Böse sein für Dummies

Von Redaktion · · 2011/10

Georg Bauernfeind ist unser Reporter des Wahnsinns

Sich gründlich mit einem Thema beschäftigen – dieser Gefahr muss man sich heutzutage nur mehr selten aussetzen. Man surft im Internet, beginnt irgendwo etwas anzulesen, klickt einfach weiter und weil man etwas unkonzentriert ist, kommt man an dem Button „gemeinsam statt einsam“ an. Kein philosophisches Privatissimum, sondern eine Kontaktseite für Partnerschaftsanbahnungen.

Die einzige Chance, sich doch noch intensiver mit einem Thema zu beschäftigen, scheint das gute alte Buch zu sein. Vor allem wenn man eines schreibt. Gerade wenn es um moralische Fragen geht, um Gut und Böse etwa, da wird derzeit ja eifrig publiziert. Muss ja auch toll sein: Einmal so richtig in die Sandkiste zu greifen, mit Schauferl und Küberl die tollsten Gedankengebäude zu errichten. Ein Buch schreiben – die Alternative für den Mann in der Krise, der sich kein Motorrad kaufen will.

Und so traf ich unlängst einen Bekannten, der schon länger folgenden Arbeitstitel für ein Buchprojekt mit sich herumträgt: „Böse sein für Dummies“. Gedacht sei es als Umstiegshilfe für Theologen, die in die Wirtschaft wechseln wollen. Oder so ähnlich. Im persönlichen Gespräch wird er dann konkreter. Es reicht ihm. „Es ist doch so: Verzichtest du der Umwelt zuliebe in der Stadt auf dein Auto, dann atmest du trotzdem die Abgase der Autos ein. Und ermöglichst durch dein Fußgängertum den Autofahrern eine freiere Fahrt. Dadurch fahren erst wieder mehr Menschen mit dem Auto – weil es ja jetzt besser geht.“ Die einzige Chance, etwas gegen den Autowahnsinn zu unternehmen, sei also – selber zu fahren. Er hat sich dieses Argumentationsschema ganz generell durchgedacht und für ihn ist klar: „Ich kann doch nicht dauernd an die anderen denken. Ich kann mir beim Schnitzelessen ja auch nicht überlegen, wie es dem Schwein jetzt geht.“ Nein, sagt er, wir haben uns alle viel zu lange beschränken lassen, jetzt geht es darum: Voll aufs Gas, rausholen was geht – sonst wird das nichts mit dem Wirtschaftswachstum.

Er hat in seinem Kopf bereits ein fertiges Konzept für das Buch, in dem er die Tugendlehre umschreiben will. Das einzige Problem dabei: Er hat noch keine einzige Zeile geschrieben. Ich vermute, er nimmt seine eigenen Moralprinzipien zu ernst: Bequemlichkeit statt Tapferkeit, Reden statt Handeln.

Georg Bauernfeind ist Kabarettist und Publizist in Wien. www.georg-bauernfeind.at

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