Die neue schwarz-blaue Regierung betreibt, was die Außenpolitik anbelangt, eine Vogel-Strauß-Politik, meint Federico Nier-Fischer.
Bitte schlagen Sie das neue Regierungsprogramm auf, und suchen Sie dort nach der Rubrik „Außenpolitik“ … Vergessen? Übersehen? Zensuriert? Abgemeldet? Verzichtet Österreich in den nächsten vier Jahren auf außenpolitische Vorhaben?
Von außen betrachtet, wirkt es, als ob sich eines der reichsten Länder der Welt (mit einem geizig gehaltenen Staat) – nämlich Österreich – von den großen Herausforderungen der Menschheit verabschiedet hätte. Das Rollo vor dem – in den letzten zwanzig Jahren immer kleiner gewordenen – Fenster in die Außenwelt scheint ganz heruntergezogen zu sein.
Die Schwerpunktsetzungen im neuen Regierungsprogramm betrachten die große Welt eher als ein Sicherheitsproblem und die außenpolitischen Anliegen sind zur EU-Innenpolitik gemacht worden. Das gibt natürlich zu denken, wenn man den gegenwärtigen Zustand der gemeinsamen Politik der EU-Mitgliedsländer in der Welt berücksichtigt!
Das zehntreichste Land der Welt hat sich mit einem solchen Regierungsprogramm, das keinen Schwerpunkt mehr in der Außenpolitik setzt, auch von dem Anspruch einer eigenen Entwicklungspolitik verabschiedet – die globalen Herausforderungen, wie die Überwindung von Armut und Hunger auf der Welt sind scheinbar abgeschrieben worden.
Aus der Sicht der Armen sind das eher schlechte Nachrichten – denn für sie heißt es, dass aus Österreich keine engagierte Beistandspolitik gegen die Armut und den Hunger zu erwarten sein wird.
Die einzige Hoffnung steckt paradoxerweise in der Tatsache, dass österreichische Entwicklungspolitik künftig Teil der Europapolitik zu werden scheint. Denn immerhin haben sich die EU-Mitglieder dazu verpflichtet, bis 2006 jährlich mindestens 0,39 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) auszugeben.
Was die österreichische Außenpolitik in den letzten Jahrzehnten nicht einmal annähernd geschafft hat, könnte nun als verpflichtendes EU-Ziel wahr werden.
Die Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) verfolgen jedenfalls die vereinbarte Aufstockung der EZA-Mittel mit großem Misstrauen. Sie fühlen sich durch die sich abzeichnenden Verfahrensweisen betroffen. Die Frage steht im Raum: Mehr öffentliche Mittel für wen? Für eine immer stärkere Beteiligung von Firmen an der Entwicklungshilfe?
Bisher hat man von Regierungsseite auch dazu nichts Offizielles gehört. Tatsache ist aber, dass seit über einem Jahr diskrete Beratungen auf Beamtenebene zwischen Finanz- und Außenministerium laufen – über die Auslagerung der EZA-Abwicklung in eine privatrechtliche Agentur.
Während die Außenministerin die „Auslagerung“ ganz kurz in ihrer Erklärung im Parlament streifte, holte der Bundeskanzler dort selbst zu einem größeren (und verwirrenden) Wurf aus und malte eine „Plattform für Entwicklungs- und Osthilfe“ an die Wand, an der „die österreichische Wirtschaft, die Sozialpartner, die Länder, Städte und Gemeinden“ beteiligt werden sollen.
Über eine zivilgesellschaftliche Beteiligung wird aber geschwiegen. Daher ist es verständlich, wenn in Kreisen der traditionellen EZA-Träger (entwicklungspolitische, kirchliche und menschenrechtliche Organisationen) die Ungeduld wächst. Soll der Sektor, dem das große Spenderherz der BürgerInnen vertraut, aus einer paktierten Lösung zwischen Politik und Wirtschaft ausgeschlossen werden?
Die Wortwahl des Bundeskanzlers – er bezog sich auf einen „effizienten“ Mitteleinsatz für einen Know-How-Transfer in bestimmten Bereichen – unterstreicht die Befürchtungen der NGOs. Effizienz ist ein Begriff aus der Betriebswirtschaft. Für jeden eingesetzten Euro bekommt man wie viele Euros zurück?
Fast klingt es so, als wolle man Geschäfte mit der Armut machen!
Auch eine Auslagerung öffentlicher Leistungen des Staates bedeutet, dass die Mittel, die eigentlich den Betroffenen zukommen sollten, erst einmal dazu verwendet werden, eine neue privatwirtschaftliche Bürokratie aufzubauen und zu erhalten.
Die NGOs scheinen aber nicht mehr bereit zu sein, sich bei solchen Manövern weiter ausgrenzen zu lassen. Dem Vernehmen nach sind sie nun entschlossen, ihre Anliegen mit einer großen Kampagne an die Öffentlichkeit zu tragen. Im Kampf gegen die Armut seien soziale Netzwerke und der solidarische Beistand für die Betroffenen bei der Überwindung ihrer Situation nicht nur unentbehrlich, sondern auch die effizientesten Formen der Zusammenarbeit, so die Meinung der NGOs. Genau das aber kann nur über zivilgesellschaftliche Einrichtungen geleistet werden.
Sollte eine Agentur unbedingt notwendig sein, weil man dem öffentlichen Sektor die sozialpolitische Fachkompetenz absprechen will, dann müsste es eine maßgebliche Mitbestimmung der entwicklungspolitischen Organisationen geben und einen spezialisierten „Schalter“ für die Finanzierung sozialer Projekte der zivilgesellschaftlichen Netzwerke.