Die ÖsterreicherInnen spenden viel und gerne. Bis zum Öffnen der Brieftasche kann man sich allerdings so einige Gedanken machen.
Spenden gehört zum Leben: Über 80 Prozent der ÖsterreicherInnen tun es und geben dafür jährlich über 400 Mio. Euro aus. 1.115 Organisationen, die regelmäßig zu Spenden aufrufen, finden sich in der Datenbank des Österreichischen Instituts für Spendenwesen (ÖIS).
Doch auch mit Spendengütesiegel und ohne UNICEF-Skandal in Deutschland ist es schwer genug sich zu entscheiden, wem man wie viel gibt. Dabei ist das Spenden – möglichst per Erlagschein oder Bankeinzug – ja nur einer von vielen möglichen persönlichen Umverteilungsmechanismen. Stets locker und wie selbstverständlich damit umzugehen, fällt nicht immer leicht. Man soll jedem Bettler etwas geben – wenn es auch nur eine kleine Summe ist. Nicht wenige Menschen sind in diesem Sinne erzogen worden, was nicht überall einfach zu befolgen ist.
Heute ist eine globalisierte Industrie daraus geworden. Im Dickicht der Schnorrer, Bettlerinnen und Fundraiser kommt man um Bewertungen zur Auswahl nicht herum. Sie alle stehen irgendwie unter Verdacht, die Wirklichkeit zum eigenen Vorteil zu verfälschen. BettlerInnen und FundraiserInnen bieten ein „Produkt“, nehmen hungernde und frierende Kinder zu Hilfe, konstruieren und vereinfachen Geschichten und Dringlichkeiten und stellen sie demonstrativ zur Schau.
Wer spendet, hat die Qual der Wahl: Spende ich für Opfer humanitärer Katastrophen, für den Fortbestand der Wale oder für ein Augenlicht? Letzteres wird auf edel gestalteten Plakaten geschmacklos als quasi fertig verpacktes Geschenk mit roter oder blauer Schleife angepriesen. Der faire Handel hingegen ist wohl auch deshalb so erfolgreich, weil er eine besonders dezente Art des Spendens darstellt. Neulich auf der Fairtrade-Gala in einer Latino-Bar in Wien tummelten sich viele prominente Gäste und spendeten viele einprägsame Worte für den fairen Handel. Der Promi-Moderator des Abends zum Beispiel erklärte, es falle ihm leichter, ein paar Eurocent mehr für etwas auszugeben, das ohnehin schmecke, als mit dem Transparent vor einer Bananenplantage für mehr Gerechtigkeit zu demonstrieren. Am Heimweg des gelungenen Abends dann auf dem U-Bahnsteig ein junger Mann mit blauen Lippen, der hektisch allen Vorbeigehenden nachrennt. Nach dem Erhalt von zwei Euro legt er die Geschichte vom familiären Todesfall und den noch fehlenden 22 Euro für die Fahrt nach irgendwo nach. Die Geschichte, weil in Variationen bekannt, löst Ärger aus.
Es ist nicht leicht, sich im Spannungsbogen zu positionieren, zwischen der Forderung, der Staat müsse eigentlich soziale Sicherheit für alle und soziale Gerechtigkeit gewährleisten und dem archaischen Gebot des Gebens für jeden Einzelnen, das es in allen Kulturen und Religionen gibt.
„Werte Fahrgäste: überlassen Sie Ihren Sitzplatz Personen, die ihn notwendiger brauchen.“
Ausgerechnet die Tonbandansage in Wiener Straßenbahnen bringt die Motivation zum Spenden auf den Punkt. Es geht um Gegenseitigkeit und um gesellschaftlichen Zusammenhalt. Durch Geben wird Gemeinschaft geschaffen, deren Abhandenkommen gerne beklagt wird. Wenn über das professionelle Know-how hinweg gesehen wird auf eines der Kernprinzipien von Gesellschaft, nämlich die Gegenseitigkeit, dann fällt es wieder ganz leicht zu spenden.