Sklaverei gibt es nicht „schon immer“, aber schon sehr lange. Sie tauchte vor etwa 5.000 Jahren im „fruchtbaren Dreieck“ des Mittleren Ostens auf.
Die erste „Sklavenhaltergesellschaft“ entstand im antiken Griechenland. In ihr war die Sklaverei wichtigster Produktionsmodus. Vorsichtig geschätzt übertraf die Zahl von 100.000 SklavInnen die Zahl der waffen- und arbeitsfähigen Athener Bevölkerung. Dieses Zahlenverhältnis gilt später auch für Rom und nach dem 19. Jh. noch einmal in der Karibik, Brasilien und dem Süden der USA.
In Europa wurde im Zuge der Bauernbefreiung die Leibeigenschaft und eine Unterform, die Hörigkeit, im 18. und 19. Jh. abgeschafft, zuletzt in Russland. In islamischen Gesellschaften war Sklaverei weit verbreitet. Zuerst kamen die SklavInnen aus dem Mittelmeerraum und Südrussland, ab dem 7. Jh. zusätzlich aus Afrika. Der Historiker Ralph A. Austen schätzt die Zahl afrikanischer SklavInnen in arabischen Ländern auf elf Millionen, was ungefähr dem Ausmaß des transatlantischen SklavInnenhandels entspricht. Die Tragödie Afrikas setzte also schon vor der Eroberung Amerikas ein. Der arabische SklavInnenhandel ist weniger bekannt als es seiner Bedeutung zukommt.
Mit dem arabischen SklavInnenhandel und der „Entdeckung“ Amerikas wurde die Entwicklung Afrikas völlig verändert. Zwar kannte dieser Kontinent kriegerische Konflikte und Sklaverei auch ohne Zutun von „außen“. Zudem waren viele der späteren SklavInnenhändler Schwarze. Aber der „demografische Aderlass“ und die SklavInnenjagd nahmen bis Ende des 19. Jh. ein Ausmaß an, mit dessen Folgen die Menschen des Kontinents noch heute kämpfen. Im 17. Jh. internationalisierte sich der SklavInnenhandel weiter. Die Ausbeutung der SklavInnen wurde immer systematischer. Ihre Überlebensdauer betrug etwa auf den Zuckerrohrplantagen Brasiliens im 17. Jh. weniger als zehn Jahre.
Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Missstand der Sklaverei hatte über die Jahrhunderte dieselbe Wurzel: SklavInnen waren meist Fremde – Schwarze, Andersgläubige, Barbaren. Abgesehen von der Leibeigenschaft kamen SklavInnen nicht aus der eigenen Bevölkerung.
Bis in das 18. Jh. war keine Kritik an der Sklaverei zu vernehmen, ein großer moralischer Makel der Aufklärung. Der Wiener Kongress verurteilte 1815 den Sklavenhandel. Er blühte aber noch bis 1880 weiter. Dann wurde er durch die europäische Kolonisierung Afrikas erschwert. Ausgerechnet die kolonialistische Berliner Kongo-Konferenz verpflichtete ihre Unterzeichner, gegen Sklaverei vorzugehen.
1865 wurde sie in den USA abgeschafft. Erst im Jahr 1981 verbot Mauretanien als letzter Staat die Sklaverei gesetzlich. Trotzdem gilt sie dort weiter als „tief verwurzelt“.
Zu jeder Zeit agierten die SklavInnen selbst, um ihrer Stellung zu entfliehen. Die humanistische Anteilnahme an ihrem Los hängt mit ihren Kämpfen zusammen. Die SklavInnen erreichten ihre Freisprechung weitgehend selbst, wurden zum Teil aber erst in der zweiten oder dritten Generation als gleichberechtigte Subjekte sichtbar. Die weit über 30 Millionen aus ihrer Heimat verschleppten SklavInnen sind trotz extremer Einschränkungen in der Handlungs- und Bewegungsfreiheit AkteurInnen der Weltgeschichte, was von der einseitigen Sicht auf vorgebliche Passivität verdeckt wird.
Quelle: Gekürzt entnommen dem iz3w 294, Juli/August 2006, Freiburg i.Br., www.iz3w.org)
Lesetipp: Christian Delacampagne:
„Die Geschichte der Sklaverei“, Artemis und Winkler Verlag, Düsseldorf 2004, Euro 26,80