Argentinien setzt auf Gen-Weizen

Von Jürgen Vogt · · 2022/Sep-Okt
HB4-Weizen im Glashaus der Gentech-Firma Bioceres. Expert*innen fürchten, dass er zukünftig konventionellen Weizen kontaminieren könnte. © Marcelo Manera / AFP / picturedesk.com

Dürren in den Anbauländern und der Ukraine-Krieg lassen den Weizen weltweit knapp werden. In Argentinien hat die Regierung nun den Anbau einer neuen, genmanipulierten Sorte genehmigt.

Schlechte Nachrichten für den ohnehin angespannten internationalen Weizenmarkt: Argentinien wird dieses Jahr weniger Weizen ernten. Wegen der anhaltenden Dürreperiode und des Mangels an Bodenfeuchtigkeit wird um eine Million Hektar weniger bepflanzt als im vergangenen Jahr, so die Prognose von Argentiniens wichtigster Getreidebörse in der drittgrößten Stadt, Rosario.

Das Land durchlebt das dritte Jahr des Wetterphänomens La Niña, das für Trockenheit und unterdurchschnittliche Niederschläge steht.

Derweilen kommt der argentinischen Gen-Saatgutindustrie die Dürre gelegen: Im Mai hat die Regierung in Buenos Aires als erste weltweit den Handel und den Anbau einer genmanipulierten Weizensorte genehmigt, die Trockenperioden besser übersteht. „Dieser Weizen ermöglicht es, in Gebieten mit größerer klimatischer Instabilität den Ernteertrag zu garantieren“, sagte der Agrarminister Julián Domínguez.

Argentinien profitiert. Wie alle Weizenexportländer profitiert Argentinien von dem durch den Ukraine-Krieg verursachten Anstieg des internationalen Weizenpreises. „Unser Ziel ist, die Gelegenheit zu nutzen, die sich aus dem internationalen Szenario ergibt“, begründete denn auch Matías Lestani, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium ohne Umschweife die Genehmigung. Der Krieg in der Ukraine halte „schon jetzt die gesamte globale Verwertungskette in Schach“, so Lestani.

Und selbst wenn sich nach einem Ende des Krieges der Weizenmarkt wieder normalisieren sollte, werde die Unsicherheit durch die Klimakrise anhalten, so Agrarminister Domínguez.

Bis Mai war in Argentinien nur die Weiterverarbeitung und der Konsum von Mehl aus genmanipuliertem Weizen zugelassen, nicht aber der freie Verkauf von Saatgut.

Zu den jährlich rund 190 Millionen Tonnen Weizen, die auf dem Weltmarkt gehandelt werden, trug Argentinien zuletzt als siebtgrößter Exporteur rund 14 Millionen Tonnen bei. Der größte Teil davon geht in die südamerikanischen Nachbarländer, vor allem nach Brasilien.

Widerstand von Exportfirmen. Treibende Kraft bei der Kommerzialisierung und bisher einziger Hersteller des sogenannten HB4-Weizensaatguts ist das argentinische Gentech-Unternehmen Bioceres. Dabei kann das 2001 gegründete Unternehmen auf viel Erfahrung setzen. Zu den Firmengründern gehören einige der Pioniere des Gen-Sojaanbaus der 1990er Jahre.

Doch anders als bei Gen-Soja, das Argentiniens Felder ab der Jahrtausendwende nahezu widerstandslos erobert hat, stößt der Anbau von Gen-Weizen bei landwirtschaftlichen Betrieben und Exportfirmen auf starke Ablehnung.

Die richtet sich jedoch nicht gegen die Genmanipulation als solche. Befürchtet wird, dass die Käuferländer ein Importverbot über jeglichen Weizen aus Argentinien verhängen, weil sie bei einem Anbau von HB4-Weizen eine Kontaminierung der konventionellen Weizensorten befürchten.

