Angst vor Österreich

Von Werner Hörtner · · 1999/10

hat der von den Medien als Drogenchef vorverurteilte Nigerianer Charles O., der nun freigelassen wurde. Man kann es ihm nicht verdenken.

„Als ich Journalisten zur Präsentation meines Buches einlud, kam niemand. Nun schreiben alle über mich als Drogenhändler. Gibt es nicht auch in Österreich die Regel, Menschen vor einer Verurteilung nicht in den Medien zu verurteilen?“, fragte ein sichtlich verbitterter Charles O. die Anwesenden bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Wiener Amerlinghaus Anfang September.

Sein Unmut ist verständlich. Im vergangenen Mai lancierte die Polizei mit großem Medienecho die „Operation Spring“ und nahm über 100 des Drogenhandels verdächtige Schwarzafrikaner fest, vor allem nigerianische Staatsbürger (vgl. SWM 7-8/99, S.14).

Der 1960 im nigerianischen Igboland geborene Obiora C-Ik Ofoedu, seit 1991 als Journalist und Schriftsteller in Wien lebend und hier als Charles O. bekannt, wurde ebenfalls inhaftiert und, auf Grund von Polizeiangaben, von den Medien praktisch unisono als Chef einer ominösen nigerianischen Drogenmafia vorverurteilt. „Es war schlimm, vom Gefängnis aus mitzuerleben, was die Zeitungen über mich geschrieben haben.“

Ende August wurde Charles O. gegen Gelöbnis und Paßabgabe aus der Untersuchungshaft entlassen. „Die Angelegenheit soll nun langsam dem Vergessen anheimfallen“, schätzt sein Rechtsanwalt Andreas Fehringer die Vorgangsweise der Behörden ein. Nach der medial so groß aufgebauschten „Operation Spring“ will man einen Flop nicht öffentlich eingestehen.

INI: Für die „besonders aggressiven“ Afrikaner, die ohnehin „meistens Drogendealer“ sind (Richterin und FPÖ-Abgeordnete Helene Partik-Pablé) gilt offenbar nicht die gesetzliche Regel der Unschuldsvermutung.

Auf die Frage des SÜDWIND, ob er keine rechtlichen Schritte gegen Medien und die Republik Österreich unternehmen will, ließ Anwalt Fehringer durchblicken, daß er sich eine Klage vorstellen könne. Es sei aber noch zu früh, darüber zu reden.

Von den mehr als 100 Personen, die im Rahmen der groß angelegten Polizeiaktion samt Lauschangriff verhaftet wurden, befindet sich etwa die Hälfte noch in Untersuchungshaft. Anklageschriften liegen noch keine vor; es steht auch noch nicht fest, ob es einen Sammelprozeß geben wird. Einige bekamen als Pflichtverteidiger Anwalt Rifaad zugewiesen, der die drei des Todes von Marcus Omofuma angeklagten Polizisten verteidigt.

Die anfangs Mai gegründete „Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und ImmigrantInnen“, GEMMI, kritisiert die unwürdigen Haftbedingungen der Betroffenen. Die junge Organisation betrachtet die „Operation Spring“ als einen Meilenstein auf dem Weg zu einer rassistischen Grundstimmung in Österreich und stellt eine steigende öffentliche Akzeptanz bei rassistisch motivierten Übergriffen der Polizei fest.

„Ich bin durch eine neue Schule gegangen“, faßt Charles O. seine Erfahrungen der letzten Monate zusammen. Und: „Ich habe aufgepaßt, daß es in der Untersuchungshaft nicht zu einem zweiten Fall Omofuma kommt.“ Nach dem endgültigen Fallenlassen der Anklage gegen ihn will der Nigerianer in seine Heimat zurück.

(GEMMI braucht finanzielle und personelle Unterstützung zur Gefangenenbetreuung: Stiftgasse 8, 1070 Wien, Tel. 01/523 64 75, Fax 01/523 40 09.)

WeH

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