Ein abrupter Anstieg der Tantalerzpreise machte Coltan (kurz für Columbit-Tantalit-Erz) aus dem Ostkongo 1999 bis 2001 zu einer wichtigen Finanzierungsquelle der Bürgerkriegsparteien der Region. Durch Hamsterkäufe im Kontext der „Dot-Com-Blase“ verzehnfachte sich der Preis 2000 auf 300 US-Dollar pro Pfund, um nach dem Platzen derselben auf zehn Dollar einzubrechen. Insbesondere die Armee und Teile der politischen Elite Ruandas könnten damals mit dem Verkauf von Coltan aus Südkivu 250 Mio. Dollar verdient haben. Das trug dem Tantalerz aus der Region die Bezeichnung „Blut-Tantal“ ein – analog zu den „Blut-Diamanten“, die die Bürgerkriege in Angola und Westafrika finanzierten.
Seither bewegt sich der Preis wieder um sein langfristiges (niedriges) Niveau. In der Wertschöpfungskette (siehe Kasten) bildeten sich enorme Lagerbestände. Tantalabfall aus der Produktion sowie dem Recycling deckten zuletzt ca. 20 Prozent der Nachfrage, während das US-Verteidigungsministerium seine strategischen Tantalbestände sukzessive auf den Markt warf. Die waren dann zwar 2007 erschöpft, aber bald danach sorgte die weltweite Wirtschaftskrise für einen Nachfrageeinbruch: Im 3. Quartal 2009 lagen die Tantalpreise unter 40 Dollar. Mitverantwortlich für die niedrigen Preise ist nicht zuletzt auch billiges Coltan aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo), das mutmaßlich vor allem in Südostasien und China landet.
Tantal – Wertschöpfungskette
Tantal (bzw. Tantalpentoxid) wird überwiegend zur Herstellung von Kondensatoren für Digital- und Videokameras, Mobiltelefone, Laptops, LCD- und Plasmafernseher und Datenspeichergeräte verwendet. Die Verarbeitung von Tantalerz ist konzentriert, es herrscht starker Preiswettbewerb. Drei Unternehmen decken 80% der Nachfrage – Cabot (USA) sowie H.C. Starck (bis 2007 eine Tochter von Bayer) mit jeweils 30% sowie Ningxia (China) mit 20%. Sie beliefern u.a. die Hersteller von Tantalkondensatoren (Marktwert 2008: 2,35 Mrd. US-Dollar, etwa das Zehnfache des Werts von Tantalerz), die ihrerseits die Endabnehmer in der Elektronikindustrie versorgen, darunter Sony, Nokia, Motorola, Panasonic, Cisco, Nortel, Intel, Hewlett-Packard, IBM, Dell, Compaq, Seagate etc.
Tantalerz spielt daher derzeit im Bürgerkrieg im Ostkongo nur eine geringe Rolle. „Enough“ (
www.enoughproject.org), ein Initiative des Center for American Progress gegen Völkermord und Kriegsverbrechen, schätzt die Gesamteinnahmen bewaffneter Gruppen aus der Bergwerksproduktion in den Konfliktprovinzen Nord- und Südkivu 2008 zwar auf 185 Mio. Dollar (Mittelwert). 115 Mio. davon entfielen jedoch auf Zinn, 50 Mio. auf Gold, 7,5 Mio. auf Wolfram und nur rund 12 Mio. auf Tantalerz.
