Gegen das Vergessen, für Aufklärung, zur Selbstfindung: Rudi Lindorfer, der Buchhändler unseres Vertrauens, zur Aufgabe der Literatur – und der LeserInnen.
Hält man ein Buch in Händen, ist am Text nichts mehr manipulierbar. Jeder Satz sagt aus, greift über und im besten Fall sind wir vom Inhalt ergriffen. Erzählt ein Roman vom Geschehen auf einem südlichen Kontinent, erfahren wir, dass die so genannte fremde Welt gar keine so fremde ist. Glückseligkeit und Schrecken sind mitunter die gleichen wie unsere.
In Gaël Fayes „Kleines Land“ (Piper, München 2017, 223 Seiten, € 20,60) lässt dieser sein Alter Ego Gabriel über viele Seiten eine frohe Zeit bis zu seinem elften Geburtstag erleben. Diese beenden jäh der Bürgerkrieg in Burundi und der Beginn der Massaker in Ruanda. Zwanzig Jahre nach seiner Flucht nach Paris kehrte Faye zurück, um ein paar an ihn vererbte Kisten mit Büchern zu holen. Bücher waren es nämlich, dank denen für ihn die Welt weiter wurde und hinter denen er sich mit seinen Ängsten verkrochen hat.
Großartig ist auch Négar Djavadis Debütroman „Desorientale“ (C.H. Beck, München 2017, 400 Seiten, € 22,70). Darin erzählt sie die Geschichte ihrer Familie – Großgrundbesitzer im Iran –, vom politischen Widerstand, von der Flucht nach Frankreich und dem Leben als Frauenliebende mit Kinderwunsch in Paris. Fulminant springt sie zwischen den Erzählebenen, die vor allem in den Erinnerungen an die tragisch-komischen Erzählungen über Erlebnisse ihrer Vorfahren und ihres Vaters in Paris gipfeln.
Unsere eigene Biografie als EuropäerInnen rückt Peter Frankopan in „Licht aus dem Osten“ (Rowohlt TB, Reinbeck 2017, 941 Seiten, € 20,60) zurecht: wissenschaftlich und in einem Stil, der das Lesen dieses opulenten Werkes zum Vergnügen macht. Das britische Times Literary Supplement urteilte: „Das erhellendste Buch des Jahres … Ein gesundes Gegenmittel gegen eurozentristische Geschichtserzählungen.“ Frankopan beginnt im 6. Jahrhundert v. Chr. und endet in unserem, mit den Plänen zu neuen Seidenstraßen, den Öl- und Gaspipelines. Was wir als europäische Werte gegenüber Völkern anderer Kontinente betonen, kommt oftmals von dort, besonders aus dem Nahen Osten, denn arabische Gelehrte haben die Theorien der griechischen Philosophen in unsere Breiten gebracht. Dass die Religion, mit der wir uns gegen alle anderen abgrenzen, auch aus dieser Region gekommen ist, wird von denen, die unsere Kultur über alle anderen stellen, ignoriert.
Der Autor ist Buchhändler bei Südwind Buchwelt in Wien.
Diese Bücher und noch viele mehr sind erhältlich auf: www.suedwind-buchwelt.at
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