Gender Mainstreaming1 und Frauenförderung sind zwei unterschiedliche Strategien zur Stärkung der Frauen: Welches ist der geeignetere Ansatz in der Entwicklungszusammenarbeit? Diese Frage2 stellten wir Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und der Frauenexpertin Gundi Dick3.
Benita Ferrero-Waldner:
Frauen haben global gesehen noch immer weniger Entfaltungsmöglichkeiten und oft einen geringeren Status und gesellschaftlichen Einfluss als Männer. Sie müssen oft härter arbeiten als Männer, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dennoch haben sie weniger Kontrolle über Besitz, Einkommen und Produktionsgüter und sind in vielen Entscheidungsprozessen gar nicht oder schlechter repräsentiert. Armut und Leid haben nur zu oft ein weibliches Gesicht.
Ich habe mich immer wieder aktiv gegen jegliche Form der Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen eingesetzt, wie beispielsweise Gewalt gegen Frauen oder das Problem der Genitalverstümmelungen. Denn sie stellen nicht nur gravierende Verletzungen der Menschenrechte dar, sondern verhindern, dass wir nachhaltige Fortschritte auf dem Weg zu sozialer Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden machen. Frauenförderung und die Gleichstellung der Geschlechter sollten nicht isoliert als „Frauenfragen“ betrachtet werden, sondern als grundlegend für den Aufbau einer gerechten und entwickelten Gesellschaft.
Spätestens seit den 1990er Jahren hat man sich für „Gender Mainstreaming“ als Strategie zur Gleichstellung der Geschlechter und zum „Empowerment“ von Frauen entschieden. Gender Mainstreaming bedeutet, dass die Gleichstellung der Geschlechter in allen Politiken und Programmen mitbedacht wird, und dass Frauen nicht nur als Begünstigte, sondern als Akteurinnen des Entwicklungsprozesses verstanden werden. Es war daher für mich selbstverständlich, „Gender“ auch in der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) als Querschnittsmaterie zu verankern. Zunehmend werden Programme und Projekte der OEZA auf dieses Kriterium hin überprüft.
Gender Mainstreaming bedeutet aber nicht, dass auf Projekte und Programme, bei denen es speziell um die Förderung von Frauen geht, verzichtet werden sollte. Ganz im Gegenteil: Wir wissen, dass die Förderung von Mädchen und Frauen zu den wirksamsten Formen der Entwicklungszusammenarbeit zählt. Daher wurde auch die Zahl frauenrelevanter Projekte in der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit deutlich erhöht.
Natürlich ist mir auch in unseren eigenen Institutionen die Förderung von Frauen ein wichtiges Anliegen. Gerade im Entwicklungsbereich sind wichtige Leitungsfunktionen in Händen weiblicher Kolleginnen, darunter die Botschafterinnen in Addis Abeba, Abidjan, Neu Delhi, Guatemala, Bogotá, sowie die Leiterinnen von EZA-Koordinationsbüros in Bhutan, Senegal, Kap Verde und Nicaragua.
Gender Mainstreaming und Frauenförderung sind durchaus komplementäre Mittel zur Erreichung des Ziels einer gleichberechtigten Beteiligung von Frauen und Männern an den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Prozessen einer Gesellschaft.
Gundi Dick:
Feministinnen und frauenpolitisch Engagierte haben sich in den 1990er Jahren für seine Etablierung eingesetzt und in einem emanzipatorischen Kontext kann Gender Mainstreaming (GeM) ein sinnvolles Instrument sein. Im Kontext der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) jedoch wird selten der Abbau weltweiter Frauenunterdrückung, Frauendiskriminierung, Gewalt gegen Frauen als Entwicklungsziel thematisiert. Anderes wird formuliert: etwa die Millenniumsziele betreffend Armutsbekämpfung, Gleichstellung und Bildung, Senkung der Müttersterblichkeit, Verbesserung der Gesundheitssituation u. a. Um das zu erreichen, so die EZA, ist die Beteiligung von Frauen nötig. Frauen als Instrument?
Es zeigt sich, dass zuviel Querschnitt das Anliegen verflacht und das Spezifische zum Verschwinden bringt. Durch GeM sei Frauenförderung überholt, lautet eine fatale Argumentation, die sich nicht auf Österreich beschränkt. UNIFEM, die Frauenorganisation der UNO, musste 2003 eine Budgetkürzung von 25 Prozent verkraften. Just das fortschrittliche Holland, das bislang einen Löwenanteil beigetragen hat, begründet seinen Rückzug aus der Frauenförderpolitik damit, dass GeM zur Erreichung der Geschlechtergleichheit Erfolg versprechender sei*.
Häufiger sind es die Frauen-Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die – aufbauend auf der Auseinandersetzung mit patriarchalen Verhältnissen – ein Leben in körperlicher Integrität, sozialer Anerkennung und ökonomischer Sicherheit als Ziel formulieren. Wie dahin kommen? Mit einem Methodenmix: GeM kann, ähnlich wie Quotenregelungen, als Instrument in männlich dominierten Bereichen zweckdienlich sein, um frauen- und genderspezifische Themen einzuführen. Als Ersatz für frauenzentrierte Förderung bedeutet GeM in aller Regel einen Rückschritt. Frauenförderung kann Ungleichheit gezielt angehen, über herrschende Logiken hinausgehen, denn Gleichheit ist nicht immer erstrebenswert. Beides und zusätzlich inhaltliche Analysen des Machtverhältnisses zwischen den Geschlechtern, zwischen Nord und Süd, innerhalb eines neoliberalen Systems bringen Frauenpolitik weiter.
*) Siehe Frauensolidarität 2/2004.
1) „Gender“ (engl.) meint die gesellschaftlichen Geschlechterrollen und -beziehungen, die durch die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Gegebenheiten bestimmt werden. Gender Mainstreaming ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frau und Mann (Chancengleichheit) als Querschnittspolitik, indem die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen beider Geschlechter in allen Bereichen von Politik und Verwaltung als leitendes Prinzip mit zu berücksichtigen sind. Die Verpflichtung zu Gender Mainstreaming ist europarechtlich verankert.
2) An dieser Stelle im SÜDWIND-Magazin werden aktuelle entwicklungspolitisch relevante Fragen gestellt. Antworten geben die politisch für Entwicklungszusammenarbeit verantwortliche Außenministerin Ferrero-Waldner sowie vom SÜDWIND eingeladene ExpertInnen.
3) Gundi Dick hat Politikwissenschaft studiert, arbeitet im frauen- und entwicklungspolitischen Bereich und ist Obfrau des Vereins Südwind Entwicklungspolitik Wien.