Trotz der internationalen Militärpräsenz fließen Milliarden US-Dollar aus dem Drogenhandel in die Kassen der Warlords und der Taliban.
Abdullah ist außer sich: Ein Flugzeug habe ihn dreimal überflogen, erzählt er, als er nachts seine Schafe hütete. Am nächsten Morgen waren seine Augen verschwollen und die Tiere wanden sich in Krämpfen. Überall lagen kleine, weißgraue Granulatkörnchen.
Im letzten Winter häuften sich Berichte aus Afghanistan über versuchsweise Besprühung von Schlafmohnfeldern mit Pflanzengift aus der Luft. Der pflanzliche Grundstoff für die Herstellung von Opium und Heroin erlebte nach dem Sturz der Taliban einen scheinbar unaufhaltsamen Boom. Von einem Rekord von 80.000 Hektar (2003) ist der Anbau bis 2004 um weitere 64% auf 131.000 Hektar (2004) angewachsen. Allein die Witterungsverhältnisse verhinderten im Vorjahr eine neuerliche Rekordernte.
2005 ist nun nach Angaben der UNO erstmals die Anbaufläche um 16% zurückgegangen, doch seien nun auch wieder höhere Erträge zu erwarten. Mit durchschnittlich 5.400 US-Dollar Ertrag aus einem Hektar können Bauern mit Opium noch immer fast zehn Mal soviel verdienen wie mit jedem anderen landwirtschaftlichen Produkt. Zwei Drittel der Weltopiumproduktion und rund 80% des Heroins auf Europas Drogenmärkten kommen aus Afghanistan, wo der Export von Opiaten gut die Hälfte des Bruttosozialprodukts ausmacht. Die letzte Ernte wird auf ein Exportvolumen von 2,7 Mrd. Dollar geschätzt. Geld, das in die Kassen der Warlords und der Taliban fließen wird.
Nicht nur in Washington und London – federführend bei der Drogenbekämpfung in Afghanistan – ist man darüber verzweifelt. Für Abdullah sitzen dort die Verantwortlichen für die Giftattacken. Sie kontrollieren schließlich den Luftraum. Während die US-Botschaft in Kabul jede Verantwortung zurückwies, wurden im Kongress in Washington konkrete Optionen diskutiert. Glyphosat soll das Mittel der Wahl sein, dasselbe Herbizid aus dem Hause Monsanto, das bei der Kokavernichtung in Kolumbien eingesetzt wird.
Die Regierung Karzai ist strikt gegen eine Besprühung, wie General Muhammad Daoud anlässlich der 48. Tagung der UN Commission on Narcotic Drugs im vergangenen Frühjahr in Wien unterstrich. Der oberste Drogenbekämpfer Afghanistans bestritt allerdings auch, dass es überhaupt Sprühaktionen gab. Zusammen mit den Vereinten Nationen und den meisten europäischen Ländern setzt er auf Polizeimaßnahmen gegen die Drahtzieher des Drogengeschäfts und alternative Entwicklung statt chemischer Keule für die Bauern. Das kostet freilich Zeit. Doch wie die Erfahrung der Andenländer zeigt, haben sich schnelle Erfolge zumeist als wenig nachhaltig erwiesen. Brachialmaßnahmen haben zudem hohe politische und soziale „Nebenkosten“.
„Wir müssen Drogen und Armut gleichzeitig bekämpfen“, sagt Arlacchis Nachfolger Antonio Maria Costa und betont einen zusätzlichen Imperativ: „Wir müssen vor allem die Nachfrage vermindern.“ Wenn das nicht gelingt, führen Erfolge in Afghanistan nur dazu, dass dann eben in anderen Ländern angebaut wird, um den lukrativen illegalen Markt zu versorgen.