„Wir werden kein einziges Korn HB4-Weizen beim Verladen akzeptieren, weil es auf dem Markt auf totale Ablehnung stößt“, wetterte der Vorsitzende des argentinischen Getreideexportzentrums (CEC), Gustavo Idígoras, gegen die Genehmigung. Nicht anders ist der Tenor beim Gros der Weizenanbauenden, die bisher aus diesem Grund vor einem Anbau von HB4-Weizen zurückschrecken.

Regionales Verbot. Seit Anfang Juli untersagt zudem eine einstweilige Verfügung die Verwendung und Freisetzung von HB4-Weizen in der wichtigen Provinz Buenos Aires. Sollte das genmanipulierte Weizensaatgut freigesetzt werden, könnte es zu einer irreversiblen Kreuzung mit konventionellem Saatgut kommen, so Richter Néstor Salas.

Er berief sich auf eine Studie der Nationalen Beratungskommission für landwirtschaftliche Biotechnologie, in der „der mögliche Transfer oder Austausch von Genen“ zwischen transgenem Weizen und anderem Saatgut beschrieben wird.

Bei der genetischen Veränderung durch die sogenannte HB4-Technologie wird dem Weizengenom ein Sonnenblumen-Gen eingesetzt, das eine erhöhte Toleranz gegenüber Wassermangel erlaubt. Statt bei anhaltender Trockenheit durch schnelleres Wachstum wenigstens einige Samenkörner für das Weiterleben der Art zu erzeugen, steht bei HB4-Pflanzen die Produktivität an erster Stelle. Die Pflanzen verfügen über ein längeres Durchhaltevermögen beim Warten auf Niederschläge.

Auch Sojabohnen wird, schon seit über 20 Jahren, ein Sonnenblumen-Gen eingesetzt, um sie resistenter zu machen. © Marcelo Manera / AFP / picturedesk.com

Letztlich geht zwar auch bei HB4-Weizen nichts ohne Regen, in Trockenperioden sollen durch die Veränderung aber bis zu 20 Prozent höhere Erträge ermöglicht werden als mit konventionellem Weizen.

Bei all dem Gerangel um die Dürreresistenz geht unter, dass dem HB4-Weizen auch das Resistenz-Gen gegen das Herbizid Glufosinat-Ammonium eingebaut wurde. Die Wirkung von Glufosinat-Ammonium wird als toxischer eingestuft als jene von Glyphosat, gegen das nach seinem jahrzehntelangen Einsatz zahlreiche als Unkraut abqualifizierte Pflanzen resistent sind.

Hoffnung auf Absatzmärkte. Die Manipulation in Sachen Trockenheit haben die Biochemikerin Raquel Chan und ihr Instituto de Agrobiotecnología del Litoral in der zentralargentinischen Stadt Santa Fe sowie die argentinische Wissenschaftsbehörde Conicet auf den Weg gebracht. Zuvor hatte Chan schon das Sonnenblumen-Gen in das Sojagenom eingesetzt.

Die Lobbyist*innen der Gentech-Firma Bioceres versuchen nun, die Genehmigungsbehörden in den Abnehmerländern von HB4 zu überzeugen. Je mehr Länder die Einfuhr und den Konsum von transgenem Weizenmehl genehmigen, desto geringer wird der heimischen Widerstand, so das Kalkül. 

Bisher waren die Lobbyist*innen in Brasilien, in Australien und Neuseeland erfolgreich. In den drei Ländern ist der Import und die Verwendung von Mehl aus HB4-Weizen genehmigt, aber nicht der Verkauf und Anbau von HB4-Saatgut.

Auch der EU liegt der entsprechende Genehmigungsantrag vor. Angesichts der diesjährigen Dürre in den Anbaugebieten von Frankreich, Italien und Spanien könnte bald eine Entscheidung zugunsten von HB4-Saatgut fallen.

Jürgen Vogt lebt seit 2005 in Buenos Aires und ist u.a. Korrespondent der deutschen Tageszeitung Taz.

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