Begleiter und Führer

Von Werner Hörtner · · 2009/06

Auf eine Reise kann man sich vorbereiten, indem man Literatur aus dem oder über das Zielland liest, oder man kann einen Reiseführer mitschleppen und sich an Ort und Stelle informieren.

Alle Gänge eines Mittagessens können aus Kaktus bereitet werden. Sogar das Fleisch wird von einer saftigen Scheibe der Opuntie täuschend vertreten, einer gleichen, wie man sie als Salat anrichtet. Dieses Menü aus Kaktus wird auf einem Herd gekocht, der mit Kaktus geheizt ist.“ Wer je die „Kulturgeschichte des Kaktus“ von Egon Erwin Kisch, dem rasenden Reporter, der auf der Flucht vor den Nazis 1940 in Mexiko landete, gelesen hat, wird bei einem Besuch im Aztekenland sicherlich nicht auf ein Kaktusmenü verzichten und wird ein offenes Auge für die Rolle der stacheligen Pflanze in der Geschichte, Kunst, Literatur, Pharmakologie usw. Mexikos haben. Die Kaktusgeschichte sowie andere Texte über Mexiko (u.a. von B. Traven, Pablo Neruda, Juan Rulfo, Elena Poniatowska, Octavio Paz) kann man in den „Geschichten fürs Handgepäck“ des Schweizer Unionsverlags lesen; in dieser Taschenbuchreihe sind bisher ein Dutzend Titel erschienen.

Mexikos Literaturnobelpreisträger Paz und der Prager Journalist und Schriftsteller Kisch sind auch in einem anderen Mexiko-Buch vertreten, das man als Mittelding zwischen „Begleiter“ und „Führer“ bezeichnen könnte: Der Besucher, die Besucherin kann direkt am Schauplatz, in Guanajuato zum Beispiel, nachlesen, was Alexander von Humboldt dort vorgefunden hat. In dieser im Insel-Verlag erschienenen Reihe der „Literarischen Reisebegleiter“ ist man mit bekannten AutorInnen unterwegs durch Chicago oder Istanbul, Indien oder Tibet.

Zu den Gipfeln von Tian-Schan und Pamir werden wahrscheinlich nur wenige Weltreisende unterwegs sein, doch kommen in Kirgistan nicht nur Bergfans auf ihre Rechnung, sondern auch IndividualtouristInnen, die die Einsamkeit einer grandiosen Natur lieben und die Vielfalt von Völkern, die noch ihre Identität bewahren konnten. In dem Reiseführer des Trescher Verlages finden sich aber nicht nur Informationen über Sehenswürdigkeiten und Trekkingrouten, sondern auch über Land und Leute, über Kultur und Geschichte bis hin zum Präsidenten Bakijew, der seine ständig wiederholten Versprechen von Demokratisierung immer noch nicht wahr gemacht hat und im kommenden Juli neuerlich zu den Wahlen antritt.

Die im Text erwähnten Bücher:
Reise nach Mexiko. Reihe Geschichten fürs Handgepäck. Unionsverlag, Zürich 2009, 254 Seiten,
€ 9,90
Mexiko. Reihe Reisebegleiter. Insel Taschenbuch, Frankfurt/M. 2009, 229 Seiten, € 10,-
Kirgistan. Trescher Verlag, Berlin 2009, dritte Auflage, 252 Seiten, € 16,95
Buenos Aires & Montevideo. Verlag Cybertours, Hamburg 2009, 196 Seiten,
€ 12,80
Brasilien, Der Strandführer. Verlag Cybertours, Hamburg 2006, 216 Seiten,
€ 14,80
Reisekompass Kolumbien. Verlag Sebra, Hamburg 2009, vierte Auflage, 616 Seiten, € 24,85


Überhaupt ist dieser Berliner Verlag ein Spezialist für den Osten: hier findet man Führer zu Aserbeidschan und China, Kamtschatka, Tibet und der Mongolei. Eine Besonderheit sind die Reiseführer für Flusskreuzfahrten: Donau und Dnepr, Wolga und Nil bis hin zum chinesischen Yangzi.

Afrika liegt nicht nur bei den Statistiken wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung im unteren Feld, es ist offenbar auch kein besonders lukrativer Markt für Reiseführer und schon gar nicht für literarische Reisebegleiter. Der deutsche Verlag Reise Know-How ist einer der wenigen, die Führer zu Ländern abseits der Touristenpfade anbieten, wie den Sahel-Ländern, Guinea-Bissau, Madagaskar, während der renommierte Dumont-Verlag mit Titeln wie Ägypten, Kenia, Marokko im Bereich des touristischen Mainstreams bleibt.

Am umfangreichsten ist nach wie vor das Angebot zu Lateinamerika. Im Hamburger Verlag Cybertours ist eben ein Band über Buenos Aires und Montevideo erschienen, der nicht nur Hinweise auf Sehenswürdigkeiten enthält, sondern auch Adressen von Tango-Tanzclubs und Diskotheken, von Kulturstätten und preiswerten Unterkünften sowie Stadtviertelpläne.

Für Sonnenhungrige oder Fleischbeschauer gibt es bei diesem Verlag auch Strandführer, etwa zu Brasilien und Costa Rica, in Asien auch zu Sri Lanka und Südostasien, und für Jene, die sich lieber unter der Meeresoberfläche aufhalten, Tauch- und Schnorchelführer.

Ein eher seltenes Marktsegment deckt der kleine Sebra-Verlag aus Hamburg ab. Er verbindet umfassende nützliche Reisetipps mit ausführlichen Informationen über die Länder, von Kultur und Geschichte bis zu Menschenrechtssituation und aktueller politischer Lage. Bisher erschienen Bücher über Peru, Bolivien, Chile und die Dominikanische Republik sowie schwerpunktmäßig zu Kolumbien, alle verfasst von Hella Braune und Verlagsleiter Frank Semper. Dieser hat seine Doktorarbeit zu den Rechten indigener Völker Kolumbiens verfasst, die im Sebra-Verlag erschienen ist, ebenso wie ein Buch über die Amazonasregion und einen Kolumbien-Führer, der soeben in erweiterter und aktualisierter Fassung in 4. Auflage erschienen ist.

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