagte Harper gegenüber der Deutschen Welle, dem Auslandsrundfunk von Deutschland. Das strebe China jetzt im afrikanischen Medienbereich an.

Dabei geht es nicht zuletzt darum, das Bild Chinas in Afrika zu verbessern. „Weil China sich aus rein wirtschaftlichem Kalkül in Afrika engagiert, erntet das Land negative Schlagzeilen aus dem Westen“, so Harper. „China will den Afrikanern seine Version der Geschichte erzählen.“ Der Fokus der Berichterstattung liegt außerdem auf Erfolgsgeschichten aus Afrika und auf der chinesisch-afrikanischen Kooperation. Über die wachsenden Spannungen im afrikanisch-chinesischen Verhältnis wird dagegen nicht berichtet.

Anfang 2012 ging der englischsprachige Afrika-Ableger des staatlichen Fernsehsenders CCTV (China Central Television) in Betrieb. Sitz von CCTV Africa ist die kenianische Hauptstadt Nairobi. Im Online-Auftritt gibt sich der Sender betont „afrikanisch“: Prominent in Szene gesetzt werden Bilder afrikanischer Natur, etwa Savannenlandschaften, die Tierwelt, die Skylines moderner Städte, sowie erfolgreiche Unternehmer, schöne Frauen und traditionelle afrikanische Kultur. Reichtum und Erfolgsgeschichten des Kontinents werden gepriesen.

Die mehr oder weniger systematische Erschließung des afrikanischen Marktes durch chinesische Medien begann 2006 mit der Entscheidung der Agentur Xinhua, ihr Regionalbüro von Paris nach Nairobi zu verlegen. Xinhua präsentiert sich als billigere Alternative zur europäischen Konkurrenz. Jenen Medienunternehmen, die nicht dafür zahlen können, überlässt die staatliche chinesische Agentur ihre Leistungen unentgeltlich. Der Preis ist sicher einer der Gründe dafür, dass sich die Meldungen von Xinhua immer mehr durchsetzen. Zudem ist Xinhua mit über 20 Büros auf dem Kontinent mittlerweile präsenter als jede andere Nachrichtenagentur, und dank des dichten Netzes oft besser informiert.

Obwohl Xinhua und die anderen chinesischen Medien in Afrika mittlerweile so wichtig sind, reden sie nur ungern über sich und ihre Arbeitsweisen. Im Umgang mit Informationen unterscheiden sie sich damit deutlich von der Konkurrenz. Keines der chinesischen Medienunternehmen mit einem Büro in Nairobi war für ein Interview mit dem Südwind-Magazin zu haben. Dabei sollten doch gerade Medienunternehmen für Kommunikation und Transparenz stehen.

Ein Mitarbeiter eines chinesischen Senders verriet der Deutschen Welle soviel: „Wir berichten nicht über Negatives.“ Der Insider, der aus Angst vor Repressionen seines Arbeitgebers anonym bleiben wollte, zu den internen Arbeitsprozessen: „Wir schreiben auf Englisch und übersetzen es dann in Swahili“, so der Gesprächspartner gegenüber der Deutschen Welle. „Aber wir senden nicht live aus Nairobi, sondern schicken alles zu unserer Zentrale in Peking. Unsere Geschichten werden dann von dort aus verbreitet.“

Dass die Sendungen von Peking zensuriert werden, sei für ihn dabei nicht leicht zu ertragen: „Als Journalist muss man auch über Dinge berichten, die nicht so gut laufen, und die Realität zeigen, wie sie wirklich ist.“ Stattdessen würden die positiven Seiten Afrikas bewusst in den Vordergrund gestellt, um sich bei den afrikanischen Medienkonsumentinnen und -konsumenten beliebt zu machen. Außerdem müssten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig nach Peking reisen, um die Arbeitsweisen der Chinesen kennen zu lernen.

