Bescheidenheit lernen

Von Redaktion · · 2015/04

Früher gab es ja auch in unseren Breiten noch richtiges Handwerk. Jedes Dorf hatte einen Schuhmacher, einen Sensenmacher und einen Liedermacher. Von letzterem weiß ich es nicht ganz sicher, aber ich hoffe es natürlich.

Wenn man heute durch die Dörfer fährt, trifft man nicht einmal mehr auf Bäckereien, dafür regelmäßig auf Versicherungsbüros. Dort wo es früher nach Semmeln, Krapfen und Topfengolatschen duftete, riecht es heute nach Versicherungspolizzen. Auch darin findet sich Topfen, aber satt wird man nicht.

Die Semmeln, die wir essen, kommen jetzt nicht mehr aus dem Ort, sondern aus deutschen Großbäckereien. Sie werden tiefgekühlt geliefert, im Supermarkt aufgetaut und dann weggeschmissen. Weil sie irgendwie seltsam riechen, so nach Versicherungspolizzen. Da klebt der Geruch von Effizienz so stark dran, dass man sie kaum runterbringt.

Alles möglichst billig. Bei den Schuhen und bei den Jeans ist es nicht anders. Alles wird in der Ferne produziert, und dann wundern sich alle, dass es bei uns keine Arbeitsplätze gibt. Woran das liegt?

An der Konjunktur natürlich, an der ungünstigen Entwicklung, an dem fehlenden Wirtschaftswachstum.

Dass anderswo Menschen unter miserablen Bedingungen arbeiten, damit wir günstig kaufen können, ist halt so. Oder wollen wir wirklich 20 Euro für ein T-Shirt bezahlen, statt 9 Euro für das Kilo? Das Problem ist nur: Die Leute in den sogenannten Billiglohnländern kommen dort mit ihrem Geld kaum durch. Jetzt wollen die zu uns.

Da sagen manche, dass denen die Bescheidenheit fehlt. Natürlich. Aber wo sollen die denn die Bescheidenheit lernen? Das weiß man doch, dass die dort stolz sind. Bescheidenheit, die lernen sie doch nur bei uns. Bei uns, wo ein durchschnittlicher Haushalt 10.000 Produkte beherbergt. Da lernt man die Bescheidenheit. Bei uns, wo bei einer durchschnittlichen Nachhaltigkeitspreisverleihung nach dem Buffet mehr weggeschmissen wird als ein indisches Dorf essen kann. Da lernt man das. Bei uns, wo man alles hat, so dass man nicht mehr weiß, was man anderen schenken soll. Außer vielleicht einen Handwerkskurs, in dem man lernt, Schuhe zu machen, oder Sensen oder Lieder.

Georg Bauernfeind ist Kabarettist und Liedermacher. Sein neues Programm ist ein kabarettistisches Naturschauspiel und heißt DURSCHT UND NÜCHTERN. www.wurschtundwichtig.at

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