Neoliberalismus, soziale Bewegungen und islamische Ideologie in einem nordafrikanischen Land.
Unrast Verlag, Münster 2005, 316 Seiten, EUR 18,-
Islamistischer Terror, Massaker an DorfbewohnerInnen, Entführung von TouristInnen in der Sahara – das sind sicher die ersten Gedanken, die einem beim Thema Algerien in den Kopf kommen. Doch wie sieht die ökonomische Lage in dem nordafrikanischen Land aus, dessen Industrie in den letzten Jahren weitgehend privatisiert wurde und das fast ausschließlich von den Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport abhängt?
Bernhard Schmid hat ein Buch über Algerien vorgelegt, das äußerst gründlich den Aufstieg der islamistischen Bewegung analysiert und Algeriens Rolle im neoliberalen Weltmarkt erläutert. Besonders verdienstvoll sind seine Ausführungen zu den sozialen Bewegungen, den zahlreichen Streiks und Straßenaufständen, die sich jenseits der islamistischen Ideologie bewegen und sich gegen Verarmung und Vetternwirtschaft richten.
Zunächst geht der Autor auf die Geschichte des Landes ein. Dabei beginnt er mit der Staatsgründung am 5. Juli 1962. Die Eroberung des Landes durch die Franzosen, die lange Zeit der Kolonialherrschaft (von 1830 bis 1962) und den achtjährigen Befreiungskrieg streift Schmid nur kurz. Gleichwohl macht er in den folgenden Kapiteln immer wieder deutlich, wie stark die koloniale Phase das Land, die Menschen und die Gesellschaft geprägt haben. Insbesondere der Aufstieg der Islamisten sei zu einem großen Teil auf koloniale Hinterlassenschaften zurückzuführen, so Schmid.
Der in Frankreich lebende Autor bietet eine Fülle an Zahlen und dicht gedrängten Analysen und schöpft dabei aus einem großen Fundus an Quellen und Informanten. Ein sehr reichhaltiges Buch, das die veralteten Darstellungen über Algerien in deutscher Sprache umfassend aktualisiert.