Eine betont positive, unkritische Afrika-Berichterstattung lässt sich auch im Fernsehen beobachten. CCTV bietet Nachrichten, Magazine und Dokumentationen. Der chinesische Staatssender produziert zudem ein Online-TV für Handynutzerinnen und -nutzer: Die App heißt  „I Love Africa”. Laut Selbstdarstellung soll die neue Plattform Afrikanerinnen und Afrikanern die Möglichkeit geben, mehr über China und den Rest der Welt zu erfahren. Verbreitet werden Dokumentationen, Bildungsprogramme, Fernsehdramen und Filme.

Auf ein Online-TV für Handys zu setzen scheint strategisch klug: Der Großteil der afrikanischen Bevölkerung kann sich ein Fernsehgerät bis heute nicht leisten. Von Nutzen ist die teure Anschaffung in vielen Regionen außerdem nur, wenn sich der Käufer zugleich einen Generator anschafft, mit dem er selbst Strom erzeugen kann. Denn elektrischer Strom aus der Steckdose ist im ländlichen Afrika bis heute kaum verbreitet. Die vergleichsweise wenigen „klassischen“ Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer leben deshalb vor allem in Städten, und dort nur in den Vierteln der kleinen Mittelschicht. Und natürlich in den Residenzen der politischen und wirtschaftlichen Elite.

In Nairobi wohnen zwei Drittel der Bevölkerung in Slums. Die wenigen Fernsehgeräte, die man selbst in den einfachen Holz- oder Wellblechhütten findet, sind meist Jahrzehnte alt, kaputt und an kein Stromnetz angeschlossen. Liebevoll mit Spitzendeckchen dekoriert, sind sie nichts als der materialisierte Traum vom Leben in einer Mittelschichts-Modernität.

Im Printbereich investiert China zwar auch und setzt seit Dezember 2012 mit „China Daily – Africa Weekly“ auf eine neue Wochenzeitung. Aber Print-Zeitungen haben in weiten Teilen Afrikas eine sehr begrenzte Verbreitung. Ein Handy dagegen hat vermutlich die überwiegende Mehrheit der Slumbewohnerinnen und -bewohner, selbst Analphabetinnen und Analphabeten in Städten und Dörfern benutzen ein Mobiltelefon.

Seit April 2011 gibt es die erst mobile Zeitung in Subsahara-Afrika. Xinhua und der kenianische Mobilfunkanbieter Safaricom brachten sie gemeinsam auf den kenianischen Markt. Die mobilen Abonnentinnen und Abonnenten beziehen ihr mobiles Zeitungsexemplar über den Multi-Media-Service MMS.

Die Konzentration auf mobile und digitale Angebote macht in Afrika absolut Sinn: Auf dem Kontinent wurde eine Phase der infrastrukturellen Entwicklung praktisch übersprungen. Leitungen für ein Telefon-Festnetz, Straßen- und Schienen-Netz, die Versorgung mit Strom und Wasser aus der Leitung sind oft schlecht ausgebaut. Handymasten stehen dagegen selbst in entlegenen Regionen.

In Afrika leben sehr viele junge Menschen. Für sie sind Handys der Schlüssel zur Welt. Teure Smartphones sind dabei gar nicht nötig. Um die entsprechend abgespeckten mobilen Angebote in Afrika nutzen zu können, reichen einfache und sehr billige Endgeräte. Viele dieser Handys kommen aus China.

Allerdings: Trotz des großen Aufwands hat die chinesische Medienstrategie ihr Ziel bisher noch nicht erreicht. Eine Studie des South African Institute of International Affairs aus dem Jahr 2012 zeigt, dass noch kein positives Bild Chinas in Afrika vorherrscht. Im Gegenteil: Viele Afrikanerinnen und Afrikaner sehen die Rolle Chinas weiterhin kritisch, so ein Fazit der Untersuchung.

Bettina Rühl ist freiberufliche Journalistin mit dem Schwerpunkt Afrika und arbeitet für mehrere Zeitungen sowie den Hörfunk der ARD. Sie lebt in Nairobi.

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