Nun könnte aber ein Wendepunkt bevorstehen. Aufgrund der niedrigen Preise wurde seit 2007 ein Großteil der Bergwerksproduktion stillgelegt. Das australische Unternehmen Talison, das vor wenigen Jahren mit 2,3 Mio. Pfund fast die Hälfte des weltweiten Angebots lieferte, schloss Ende 2008 auch die zweite Grube (Wodgina); in der kanadischen Bernic Lake Mine von Tanco, einer Tochter des US-Tantalverarbeiters Cabot, wird nach Angaben aus der Branche ebenfalls kein Tantalerz mehr gefördert. Bereits im Mai 2008 eingemottet wurde das Bergwerk Marrupino des Unternehmens Noventa in Mosambik (Produktionskapazität 441.000 Pfund pro Jahr). Parallel dazu nehmen die Mengen aus dem Tantal-Recycling ab, weil es immer schwieriger wird, Tantalkondensatoren aus den zunehmend miniaturisierten Leiterplatinen herauszulösen.
Nach einer Schätzung des Passive Component Industry Magazine (USA) im September 2009 dürfte das Angebot von Tantalerz 2010 zumindest um 11% unter der Nachfrage liegen, die mit 4,2 Mio. Pfund kalkuliert wurde – 33% unter dem Höchstniveau von 2008. Dabei wurde u.a. angenommen, dass die Produktion aus neuen Minen, etwa aus dem Gippsland-Bergwerk im ägyptischen Abu Dabbab (Kapazität 650.000 Pfund; Gippsland steht zu 50% im Eigentum der Regierung in Kairo) erst langsam anläuft. Zudem würden unter diesem Szenario 35% der Bergwerksproduktion aus Afrika kommen, ein Drittel davon aus Ostkongo.
Angaben des führenden Verarbeitungsunternehmens H.C. Starck zufolge hat die Nachfrage jedoch bereits 90% des Niveaus vor der Krise erreicht. Sollte das generell der Fall sein, wäre ein Höhenflug der Tantalerzpreise vorprogrammiert. Da auch die Preise der übrigen Rohstoffe aus der Region anziehen, könnten sich die Konflikte um die Kontrolle der Bergwerke im Ostkongo neuerlich verschärfen.
Die Nachrichten aus der Region sind diesbezüglich nicht beruhigend. Die seit Anfang 2009 laufende, von den UN-Blauhelmen (MONUC) unterstützte Offensive der Regierungstruppen gegen die Hutu-Rebellen der „Forces Democratiques de libération du Rwanda“ (FDLR) steht wegen ihrer verheerenden Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung unter Kritik von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie Enough oder Human Rights Watch. VertreterInnen der Zivilgesellschaft aus Südkivu beschrieben die Situation gegenüber einem „Enough“-Mitarbeiter Anfang November als „allgemeines Chaos wie 1998“. Alle bewaffneten Gruppen, die schlecht bezahlte kongolesische Armee inklusive, terrorisierten die Zivilbevölkerung. „Keine Gruppe ist davon ausgenommen. Man weiß nicht, wer was tut.“
In einer solchen Situation könnte die Strategie hinterfragt werden, „Konfliktrohstoffe“ wie Coltan durch die Rückverfolgung auf das Herkunftsbergwerk aus der Lieferkette zu eliminieren – eine Idee, die unterdessen auch von der Elektronikindustrie (Electronic Industry Citizen Coalition – EICC,
www.eicc.info) unterstützt wird. Ein derzeit diskutiertes US-Gesetz („Congo Conflict Minerals Act of 2009“) würde Unternehmen zwingen, bei von ihnen gewerblich genutzten Metallen (Zinn, Tantal und Wolfram) aus der DR Kongo das Bergwerk zu nennen, aus dem das Erz dafür stammt.
Wem nützt es aber, wenn es aus menschenrechtlicher Sicht egal ist, welche der Parteien das Bergwerk kontrolliert und die militärische Lage sich ständig verändert ? Dann bliebe nur ein genereller Boykott der Rohstoffe aus der Region. Genau ein solcher wird aber von UNO und NGOs abgelehnt, da er die lokale Ökonomie weiter zerrütten und bewaffneten Gruppen noch mehr Zulauf verschaffen könnte – ein Dilemma, das mit einer militärischen Entscheidung beseitigt wäre. Dann gäbe es aber auch keine „Konfliktrohstoffe“ mehr.