Das Ndere Centre in Ugandas Hauptstadt Kampala, sichtbares Ergebnis der österreichisch-ugandischen Entwicklungszusammenarbeit, wurde feierlich eröffnet.
Unmöglich, sein eigenes Wort zu verstehen. Zu viele unterschiedliche Trommel-Rhythmen heizen die ohnehin schon brodelnde Stimmung im Ndere Centre in Kampala auf. Grund für die spannungsvolle Vorfreude der Hunderschaften von tanzenden und singenden KünstlerInnen aus ganz Uganda ist hoher Besuch: Präsident Yoweri Museveni selbst kommt in das neu erbaute Kulturzentrum, dessen Grundstein er drei Jahre zuvor gelegt hatte und das er nun mit einer launigen Rede eröffnen soll.
Die Sicherheitsvorkehrungen sind beträchtlich und lassen erahnen, dass dieser Mann wirklich gefährdet ist. Gleich nach dem Auftritt beim viertägigen Kulturfestival besucht Museveni seine Truppen im Norden des Landes, die seit 18 Jahren gegen John Conys mordende und brandschatzende Rebellentruppe Lords Resistance Army (LRA) kämpfen. Im Ndere Centre aber ist von den furchtbaren Zuständen im Norden des Landes nichts zu spüren. Erst ein Film, gedreht von den Mitgliedern der Ndere Troupe, geht auf die Problematik der LRA-Kindersoldaten ein. Das Publikum reagiert auf den mitunter etwas naiven Film sehr befremdlich: Je brutaler und tragischer die dargestellte Situation, desto mehr (nervöses?) Gelächter erschallt.
Anlass für den kollektiven Aufmarsch beeindruckender SängerInnen und TänzerInnen aus ganz Uganda ist das seit zehn Jahren stattfindende Ugandan Development Theatre Festival (UDTA), mit dem das neu errichtete Festivalzentrum festlich eröffnet wird. Uganda ist Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. In den vergangenen zehn Jahren wurde viel Geld in ugandische Kulturprojekte gesteckt. Ein erster Schritt war die Unterstützung der mittlerweile international auftretenden Ndere Troupe, einer professionellen Formation aus hoch begabten TänzerInnen, SchauspielerInnen und MusikerInnen.
Stephen Rwangyezi, Agrarökonom und Wirtschaftswissenschaftler, ist der Gründer der Gruppe. Er entwickelte ein dichtes kulturelles Netzwerk bis in die entlegensten Distrikte Ugandas. Zentral ist dabei der Gedanke des „Entwicklungstheaters“. In den zum Teil sehr pädagogisch und immer höchst moralisch angelegten Stücken werden der ländlichen Bevölkerung Themen wie Korruption (die nach wie vor stark verbreitet ist), Aids-Aufklärung (Uganda gilt als Vorzeigeland Ostafrikas in der Bekämpfung von Aids) oder Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch in einfachen Geschichten näher gebracht. Diese Theaterstücke werden in den rund 30 regionalen Sprachen Ugandas gespielt und sind in den großteils nicht ans Stromnetz angebundenen Dörfern die einzige Möglichkeit, die BewohnerInnen zu informieren. Schon aus diesem Grund sind die Stücke meist sehr einfach gestrickt. Sie werden für gewöhnlich vom Publikum unter großer Anteilnahme lautstark kommentiert.
Ihre Mitglieder sucht sich die Ndere Troupe bei den über 40 verschiedenen Volksgruppen. Von der national bekannten Schauspiel- und Entwicklungstruppe aufgenommen zu werden, bietet vielen hoch talentierten jungen MusikerInnen die Chance, Schulbildung, professionellen Musikunterricht und ein starkes soziales Netz in Anspruch nehmen zu können. Auch die Tatsache, dass die Jugendlichen aus allen Teilen Ugandas stammen, ist kein Zufall: Kaum ein Ugander fühlt sich seinem Staat zugehörig; viel mehr zählt, aus welchem Distrikt er oder sie stammt. Durch die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Traditionen wird die Selbstwahrnehmung und das Selbstbewusstsein gestärkt. Und nur auf dieser Basis kann ein gemeinsames Nationalbewusstsein entstehen.
Für das UDTA-Festival werden in allen Distrikten Vorausscheidungsrunden ausgetragen, bei denen die regionalen Gruppen ihre Musik-, Tanz- und Schauspieldarbietungen präsentieren. Mit der Einbindung traditioneller Gesänge, Rhythmen und Bewegungen sowie der Fortführung der überlieferten Motive in eine heutige Sprache gelingt den TeilnehmerInnen ein neuer Blick auf ihre eigene Kulturgeschichte. Beim Wettbewerbs-Finale in Kampala sind nur noch die Besten dabei; die Ndere Troupe und ausländische Gäste treten außer Konkurrenz an.
Das weitläufige Areal des Ndere Centre liegt auf einem der 22 Hügel von Kampala, im Stadtteil Ntinda, und bietet während des UDTA-Festivals über 1.000 KünstlerInnen aus ganz Uganda Platz. Mit ihren rötlichen Steinmauern sind die Gebäude der Anlage – eine Freiluftarena, ein Theater sowie Büroräume – in das sanft abfallende Grundstück eingebettet, das von der katholischen Kirche gepachtet wurde. Im unteren Teil präsentieren die Gruppen ihre heimatlichen Regionen in kleinen Verkaufsständen: Die einen setzen auf Musikinstrumente, Holzfiguren, andere wieder auf Früchte und Gemüse. Auch diese Präsentationen werden von der Jury bewertet, und auch sie verfolgen ein längerfristiges Ziel: Die Erkenntnis, dass jede Region über ihre Spezifika verfügt und somit einzigartig ist. Denn in Zukunft soll Uganda wieder stärker für den Tourismus erschlossen werden.
Im Februar 2004 stand das UDTA-Festival unter dem Motto „Harvest“ – die künstlerische Ernte wurde eingebracht. Mit dabei waren diesmal auch zwei österreichischen Gruppen: das steirische Ensemble deishovida, das bereits mehrmals mit der ugandischen Band „The Big 5“ aufgetreten ist; als zweiter „österreichischer“ Export feierte die Tänzerin Chandiru Mawa mit ihren Kolleginnen große Erfolge. Die gebürtige Uganderin lebt seit zehn Jahren in Wien, wo sie mittlerweile ein eigenes Tanzstudio betreibt.
Nach zwölf Jahren Vorarbeit hat die Ndere Troupe mit dem Kulturzentrum eine neue Bleibe gefunden, die neben professioneller Infrastruktur (die zum Teil noch ergänzt werden muss) auch eine angenehme Atmosphäre bietet. Wie das Zentrum das Jahr über bespielt werden soll und wie man daran auch verdienen kann, ist noch nicht ganz klar; immerhin gibt es aber bereits Pläne – auch von österreichischer Seite. Und schließlich steht auch das offizielle Uganda hinter dem engagierten österreichisch-ugandischen Projekt, das mit vereinten Kräften realisiert wurde. Auch wenn Präsident Yoweri Museveni bei der Eröffnung schelmisch meinte: „The Austrians are dreamers …“
Marie-Therese Rudolph, geboren in Linz, studierte Musikwissenschaften in Wien, Brüssel und Paris. Sie lebt als Kulturarbeiterin und Autorin in Wien.
Mehr Infos zur Ndere-Truppe auf www.ndere.com