Aphrodisiaka: Was Männer stark (und Frauen schwach) macht.
Bei allen Völkern dieser Welt wurden Aphrodisiaka benutzt und das seit Urzeiten. Die ersten schriftlichen Hinweise findet man auf sumerischen Keilschrifttafeln und altägyptischen Papyrusrollen. Auch die antiken Kräuterkundigen beschrieben viele aphrodisische Kräuter und deren Wirkung. Im Zuge der Christianisierung wurden sie allerdings dämonisiert und verteufelt. In einer von christlicher Moral geprägten Welt haftet auch heute noch dem Sexuellen der Beigeschmack des Unmoralischen an. „In der Woche zwier sind gut für Mensch und Tier“, also zwei Mal die Woche Geschlechtsverkehr zu haben, sei gut für Mensch und Tier, soll Luther gesagt haben. Also wenn der Beischlaf primär als Akt der Fortpflanzung gesehen wird, ist es nicht notwendig, ihn mit Hilfe von Aphrodisiaka sinnlicher und lustvoller zu gestalten. Daher beschrieben die mittelalterlichen Kräuterkundigen zwar viele Kräuter wie das Bohnenkraut (Satureja montana) als „gut für die ehelichen wercke“, warnten aber gleichzeitig vor dem Gebrauch, denn „es bringt die unkeusche begierd auff die bahn“. Und unter dem Einfluss einer Religion, in der Enthaltsamkeit und Ehelosigkeit als vorbildlich galten, kannte man mehr Anaphrodisiaka, also Pflanzen, die die Geschlechtslust dämpfen.
Vermutlich ist es daher auch kein Zufall, dass wirkungsvolle pflanzliche Aphrodisiaka wie die Yohimbe von unserer Medizin abgelehnt werden und man chemische Mittel wie das Viagra entwickelte, das zwar die Erektionsfähigkeit stärkt, aber keinerlei sinnlich anregende Wirkung hat.
Die meisten indigenen Völker haben ein sehr unkompliziertes Verhältnis zur Sexualität und den luststeigernden Pflanzen. Daher verdanken wir die Kenntnis der wirkungsvollsten Pflanzen wie Yohimbe oder Muira-Puama indigenen Völkern und deren Schamanen.
Der Yohimbe-Baum (Corynanthe yohimbe) wächst im tropischen Westafrika, und seine Wirkung war schon den Pygmäen bekannt. Aber auch die bantusprechende Bevölkerung kannte ihn und nutzte die Rindenteile bei Hochzeiten und rituellen Orgien. Durch deutsche EinwandererInnen in Kamerun kam die Yohimbe als „Potenzholz“ nach Deutschland, wo 1896 das Alkaloid Yohimbin als Wirkungsprinzip analysiert wurde. Die Wirkung wurde auch klinisch bestätigt, es kann zu einer deutlichen Steigerung der Erektionsfähigkeit kommen. In Amerika wurde diese Pflanze durch die Hippies sehr populär, da sie auch eine psychotrope Wirkung hat, also zu einer übermütigen Lebens- und Liebeslust führen kann. So kommt es zu einer gesteigerten Hautsensibilität, die sich beim Streicheln vorteilhaft auswirkt. Nach äußerst positiven Tests an StudentInnen der Stanford University wurde die Yohimbe aus moralischen Gründen in Amerika verboten, und bei uns bekommt man sie auch nur als rezeptpflichtige Reinsubstanz Yohimbin mit erheblichen Nebenwirkungen, wie sie bei isolierten Wirkstoffen oft auftreten.
Die Tropen liefern uns noch viele andere Pflanzen, die Lust auf Liebe machen und die Männer stärken. So wachsen auch in Südamerika „Potenzhölzer“: Quebracho (Aspidosperma quebracho-blanco) enthält in seiner Rinde ebenfalls das Alkaloid Yohimbin, und der Tee wird oft zusammen mit Mate (Ilex paraguaiensis) zubereitet, was die anregende Wirkung noch verstärkt. Die Rinde von Muira-Puama (Liriosma ovata) wird von den Indígenas Amazoniens schon lange als Medizin genutzt. Die Wirkung ist nicht nur verlässlich potenzstärkend, sondern hilft auch, erotische Beklemmungen und Traumata zu beseitigen.
Als kleiner Strauch wächst die Damiana (Turnera sp.) von Mexiko bis Argentinien. Benannt von einem Missionar im 17.Jh. nach dem heiligen Damian, bezeichnet man die Pflanze, die schon von den Maya als Heilmittel genutzt wurde, in Mexiko Rompe camisa macho, „Die den Mann das Hemd ausziehen lässt“. Besonders wirkungsvoll sind die chemisch noch ungeklärten Wirkstoffe, wenn man die Pflanze in Alkohol ansetzt.
Vorsicht ist allerdings geboten bei manchen Pflanzen, die man in Büchern als Aphrodisiaka angeführt findet. Stechapfelarten (Datura/Brugmansia sp.) oder die Colorines (Erythrina americana) sind recht giftig und ihre Anwendung in einem kulturellen und rituellen Kontext ist hierorts nicht so leicht nachvollziehbar.
Sowohl das Ayurveda als auch der Taoismus sprechen einer erfüllten Sexualität eine lebensverlängernde Wirkung zu. Man kennt daher auch zahlreiche Pflanzen, die lustanregend wirken, einen besonderen Stellenwert nehmen aber Heilpflanzen ein, die helfen, die Manneskraft bis ins hohe Alter hinein aufrecht zu erhalten und die sogar verjüngend wirken sollen.
Ashwagandha (Withania somnifera) riecht angeblich nach Pferden und soll die Vitalität und sexuelle Energie von Pferden vermitteln. Bhringaraj (Eclipta alba) soll so verjüngend wirken, dass es sogar das Ergrauen der Haare verhindern kann, und Gotu Kola (Hydrocotyle asiatica) stärkt nicht nur die Manneskraft, sondern auch das Gedächtnis.
Die chinesische Medizin schätzt ganz besonders den legendären Ginseng (Panax ginseng). Ginseng ist allerdings kein Aphrodisiakum, sondern gilt in der Pharmakologie als Adaptogen. Darunter versteht man Heilmittel, die helfen können, die Folgen von psychischem und biologischem Stress auszugleichen. Altern und Nachlassen der Manneskraft sind sicher solche Stresssituationen und man könnte die Wirkung des Ginseng so beschreiben: Er hilft, diese Probleme gelassener hinzunehmen und das soll ja den Männern helfen, nicht schlapp zu machen. Eine hormonanregende Wirkung kann man dem Ginseng jedenfalls auch zuschreiben.
Miriam Wiegele ist Ethno-Botanikerin und Publizistin. Sie lebt in Weiden im Burgenland. Kürzlich erschien ihr Buch Zauberpflanzen im Österreichischen Agrarverlag (25,60 Euro).