Bronze für Che Guevara

Von Antje Krüger · · 2006/06

In Argentinien soll Che Guevara ein Denkmal gesetzt werden. Menschen aus dem ganzen Land bringen dafür bronzehaltige Gegenstände ins Atelier des Bildhauers.

Mit einigen alten Schlüsseln in der Tasche hatte sich Pablo Suarez auf den Weg nach Buenos Aires, Argentiniens Hauptstadt, gemacht. Zwei Stunden Fahrt und drei Fahrkarten, die er sich eigentlich gar nicht leisten konnte, trennten Pablo von seinem Ziel – der Werkstatt des argentinischen Bildhauers Andrés Zerneri im Stadtteil Palermo von Buenos Aires. Aber der Weg war Ehrensache, die Schlüssel sein Geschenk an sein Idol Che Guevara. Die goldbraunen Schlüssel klirren leise, als Pablo sie in die Hände des Bildhauers legt. Einige Deka Bronze. „Das ist mein Quentchen, das ich zu dem Projekt beitragen kann“, sagt Pablo stolz, während er die Quittung über seine Spende einsteckt.
Im Sommer 2005 trat Andrés Zerneri mit einer lange in ihm schwelenden Idee an die Öffentlichkeit. „Ich möchte ein Denkmal für Che Guevara errichten. Ich bewundere seine Ethik und die Art Mensch, die er repräsentiert“, erklärt Zerneri seine Beweggründe. Für das vier Meter hohe Monument aus Bronze benötigt der 32-jährige Künstler 2.700 Kilogramm der Kupferlegierung. „Die Statue soll ein Projekt aller werden. Deshalb bitte ich um Spenden. Jeder, der seinen Teil dazu beitragen will, kann hier in die Werkstatt kommen. Die Spenden sind auch gleichzeitig eine Willensäußerung der Bevölkerung“, sagt Zerneri.
Eine lange Liste mit mehr als 1.200 Eintragungen legt Zeugnis ab von der regen Beteiligung. Schlüssel, Scharniere, Sportpokale, ein Don Quijote, Grabplatten und sogar eine von Anarchisten gebastelte Granate finden sich unter den Spenden – jede einzelne verbunden mit einer persönlichen Geschichte und einem persönlichen Spendenmotiv. Gut 60 Prozent der benötigten Bronze sind so schon zusammen gekommen. „Ich freue mich unwahrscheinlich über diese Beteiligung. Ich hatte eine Idee, aber ob sie funktionieren würde, wusste ich nicht. Es war ein Risiko, denn das ganze Projekt ist ja von der Mitwirkung der Leute abhängig“, sagt Zerneri und lächelt zufrieden.

Mit Zerneris Statue wird Che Guevara das erste Denkmal in seinem Heimatland gesetzt. Bislang gibt es nur einige Büsten des weltbekannten Revolutionärs. Che Guevara, mit bürgerlichem Namen Ernesto Rafael Guevara de la Serna, wurde am 14. Mai 1928 in der Stadt Rosario in Argentinien geboren und studierte Medizin in Buenos Aires. Auch wenn er den wichtigsten Teil seines Lebens an der Seite von Fidel Castro auf Kuba verbrachte, gehört Che Guevara zur argentinischen Nationalgeschichte wie die Leitfiguren San Martín, Perón oder Evita. Zwar wird der Guerrillero vom T-Shirt bis zur Che-Guevara-Uhr inzwischen weltweit vermarktet, ein Denkmal für ihn fehlt jedoch. Dabei ist Argentinien reich an Monumenten. Im Eifer, es Europa gleich zu tun, hat es den alten Kontinent noch übertroffen. „Denkmäler werden jedoch seit dem alten Griechenland immer im Auftrag einer regierenden Macht errichtet, die Persönlichkeiten vorschlägt, die eben mit dieser Macht verbunden sind“, erklärt Zerneri den Unterschied.
Damit das Projekt nicht manipuliert werden kann, besteht der Bildhauer auf kleinen, privaten Spenden. Er habe sogar schon Spendenangebote aus Kuba, Italien und Spanien erhalten. „Aber Bronze oder Geld von Unternehmen, Parteien oder staatlichen Institutionen nehme ich nicht an“, sagt Zerneri.
In seinem Atelier steht Che Guevara schon lange – als Modell aus Gips. Wo die vier Meter hohe wirkliche Statue einmal hin soll, ist noch unbekannt. Zerneri lässt den Ort unter den Spendern auswählen. Die meisten Chancen hat bislang Che Guevaras Geburtsstadt Rosario. Wenn die SpenderInnen entschieden haben, wird sich Zerneri mit den örtlichen Behörden ins Einvernehmen setzen.

Samstagnachmittag im überfüllten Atelier von Andrés Zerneri. Jemand sucht eine Steckdose, Scheinwerfer werden aufgestellt, eine Kamera in Position gebracht. Die Prozedur ist mittlerweile zur wöchentlichen Gewohnheit geworden. Ein junges Team von Filmemachern arbeitet eng mit dem Bildhauer zusammen. Sie dokumentieren die Geschichten der Leute, die ihre Spenden vorbeibringen, und begleiten Zerneri bei all seinen Arbeitsschritten. Sie werden dabei sein, wenn das Metall eingeschmolzen wird, werden filmen, wie das Denkmal gegossen wird. Und sie werden auf dem LKW mitfahren, der die Statue an ihren Platz kutschieren wird. „So ist das Denkmal ein Werk aller. Ich selbst als Künstler bin schon längst in den Hintergrund getreten“, sagt Andrés Zerneri, noch bevor er seine Ateliertür öffnet, um die heutigen Spender und Spenderinnen einzulassen.

Antje Krüger lebt als freie Journalistin in Berlin und besuchte kürzlich wieder Chile und Argentinien.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen