Verösterreichung und Realitätsflucht dominieren als Trends die Medienlandschaft, auch im Wahlkampf werden die wichtigen Themen ausgeblendet.
Seit Frühjahr 2016 beginnt ORF 2 sein Programm Montag bis Freitag mit „Guten Morgen Österreich“. Im August hat „Österreich“ überhaupt die Titelführerschaft auf dem ORF-Regionalsender übernommen, mit nunmehr zusätzlich „Mittag in Österreich“, „Aktuell in Österreich“ und „Daheim in Österreich“. Wenigstens wird das alles einmal in der Woche in „Willkommen Österreich“ kabarettistisch auf die Schaufel genommen. Den Blick auf das Lokale und Regionale zu verstärken, ist schon aus Gründen der Nachhaltigkeit wichtig, die an Lokalität und Zeit gebunden ist.
Eingeschränkter Horizont. Entscheidend ist aber, aus welcher Perspektive und mit welchen Interessen dieser erfolgt. Die Perspektive der „Glokalisierung“, womit der Soziologe Roland Robertson die Begegnungslinie zwischen dem Globalen und dem Lokalen bezeichnet, böte einen Zugang, wie etwa Globalisierung lokal verarbeitet wird – produktiv oder in Form von Widerstand. Doch die Art der Verösterreicherung in den Sendungstiteln betreibt der ORF auch in den Sendungsthemen. Soziale Innovationen durch Aufnahme von geflüchteten Menschen? Fehlanzeige. Lokale Klimapolitik? Fehlanzeige. Mit dem eingeschränkten Horizont und der Idyllisierung bedient der ORF eine gesellschaftliche Dynamik, die auch anderweitig erkennbar ist. So ist „Landlust“ mittlerweile eine der auflagenstärksten deutschsprachigen Illustrierten – ohne jeden News-Wert. Sie thematisiert verschwundene Traditionen und mystifiziert die Natur, für den Trendforscher Peter Wippermann ein Hinweis darauf, „wovon die Menschen in Deutschland träumen“.
Ungestörte Heimat. Auch Österreich ist von dieser Realitätsflucht oder Realitätsverweigerung betroffen, die nicht einmal mehr „Fake News“ benötigt und gerade jene Themen, die über die Zukunft der Menschheit entscheiden, im Wahlkampf ausblendet. Dafür gibt es jede Menge Armut fördernder Forderungen und Bemühungen, Flüchtlinge etwa in libyschen Lagern unsichtbar zu machen. Ach wäre es doch so heimelig wie früher. Und wenn aus der Sehnsucht nach Idylle, pathetisch Heimat genannt, schließlich ein Recht auf ungestörtes Leben abgeleitet wird, ist es nicht mehr weit, die Menschenrechte zu entsorgen. Die FPÖ hat das erkannt und fordert in ihrem Wahlprogramm eine „Evaluierung der Europäischen Menschenrechtskonvention und gegebenenfalls Ersatz durch eine ‚Österreichische Menschenrechtskonvention‘, die auch das Heimatrecht der Österreicher schützt“.
Nach dem Staatsvertrag war es nationaler Konsens: Die Welt braucht ein neutrales Land wie Österreich, das Verfolgte aufnimmt, ihnen Schutz und Heimat bietet. Als ich bei einer Diskussion daran erinnerte, kam eine spontane Wortmeldung: „Und heute heißt es: Wozu braucht Österreich die Welt.“
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